Der Edelkrebs, eine in Deutschland stark gefährdete Tierart, kehrt zurück: Im Naturschutzgebiet „Steinbruch Kohlenacker“ bei Angelburg-Gönnern verzeichnet die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises Marburg-Biedenkopf einen deutlichen Anstieg der heimischen Flusskrebspopulation.

Möglich wurde der Erfolg, indem der invasiven Signalkrebs bekämpft wurde. Seit 2014 wird der aus Nordamerika stammende Signalkrebs systematisch aus dem Steinbruchsee entnommen – bis heute insgesamt 68.400 Exemplare. Der ursprünglich zur wirtschaftlichen Nutzung eingeführte Krebs erwies sich als Gefahr für heimische Arten: Er ist Träger der Krebspest, gegen die der Edelkrebs keine Abwehr entwickelt hat, und konkurriert zusätzlich um Lebensraum und Nahrung.
„Die Zahlen zeigen, dass sich der Bestand der Edelkrebse deutlich erholt und das Entfernen der Signalkrebse einen positiven Einfluss hat. Auch die Anzahl der Geburtshelferkröten hat sich über die vergangenen elf Jahre wieder erhöht“, sagt Gabriele Spill-Ebert von der Unteren Naturschutzbehörde. Im Jahr 2024 konnten rund 800 Edelkrebse registriert werden – ein neuer Rekord. Zum Vergleich: 2018 lag der Bestand bei lediglich 78 Tieren.
Durchgeführt werden die Maßnahmen von einem Fachbüro, das auf Gewässerökologie spezialisiert ist. Dieses setzt spezielle Reusen ein, zählt die gefangenen Tiere und dokumentiert die Entwicklung der Populationen. Während die Signalkrebse vollständig entnommen werden, kehren die Edelkrebse nach der Erfassung in ihren natürlichen Lebensraum zurück.

Dass der Signalkrebs zum Problem im Steinbruchsee wird, fiel erstmals im Jahr 2014 auf. Damals hatte die NABU-Stiftung Hessisches Naturerbe eine Amphibienkartierung im Gebiet in Auftrag gegeben. Dabei stießen Fachleute neben wenigen Edelkrebsexemplaren auf große Mengen des invasiven Signalkrebses – ein Fund mit weitreichenden Folgen. „Da der Signalkrebs hier die einheimischen Arten verdrängt – zum einen durch die Übertragung der Krebspest, zum anderen, indem er Fisch- und Amphibienlaich als Nahrungsgrundlage nutzt – gilt er als sogenannte invasive Art“, erklärt Spill-Ebert. Zwar war die Krebspest im Gönnerner See bislang nicht nachweisbar, doch bereits die hohe Reproduktionsrate des Signalkrebses stellte eine Bedrohung für den Edelkrebs und weitere Arten wie die Geburtshelferkröte dar.

Um die Maßnahmen langfristig zu sichern, wurde die Entnahme der Signalkrebse ab 2018 durch die Obere Naturschutzbehörde des Regierungspräsidiums Gießen finanziell unterstützt. Diese Unterstützung war entscheidend, um die Bemühungen zur Stabilisierung des heimischen Edelkrebsbestands auszubauen. „Es ist offensichtlich, dass sich durch die Reduzierung des sehr durchsetzungsfähigen Signalkrebses der Druck auf den Edelkrebs und die Geburtshelferkröte verringert. Diese Anstrengungen dürfen jetzt nicht nachlassen“, betont Spill-Ebert. Andernfalls drohe eine rasche Rückkehr der Signalkrebspopulation und ein erneutes Aussterben heimischer Arten.

Derzeit finanziert die Untere Naturschutzbehörde die Maßnahmen weiter, mit dem Ziel, durch gezielte „Überfischung“ einen Zusammenbruch der Signalkrebs-Population zu bewirken. Jedes Jahr kostet die Beseitigung der Signalkrebse rund 5.000 Euro. Hinzu kommen etwa 2.000 Euro jährlich für Pflegearbeiten im Naturschutzgebiet wie Wiesenschnitt und Gehölzrücknahme.
Ein Teil der entfernten Signalkrebse wird an lokale Gastronomiebetriebe zur kulinarischen Verwertung weitergegeben – ein Ansatz, der ökologische Zielsetzungen mit regionaler Wirtschaftlichkeit verbindet. Gleichwohl mahnt Spill-Ebert zur Achtsamkeit: Das Betreten der Uferbereiche außerhalb der markierten Wege, Baden im See sowie Angeln oder das Fangen von Krebsen sind im Naturschutzgebiet streng untersagt. „Das Naturschutzgebiet zu erhalten und weiterzuentwickeln – insbesondere als Lebensraum für Amphibien und den Edelkrebs – bei gleichzeitigem verantwortungsbewusstem Umgang mit öffentlichen Geldern ist eine Herausforderung, der wir uns stellen“, erklärt die Naturschutzexpertin.
Informationen über das Naturschutzgebiet „Steinbruch Kohlenacker“ sowie über die Flora und Fauna vor Ort bietet die Internetseite des Landkreises. Dort geben auch zwei Kurzfilme Einblicke in die Artenschutzmaßnahmen und die Rückkehr des Edelkrebses in heimische Gewässer.

pe/red

Naturschutzgebiet Steinbruch Kohlenacker

Die Untere Naturschutzbehörde hat im Jahr 2023 den ehemaligen Steinbruch „Kohlenacker“ in Angelburg offiziell als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Das Areal umfasst das aufgelassene Diabas-Steinbruchgelände mit einem zentralen Steinbruchsee, steil abfallenden Uferzonen, Block- und Schutthalden sowie wertvolle Magerrasenflächen und Borstgrasrasen. Umrahmt wird das Gelände von artenreichen Laub- und Nadelmischwäldern.

Bild mit freundlicher Genehmigung von CC BY-SA 4.0