"Meister der Herzen"
Egon Vaupel als OB verabschiedet
Als Kämmerer hat der gelernte Finanzbeamte Egon Vaupel die städtischen Finanzen so solide verwaltet, dass es der Unistadt Marburg besser geht, als vielen anderen hessischen Kommunen. Zu den wichtigen baulichen Projekten in seiner Amtszeit gehörten zuletzt der neue Bahnhofsvorplatz oder der große Umbau der Marburger Stadthalle, die nächstes Jahr fertig wird und in die auch das KFZ einziehen wird.
Aber wenn er an seine Amtszeit als Marburger Oberbürgermeister zurückdenkt, fällt dem gerade in den Ruhestand verabschiedeten Rathauschef als Erstes etwas ganz anderes ein. Da geht es ihm nicht um Finanzen und auch nicht um große Bauprojekte: "Das Wichtigste sind mir die Menschen. Sie haben mir so viel gegeben." Er sei unendlich dankbar, dass er für die Bürger von Marburg hätte arbeiten dürfen: "Es gibt nichts Schöneres".
Ein "Kümmerer", ein "Vollblutpolitiker", ein "sachkundiger Verhandlungsführer", so charakterisieren Politikerkollegen, auch von anderen Parteien, Vaupel, der zehn Jahren das Amt des Oberbürgermeisters inne hatte und davor acht Jahre als Bürgermeister von Marburg gearbeitet hat. Ein Oberbürgermeister, der sich in seinen letzten Amtsmonaten mit Herzsblut für die Flüchtlinge und die Verbesserung der Lebensumstände im Flüchtlingscamp in Capel eingesetzt hat. Überhaupt: "Vieles, was uns in der Willkommenskultur auszeichnet, wäre so nicht gekommen, wenn Egon Vaupel nicht gesagt hätte: Ich will das so", hatte SPD-Fraktionsvorsitzender Steffen Rink auch bei Vaupels Verabschiedung im Stadtparlament unterstrichen.
Ein Oberbürgermeister, der sein Amt mit Leidenschaft ausfüllte: Seine Entscheidung, Holzhäuser für die Flüchtlinge im Cappeler Camp errichten zu lassen, obwohl noch nicht alle Genehmigungen vorlagen, nannte Henning Köster von der Marburger Linken "Zivilcourage im Amt". Ein tolerantes Klima sei nie ein Lippenbekenntnis gewesen, sondern eine Herzenssache. Dass sich inzwischen die Landesregierung, mit der schnellen Errichtung der Holzhäuser brüstet, ist da nur am Rande erwähnt.
Seine Idee eines Schrägaufzugs zum Schloss konnte Egon Vaupel nicht umsetzen. Welchen Wirbel die damit verbundene Spende des Milliardärs Reinfried Pohl anrichten würde, habe er unterschätzt, sagt der Sozialdemokrat Vaupel: "Welche Reflexe Geld bei Menschen hervorruft, das war neu für mich. Meine Mutter hat mir nicht beigebracht, das Geld so wichtig ist. Sie hat mir beigebracht, dass das Leben wichtig ist, aber nicht das Geld."
Ein sehr forderndes Thema sei auch die Diskussion über das Bordell gewesen: "Als Oberbürgermeister muss ich nach den geltenden Gesetzen handeln, nicht nach meiner persönlichen Meinung." Die Vorwürfe die im wegen der Bordell-Genehmigung gemacht worden seien, hätten ihn lange belastet.
Freilich: Die Universitätsstadt Marburg sei etwas Besonderes, dank der Menschen aus so vielen Nationen, die in ihr lebten. Sein Job als Stadtoberhaupt sei der beste überhaupt gewesen, sagt Egon Vaupel, eben wegen des Kontakts mit den Bürgern.
Am Montagnachmittag wurde Egon Vaupel von knapp 800 Gästen in der festlich geschmückten Sporthalle der Kaufmännischen Schulen in den Ruhestand verabschiedet.
Es gab mehr als drei Stunden Programm, zwei große Ehrungen und viele Überraschungen, bevor Vaupel die Amtskette an seinen Nachfolger Thomas Spies übergab: Der sichtlich gerührte Vaupel wurde zum Ehrenbürger der Universitätsstadt Marburg ernannt, vom hessischen Finanzminister Thomas Schäfer erhielt er zudem den hessischen Verdienstorden.
Zu den Überraschungen des Abends gehörten die Auftritte der Band "Oh, Alaska" die Egon Vaupel 2011 vor dem Marburger Cineplex spielen gehört und sozusagen "von der Straße weg" für den nächsten Neujahrsempfang engagiert hatte.
Aus den Reihen der Stadtverwaltung hatten Kulturamtsleiter Richard Laufner und Bauamtsleiter Jürgen Rausch sieben Aphorismen für den Oberbürgermeister zusammengestellt und in Beziehung zu seinem Wirken und Arbeiten gesetzt begleitet von fotografischen Eindrücken aus seiner Amtszeit. Die Palette reichte von "Wer seine Geschichte nicht erzählen kann, existiert nicht" bis hin zu "Die Schwächsten sind der Maßstab für die Gerechtigkeit". Rausch und Laufner betonten Vaupels Spontanität und Einfallsreichtum, sein Mitgefühl und seine Hilfsbereitschaft und dass er sich die ihm eigene Herzlichkeit bewahrt habe. "Der "Meister der Herzen", das sei nicht auf Schalke 04 bezogen, als die Mannschaft 2001 für knapp fünf Minuten die Meisterschale sicher geglaubt hatte, sondern auf Schalke-Fan Vaupel selbst.
Bevor er seine Amtskette an seinen Nachfolger Thomas Spies übergab, ging Vaupel noch einmal ans Rednerpult: "Ich bin überwältigt und ich bin dankbar", sagte der scheidende OB. Zwischendurch habe er immer wieder gedacht "Über wen reden die denn?" Die Wertschätzung, die ihm entgegengebracht worden sei, werde ihn noch lange beschäftigen. Dass er einmal Marburger Ehrenbürger werden würde der Stadt, für deren Bürger er "aus vollem Herzen und mit voller Kraft" als OB gearbeitet habe: Das habe er nicht zu träumen gewagt.