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Thema der Woche | 27. August 2020

Historie in Hexametern

Steffen Ziegler liest aus "Keltenkind" – Foto: Privat

Express: Herr Ziegler, was verbirgt sich hinter Keltenkind?

Steffen Ziegler: "Keltenkind" ist ein historischer Liebesroman, der im heute mittelhessischen Raum spielt – vor rund 2000 Jahren.

Express: Wie sind Sie auf das Thema gekommen?

Steffen Ziegler: Da kamen ein paar Dinge zusammen. In meinem Heimatort Herborn gibt es die Ortsmarke "Steinringsberg". Da komme ich regelmäßig vorbei und fand das immer spannend, ob es dort vielleicht mal ein kleines "Stonehenge" gegeben haben könnte. Überprüfen kann man das kaum, denn dort ist heute eine Mülldeponie.

Dann habe ich vor 10 Jahren mit "Die Blanken" schon mal einen Roman veröffentlicht. Und zwar im Verlag "Die Wielandschmiede" aus Kreuztal. Darüber bin ich auf die namensgebende Sagenfigur, Wieland, den Schmied, aufmerksam geworden. Er soll den Stahl erfunden und im heimischen Raum gewirkt haben. Wann, ist unklar, aber seine Geschichte hat man sich bereits im Mittelalter erzählt. Wenn er gelebt hat, muss er also früher gelebt haben. Und die besten Schmiede im heimischen Raum gab es zweifellos zur Zeit der Kelten.

Das Fass zum Überlaufen brachten dann aber letztlich die Berichte über die Ausgrabungen des römischen Marktortes im heutigen Waldgirmes. Da reifte dann schnell die Idee, alles in einen Topf zu werfen und kräftig umzurühren.

Express: Worin liegt die Faszination für ein historisches Thema?

Steffen Ziegler: Geschichte war schon in der Schule mein absolutes Lieblingsfach – ist tatsächlich so. Gleichzeitig fand ich es immer schade, dass wir im Unterricht zwar dreimal die Ägypter, Griechen und Römer durchgekaut haben, aber nie schauen durften, wie die Menschen damals bei uns gelebt haben.

Das hole ich jetzt quasi privat mit solchen Projekten nach.

Express: Worum geht es in Keltenkind?

Steffen Ziegler: Ein junger keltischer Schmied verliebt sich in ein Römermädchen, das für ihn eigentlich unerreichbar ist. Und als sie sich endlich finden, reißen die Wirren der Zeit im Umfeld der Varus-Schlacht sie wieder auseinander.

Darüber hinaus geht es aber auch um ganz aktuelle Themen: Zum Beispiel Migration und Integration – damals prallen bei uns vor der Haustüre mit Kelten, Germanen und Römern drei Kulturen aufeinander, mit Problemen, die wir bis heute kennen.

Und auch die Themenkomplexe "Klimawandel" und "Raubbau an der Natur" deuteten sich damals schon an. Der Untergang der Kelten im heimischen Raum dürfte nämlich selbstverschuldet gewesen sein. Es scheint so, dass diese Kultur den Ast, auf dem sie gesessen hat, selbst abgesägt hat. Im wahrsten Sinne des Wortes. Der wichtigste Rohstoff für die Wirtschaft der Kelten in unserer Region war das Eisenerz. Für dessen Gewinnung brauchte man Holz. Dafür hat man die Wälder gerodet, bis schlicht kein Holz mehr da war. Der Anfang vom Ende ...

Express: Orientieren Sie sich an literarischen Vorbildern?

Steffen Ziegler: Da müssten wir bis zu Homer zurück, denn die stilistische Besonderheit von Keltenkind ist, dass der komplette Erzähltext außerhalb der Dialogszenen in Hexametern verfasst ist. "Das hat in Deutschland seit der Goethe-Zeit niemand mehr gemacht", stand mal in einer Rezension ...

Express: Wie lange haben Sie für Keltenkind recherchiert?

Steffen Ziegler: Etwa ein Jahr. Das Schreiben der 850 Seiten selbst hat etwa drei Jahre gedauert. Weitere drei Jahre kamen dann dazu, um den eigentlich fertigen Text in die Hexameter-Form zu gießen.

Express: Keltenkind gibt es ja nicht nur in Buchform ...

Steffen Ziegler: Richtig. Das Hörspiel zu produzieren hat dann noch mal ein Jahr gedauert. Eigentlich recht fix, wenn man überlegt, dass ich über 100 Rollen zu besetzen hatte – die letzte Marktfrau mitgerechnet. Die Hauptrollen haben dabei Profi-Schauspieler übernommen, den Rest ambitionierte Laien.

Eine besondere Herausforderung waren auch die Geräusche. Marschierendes römisches Fußvolk gibt es in keiner Datenbank zum Runterladen. Da haben mir zum Beispiel die Jungs von der Legio Prima Augusta aus Waldgirmes geholfen. Lustig bei der Aufnahme war, dass uns da mehrmals ein kleines Motorflugzeug über unseren Köpfen zum Pausieren gezwungen hat, denn die Hintergrundgeräusche hatten im Hörspiel nun wirklich nichts zu suchen.

Express: Wo finden Ihre Lesungen statt?

Steffen Ziegler: Es gab schon weit über 30 an unterschiedlichsten Orten. Am schönsten fand ich die an Originalschauplätzen, wie zum Beispiel den Wil­helms­steinen zwischen Dillenburg und Marburg. Da haben mich sogar zwei Harfner begleitet. Das war toll.

Eine aktuelle Liste gibt es auf www.keltenkind.de. Da gibt es übrigens auch Lese- und Hörproben.

Express: Die Marburger Zeiteninsel bietet sich sicherlich als besonderer Ort an ...

Steffen Ziegler: Absolut. Ich wäre da auch privat demnächst mal aufgeschlagen, aber mit meinen Roman im Gepäck mache ich das natürlich noch lieber. Ich habe größten Respekt vor der Arbeit, die in solchen Projekten geleistet wird!

Express: Hätten Sie selbst gerne zu Zeiten von Keltenkind gelebt?

Steffen Ziegler: Nein, dafür dusche ich morgens zu gern warm. Und Fußball haben die damals auch noch nicht gespielt. Aber ein paar Schnuppertage bei sicherem Rückflugticket mit einer Zeitmaschine würde ich nehmen.

"Keltenkind"
Lesung mit Steffen Ziegler
So 30.8. 12.00 Uhr
Zeiteninsel bei Argenstein
Steffen Ziegler
..., Jahrgang 1968, hat an der Universität zu Köln Theater-, Film- und Fernseh­wissen­schaft, Kunstgeschichte und Geschichte studiert. Seit Mitte der 90er Jahre ist er Redakteur beim nordrheinwestfälischen Lokalsender Radio Siegen. Er gewann mehrere Landeshörfunkpreise, ist verheiratet, hat vier Kinder und wohnt in seiner Geburtsstadt Herborn. 2010 veröffentlichte er mit "Die Blanken" einen ersten Roman. Mehrmals pro Woche ist er als Jugendfußballtrainer des SSC "Juno" Burg aktiv.

Interview: Michael Arlt

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