Der Neue
Marburgs designierter Oberbürgermeister Thomas Spies im Interview Foto: Kronenberg
Express: Was sind die wichtigsten Aufgaben, die Sie als neuer OB angehen werden?
Spies: Das Erste wird sein, die Mitarbeiter der Stadtverwaltung kennenzulernen und ihre vielfältigen Kompetenzen. Wir haben sehr kluge und engagierte Menschen, auf deren Zusammenarbeit ich mich freue.
Das Zweite, was ich in Angriff nehmen möchte, sind die Schulsanierungen. Ich werde ein 30-Millionen-Euro-Programm für Modernisierung und Ganztagsausbau unserer Schulen auflegen, damit die äußeren Bedingungen für unsere gute Ganztagsbetreuung weiter verbessert werden. Das ist ein längerfristiges Programm, mit dem man früh anfangen muss, damit es den gewünschten Erfolg hat.
Das Dritte ist die Überarbeitung des Nahverkehrsplans in Kooperation mit den Stadtwerken. Es geht um die Frage, wie wir einerseits das Netz optimieren und andererseits die Schnellanbindungen auf die Lahnberge und in die großen Außenstadtteile hinbekommen.
Der vierte Punkt ist die Verbesserung des Radverkehrs. Immer mehr Menschen möchten, dass man sich ohne Auto in der Stadt bewegen kann. Da wird die Frage, wie man in einer kleinen engen Stadt zwischen zwei Bergen dafür sorgt, dass alle Verkehrsteilnehmer Raum und Sicherheit haben, eine spannende Herausforderung.
Express: Was macht der OB in der Wohnungspolitik? In Marburg ist Wohnraum knapp und traditionell teuer. So entstehen in der Nordstadt zwar viele Wohnungen, aber überwiegend teure ...
Spies: Jede Wohnung ist eine Entlastung des Wohnungsmarktes, wenn es knapp wird. Es wird zum Teil teurerer Wohnraum gebaut, den wir aber auch brauchen, weil es die Nachfrage danach gibt. Es gibt beispielsweise eine Tendenz aus dem Umland zurück in die Stadt zu ziehen.
Im Moment sind zudem einige hundert preiswerte Wohnungen in Bau. Wir haben Überlegungen, Wohnungen speziell für Flüchtlinge zu errichten, damit in diesem Bereich keine Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt entsteht. Bis 2018 müssen im "Sozialen Wohnungsbau" rund 450 besonders preisgünstige Wohnungen neu auf dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen.
Express: Stichwort Bürgerbeteiligung: Werden nicht dringend neue Konzepte gebraucht, um die Bürger zum Mitgestalten des Gemeinwesens zu gewinnen? Wie auch die geringe Wahlbeteiligung bei der OB-Wahl wieder gezeigt hat?
Spies: Bürgerbeteiligung heißt für mich nicht nur Wahlen und Abstimmungen, sondern vor allem, dass Bürger konkret dort mitbestimmen können, wo es sie betrifft. Wir haben in diesem Bereich eine gute Tradition und gute Kultur in Marburg. Ich will das deutlich ausbauen, mit Transparenz etwa zu den Plänen der Stadt das Mitmachen und Mitreden leichter machen.
Wobei mir eine gleichmäßige Beteiligung aller Bürger sehr wichtig ist. Die Erfahrung zeigt, dass Bürgerbeteiligungsverfahren bis hin zu Volksabstimmungen sozial differenziert genutzt werden: Die Mittelschicht ist viel engagierter und setzt damit ihre Interessen durch.
Wir müssen deshalb einen Weg finden, das Bürgerbeteiligung so stattfindet, dass nicht Teile der Gesellschaft andere Teile dominieren nicht in böser Absicht, sondern weil sie sich eben anders einbringen. Das wäre ein Weg, der am Ende auch die Nützlichkeit von Politik zeigt und die Neigung sich an Wahlen zu beteiligen, verbessert.
Express: Sie planen als OB ein Modellprojekt zur Gesundheitsvorsorge ...
Spies: Es gibt in Deutschland eine dramatische Diskrepanz in der Lebenserwartung von Arm und Reich, die mich empört. Arme Menschen leben in Deutschland zehn Jahre kürzer als reiche in Schweden sind das nur zwei Jahre.
Ich glaube, ein wichtiger Schritt um diese Diskrepanz abzubauen, sind Projekte vor Ort in der Kommune, um den Gesundheitszustand von sozial benachteiligten Menschen in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten, Krankenhäusern und der Sozial- und Gemeinwesenarbeit zu verbessern: durch Gesundheitsbildung, durch präventive Maßnahmen schon bei den Kindern und durch die konkrete Verbesserung der Gesundheitsversorgung in den Quartieren.
