Wasser für Stadtbäume, Parks und Sportplätze

Die Quelle in der Marburger Marbach ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Sie versteckt sich hinter einer Sandsteinmauer neben einer grauen Garage in der Brunnenstraße. Erst, wenn Boden- und Hydrogeograph Prof. Peter Chifflard die kleine Klappe in der Wand öffnet, kann man einen Blick in die Quellkammer werfen: Unter einem niedrigen Gewölbe steht das Brunnenwasser, von dem Chifflard Proben nimmt. Schon die Schnelluntersuchung zeigt sehr klares Wasser mit einer guten elektrischen Leitfähigkeit. 

Jahrhundertelang hat diese Quelle in der Nähe des alten Behring-Gutshofes fast ganz Marburg versorgt. Noch heute liefert sie 120.000 Liter am Tag – kein Trinkwasser, aber Brauchwasser. Der städtische Fachdienst Stadtgrün setzt das wertvolle Nass nun für die Bewässerung der städtischen Bäume im Norden und Westen Marburgs ein.

Damit ist die alte Marbacher Quelle ein gutes Beispiel für das Ziel des gemeinsamen Projekts von Philipps-Universität, Stadtwerken, Stadt und Landkreis: Vor Jahren „stillgelegte“ Brunnen können dabei helfen, Stadtbäume, Friedhöfe, Gärten oder Parks zu bewässern. Damit wird wertvolles Trinkwasser gespart. Denn das Wasser der alten Brunnen ist zwar meist nicht zum Trinken geeignet, könnte aber der Natur zugutekommen und fließt bislang – wie in der Marbach – oft einfach in die Kanalisation. Wo die Quellen einen Bach oder ein Biotop speisen, sollen sie aber nicht angezapft werden: „Wir nehmen nur Wasser, das nicht von der Natur gebraucht wird“, sagt Chifflard. 

Entdeckt haben die Geographen nun etwa 150 alte Brunnen und Quellen, wobei sie sich vor allem auf diejenigen konzentrierten, die sich in der Nähe von Ortschaften finden. Schließlich dürfen die Wege zu den Brunnen nicht zu weit sein, wenn sie Trinkwasser ersetzen sollen. Das Problem: Bisher gab es nicht genügend Informationen über die alten Brunnen und Quellen. Nun ist das Gros der Standorte erfasst, wobei besonders viele im Raum Marburg, Kirchhain und Bad Endbach gefunden wurden. 

Viele der Quellen, die einst die Dörfer und Straßenzüge der Region versorgten, sind kaum noch bekannt. Sie verbergen sich unter unauffälligen Deckeln im Asphalt, liegen in alten Schächten mitten im Wald oder fließen unterirdisch in die Kanäle. Nur wenige sind so prächtig eingefasst wie der Elisabethbrunnen bei Schröck, dessen Wasser ebenfalls nicht zum Trinken geeignet ist.  

Die wichtigsten Informationen liegen nun vor. Dazu gehört der Zustand der jeweiligen Quelle, die gut erreichbar sein sollte. Reicht die Wassermenge? Gibt es bereits Behälter zum Auffangen des Wassers? Lohnt es, Pumpen oder Leitungen zu legen? Derzeit laufen noch Wasseranalysen, mit denen PH-Wert, elektrische Leitfähigkeit, Wassertemperatur und Wasserqualität untersucht werden. Gemessen werden die jahreszeitlichen Schwankungen, um zu klären, ob Qualität und Menge des Wassers auch im Sommer reichen. Mancherorts könnten die Quellen auch der Renaturierung von Bachläufen dienen. Zudem sammelt das Projektteam Informationen zum Wasserverbrauch in den Kommunen und zur benötigten Wassermenge für Bewässerungen in trockenen Zeiträumen. Derzeit gehen die Fachleute auch auf Kommunen, Sportvereine, Firmen und Gärtnereien zu, die das Wasserpotenzial nutzen könnten. 

Zwar ist die Wasserversorgung in der Stadt Marburg bislang vergleichsweise gut. Dennoch sollte Trinkwasser gespart werden, sagt Chifflard: „Mit diesen Quellen und Brunnen könnte gerade in extremen Dürreperioden eine Versorgungslücke geschlossen werden.“

Gesa Coordes

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg | Marbuch Verlag GmbH und Gesa Coordes