OB-Kandidatin Mariele Diehl will für die Klimaliste ins Rathaus


Fragt man Mariele Diehl nach den größten Fehlern der Stadtpolitik in den vergangenen Jahren, fällt ihr als erstes etwas Positives ein: „Ich muss natürlich positiv anmerken, dass es zu einem Umdenken in Bezug auf den Klimaschutz gekommen ist, dass es den Klima-Aktionsplan in Marburg gibt. Da sind wir schon deutlich weiter als andere Städte.“ Das sei eine Chance, aber: „Es dürfen nicht nur die Ziele stimmen. Wir müssen das Thema auch wirklich anpacken“, sagt die 20-jährige Psychologiestudentin und Klimaschutzaktivistin. Und genau deshalb tritt sie als Kandidatin der Klimaliste bei der Oberbürgermeisterwahl an, – damit die Klimapolitik im Rathaus oberste Priorität hat: „Bei jeder Wahl muss Klima mit auf dem Stimmzettel stehen. Vor allem auf kommunaler Ebene, – denn hier beginnt der Klimaschutz.“ 

Aus Sicht von Diehl gibt es sehr viel zu tun. Etwa zur Frage, wie eine Verkehrswende ernsthaft umgesetzt werden kann. Sicher sei der Ausbau des ÖPNV wichtig, die deutliche Verbesserung der Radinfrastruktur oder die Reaktivierung von Bahnstrecken. „Aber natürlich geht das auch nicht, ohne den Autoverkehr durch Tempolimits und autofreie Innenstädte „unattraktiver zu machen“, unterstreicht Diehl. Denn die nächsten Jahre seien beim Kampf gegen den Klimawandel ausschlaggebend, viel zu lange sei viel zu wenig gegen den Raubbau an der Natur gemacht worden: „Wir können nicht weiter so machen wie bisher. Denn wir laufen auf Grenzen zu – in den Ressourcen, in der Regenerationsfähigkeit der Böden – und auf Kipppunkte in der globalen Erderwärmung.“ Ein globaler Temperaturanstieg von über 1,5 Grad könne bis zu zwei Milliarden Menschen zur Flucht zwingen – eine humanitäre Katastrophe.

Dass die etablierten Parteien den Klimaschutz inzwischen in ihre Programme aufgenommen haben, findet Mariele Diehl gut. Klimaschutz sei ein überparteiliches Thema und lasse sich nur umsetzen, wenn wenn alle zusammenarbeiteten. Wichtig ist für Diehl freilich, wie ernsthaft der Einsatz der Parteien für den Klimaschutz ist, schließlich geht es für die Aktivistin um nicht weniger als einen „fundamentalen Systemwandel“: „Nach Möglichkeiten zu suchen, unser Wirtschaften nachhaltiger zu machen – und diese auch konsequent umzusetzen – ist die einzige realistische Alternative, wie wir noch viele tausend Generationen auf diesem Planeten überleben können.“ 

Durch familiäre Bindungen ins südliche Afrika, Diehls Mutter ist dort aufgewachsen, hat Mariele Diehl als Jugendliche drei Monate als Austauschschülerin bei einer Familie in Namibia gelebt. Diese Zeit habe sie geprägt, berichtet die Aktivistin. Die Konfrontation mit Dürren, Armut, sozialer Ungerechtigkeit hätten ihr die Augen geöffnet. Als Konsequenz habe sie sich bereits als Jugendliche in der Schule für Klimagerechtigkeit und Klimaschutz einsetzen wollen. Zunächst ohne Erfolg: „Ich habe mich lange sehr ohnmächtig gefühlt. Ich hatte immer das Gefühl, ich sitze festangeschnallt hinten in einem Auto, das auf eine Klippe zu rast – und niemand hört mir zu.“ Doch das habe sich dann 2018 grundlegend geändert – durch das Vorbild der schwedischen Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg, die wie sie auch Autisten sei. 

Ebenfalls 2018 zog Mariele Diehl nach dem Abitur in ihrer Heimatstadt Essen zum Studium nach Marburg. Hier hat sie im zweiten Semester die Initiative „Psychologie im Umweltschutz“ mitgegründet und sich unter anderem bei den Fridays for Future-Demonstrationen engagiert. 

Das Ende 2019 in Kraft getretene Klimaschutzgesetz der Bundesregierung war dann für sie und viele andere Aktivisten eine herbe Enttäuschung: „Da stand für mich fest: Wenn ich politisch etwas im Klimaschutz verändern will, dann muss ich selber politisch aktiv werden“, berichtet Mariele Diehl. Und zwar nicht nur als Klimaschutzaktivistin auf der Straße und in Initiativen. So sei die neu gegründete Klimaliste eine politische Graswurzelbewegung zur Durchsetzung konsequenter Klimaschutzmaßnahmen und einer visionären Stadtpolitik für Marburg. Diehl: „Eine 20-jährige Klimaschutzaktivistin als OB-Kandidatin aufzustellen, das hätten sich die anderen Parteien wahrscheinlich nie getraut. Aber das ist genau das, was wir wollen: junge Aktivisten in die Parlamente bringen.“

Georg Kronenberg

Bild mit freundlicher Genehmigung von Mariele Diehl