Klanglandschaften des Daniel-Herskedal-Trios am Sonntag, den 11. Mai, um 20 Uhr im KFZ.

Daniel Herskedal mag die Stille: „Sie ist eine der wichtigsten Zutaten beim Komponieren für mich. In der Stille kann ich mich besser fokussieren, tiefer in mich hineinspüren, meinen Klang finden“, erzählt der norwegische Komponist und Musiker, der fast einen ganz anderen Karriereweg eingeschlagen hätte. Als Jugendlicher war er immerhin kurz davor, die Musik fürs Boxen aufzugeben. Doch dann quittierte der Boxtrainer seinen Dienst, der Boxclub war zu – und Herskedal widmete sich stattdessen der Tuba.

Der 1982 in Molde an der norwegischen Westküste geborene Musiker hat es meisterhaft geschafft, in seinen Kompositionen ausgerechnet dieses sonst im Hintergrund benutzte Instrument, die Tuba, in den Mittelpunkt zu stellen.

Mit eindrucksvoller Virtuosität lotet er ihre Grenzen aus und erschafft dabei tiefe Klanglandschaften, irgendwo zwischen Jazz und Klassik, mit vielfältigen weiteren musikalischen Einflüssen und gelegentlich auch elektronisch verfremdet. „The tuba has never sounded this cool“, urteilte die führende Jazz-Plattform All About Jazz knapp. Dabei will Herskedal, der nebenbei auch mit Filmmusik erfolgreich ist, sich nicht auf ein Genre festlegen lassen: „Ich kam irgendwann zu dem Punkt, dass mich der typische Sound der Tuba und meine Rolle als Musiker gelangweilt haben. Dann habe ich begonnen, zu erforschen, was ich noch alles machen kann. Und daran arbeite ich seitdem“, erzählt er nüchtern. Nein, typischer Jazz sei das nicht, schließlich verschmölzen alle Stilrichtungen immer mehr miteinander.

Movements of Air

Gerade ist Movements of Air erschienen, das fünfte Album seines Trios mit Eyolf Dale am Klavier und Helge Andreas Norbakken an Schlagzeug und Percussion. Am 11. Mai macht das Trio damit im Marburger KFZ Station. Im Zentrum des neuen Albums stehen Themen wie Hoffnung und der Wunsch nach einer besseren Zukunft – mit komplexen Kompositionen thematisiert Herskedal das Gleichgewicht zwischen Gut und Böse sowie Krieg und Frieden. Freilich sind die Stücke immer auch eine Gemeinschaftsarbeit: „Ich komponiere nicht für Tuba, Schlagzeug und Piano, ich komponiere für mich, es ist sehr persönlich“, sagt er. „Ich will, dass die anderen sich mit meinen Ideen auseinandersetzen und ihre eigenen im Spiel einbringen.“

Herskedal lebt zusammen mit der renommierten samischen Sängerin Marja Mortensson, von deren traditionellem Joik-Gesang er Elemente in sein Tuba-Spiel übernommen hat. Gerade erst sind sie von Trondheim an der Küste in Norwegens alte Bergbaustadt Røros gezogen, näher zu Mortenssons Familie, die Rentierzucht betreibt. Die Landschaft um Røros ist geprägt von Bergen, Flüssen, Seen und Mooren – und wird sicher auf die ein oder andere Art in den Kompositionen von Herskedal Einzug halten. Schließlich spielen Landschaften – und der Weg durch diese – fast immer tragende Rollen in seiner Musik.

Womit wir zurück zur Stille kommen, die Daniel Herskedal beim Komponieren zu fokussieren hilft: „Die Umgebung spielt dabei eine große Rolle. Wenn ich im Januar durch die eisigen Schneelandschaften gehe und die weiße Decke auf dem Boden jedes Geräusch schluckt. Das ist eine Atmosphäre, die ich liebe, dabei hat man das Gefühl, sich in einem Vakuum zu befinden – weit weg vom Alltag und offen für die Musik.“

kro

Bild mit freundlicher Genehmigung von Dave Stapleton