Die Bundesregierung möchte die Gesundheitsvorsorge mit einem Präventionsgesetz unterstützen, das heißt, für solch ein Modellprojekt gebe es auch finanzielle Fördermöglichkeiten. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen hat bereits sein Interesse signalisiert, an dem Projekt mitzuarbeiten.
Express: Was muss der profilierte Landespolitiker Thomas Spies noch unbedingt vor und für den Antritt seines neuen Jobs als Rathauschef von Marburg lernen?
Spies: Eine Menge Kommunalrecht. Und ich werde mich in den nächsten Monaten intensiv mit den formalen und bürokratischen Abläufen in der Stadtverwaltung beschäftigen. Damit ich keine formalen rechtlichen Fehler mache, wenn ich am 1. Dezember als Oberbürgermeister anfange und schon 96 Tage später Kommunalwahl ist.
Interview: Georg Kronenberg
"Gemeinsam Sport Gemeinsam stark"
Erste Landesspiele von Special Olympics Hessen in Marburg Foto: Armin Weinoehl
Bei den ersten Landesspielen der Special Olympics Hessen für Menschen mit geistiger Behinderung gehen in Marburg rund 700 Athleten begleitet von etwa 200 Coaches und 300 freiwilligen Helfern an den Start. Die mehr als 1200 Aktiven wollen mitreißende Wettbewerbe und emotionale Momente, Spannung und Vielfalt in die Sportstadt Marburg bringen.
Die Wettbewerbe unter dem Motto "Gemeinsam Sport Gemeinsam stark" finden in sechs Sportarten statt: Leichtathletik, Fußball, Boccia im Georg Gaßmann Stadion, Judo und Tischtennis in den benachbarten Sporthallen und Schwimmen im AquaMar versprechen Spannung und Emotion gleichermaßen. Emotionale Höhepunkte sollen auch die Siegerehrungen werden, bei denen neben den Medaillengewinnern auch die Platzierten mit einer Anerkennungsschleife geehrt werden. Nicht umsonst heißt es in der Special Olympics-Hymne: "Ich gewinn, ich gewinn, auch wenn ich erster, zweiter oder letzer bin".
Die Hymne zeige einen Teil des "Spirit" von Special Olympics, erläutert Bernhard Conrads, 1. Vizepräsident der Special Olympics in Deutschland: "Keiner braucht 'draußen bleiben'. Auch die, die keinen Wettbewerb bestreiten wollen oder können, finden attraktive Sport- und Bewegungsangebote." Das wettbewerbsfreie Sportangebot wird durch die Fachschule für Sozialwesen der Lebenshilfe Hessen organisiert und auch die Marburger Blindenstudienanstalt ist daran beteiligt. Hierauf sind Special-Olympics-Direktor Klaus Duncker und Bernhard Conrads besonders stolz:"Hier findet Inklusion besonders anschaulich statt, denn auch jeder Gast, ob behindert oder nicht, ob Kind oder Erwachsener sind herzlich eingeladen, mitzumachen."
Inklusion in Reinkultur biete das Angebot des "Unified Sport": In allen Mannschaftssportarten und überall, wo Staffeln oder Doppel möglich sind, bilden Sportler mit und ohne Behinderungein Team.Für das Publikum attraktiv ist ein Match, bei dem die Damenmannschaft von Blau-Gelb Marburg und drei Unified Teams am Mittwoch, 8. Juli, um 16.00 Uhr antreten.
Am Abend des 8. Juli findet auch die "Große Sportgala" in der Großsporthalle der Kaufmännischen Schulen statt: Wer erstmals in Marburg Rollstuhltrampolin oder einen Weltrekordversuch im GMX Flatrate erleben möchte, wird genauso auf seine Kosten kommen wie Freunde vom Rhönradturnen, Jazztanz oder Feuermagie. Verantwortlich für das Programm ist Claudia Sprenger, im Hauptberuf Pädagogin an der Hilda-Heinemann-Schule in Marburg.
Einlass zu der Gala in die Großsporthallte der Kaufmännischen Schulen ist um 19.30 Uhr. Im Rahmenprogramm spielt die Integrative Band hÖRSturz, Magier Juno führt durch den Abend.
Zum Programm der Landesspiele gehört auch ein eigenes Gesundheitsprogramm mit einem "Herz-Check" und das Vorsorgeprogramm "Gesunde Zähne" beides unterstützt und mitgetragen durch den Kardiologen Prof. Bernhard Maisch und Zahnarzt Herbert Köller.