Etwa 1200 Flüchtlinge aus der Ukraine leben derzeit in Marburg. Das entspricht rund 1,5 Prozent der Bevölkerung. Ihr größtes praktisches Problem in der Universitätsstadt: eine günstige Wohnung zu finden. Aus unserer Serie “Der Krieg und die Folgen.”

Gut ein Drittel der Geflüchteten sind Kinder und Jugendliche, etwa 15 Prozent sind älter als 60 Jahre alt. Bislang sind – entgegen anderslautenden Berichten – nur wenige in ihre Heimat zurückgekehrt: „Es gibt Geflüchtete, die mit dem Auto ins Kriegsgebiet fahren, wenn es gerade etwas friedlicher ist, und wiederkommen, wenn die Front näher rückt“, berichtet Johannes Maaser, der städtische Koordinator der Lenkungsgruppe für Integration. Daher ist die Zahl der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer seit drei Monaten weitgehend stabil und steigt noch leicht. Derzeit kommen jeden Monat noch etwa 20 bis 30 Menschen aus der Ukraine nach Marburg.

Im Unterschied zu Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan, Nigeria oder anderen Kriegsgebieten in der Welt haben die Menschen aus der Ukraine sofort einen legalen Aufenthaltsstatus in Marburg und müssen kein Asylverfahren durchlaufen. Damit haben sie einen leichteren Start in Deutschland. So dürfen gleich arbeiten, Sozialleistungen beziehen, Wohnungen suchen, Kindergeld beantragen und haben Zugang zu Förderprogrammen. „Von den ukrainischen Flüchtlingen sind relativ viele erwerbstätig“, sagt Maaser. Vor allem in der Gastronomie, im Zimmerservice, im Lager oder bei Ferrero haben sie kleinere Jobs gefunden. Manche arbeiten auch von Deutschland aus im Homeoffice für ukrainische Firmen. 

Durch ihren guten rechtlichen Status können sie sich ihren Lebensort in Deutschland auch selbst wählen: „Sie haben sich Marburg ausgesucht“, sagt Maaser: „Sie haben also meist auch irgendeine Art von Netzwerk.“ Auch deshalb leben sie relativ dezentral über die Universitätsstadt verstreut. Wohnraum zu finden, ist dennoch ein großes Problem. In den ersten Wochen des Kriegs mietete die Stadt zum Beispiel das Hostel am Bahnhof sowie Pensionen an, um die Familien unterzubringen, die im März und April zu Hunderten nach Marburg kamen. Die Notunterkünfte wurden größtenteils wieder geschlossen. Jetzt gibt es noch eine größere Unterkunft am Richtsberg – für diejenigen, die partout keine Wohnung finden: „In Marburg günstige Wohnungen zu finden, ist sehr schwierig“, erklärt Maaser. 

In den ersten Wochen des Kriegs mietete die Stadt das Hostel am Bahnhof sowie Pensionen an, um dort Familien aus der Ukraine unterzubringen. (Archivfoto: Georg Kronenberg)

Dazu kommt, dass nur wenige bei ihrer Ankunft deutsch sprechen. Hier hilft die Ukrainehilfe, die bereits Anfang März von der Stadt Marburg eingerichtet wurde. Dabei handelt es sich um eine Anlaufstelle, in der sich die Geflüchteten anmelden können und erste Informationen erhalten. Für die Anlaufstelle wurden eigens studentische Hilfskräfte engagiert. Die Studierenden kommen selbst aus der Ukraine oder den Nachbarländern. Sie sprechen ukrainisch oder russisch und sind „weit über das normale Maß hinaus engagiert“, so Maaser. So helfen sie in dringenden Fällen auch bei Arztbesuchen und begleiten verletzte Menschen in die Klinik. 

Im Alltag geht es meist um das Ausfüllen von Antragsformularen, den Stadtpass, Sozialleistungen oder das Eröffnen eines Kontos. Es gibt Sprechstunden im Stadtbüro sowie Sprechstunden zu den Themen Arbeit, Grundsicherung, Kindertagesstätten und Schulen in der Mauerstraße 3 (www.marburg.de, Stichwort Ukrainehilfe). Dort können sich auch Einheimische melden, die sich für die Kriegsflüchtlinge engagieren wollen. Die Hotline für Geflüchtete aus der Ukraine ist montags bis donnerstags von 10 bis 13 Uhr sowie mittwochs von 10 bis 16 Uhr unter 06421/2014000 (ukrainehilfe@marburg-stadt.de) erreichbar. 

Gesa Coordes

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Freya Altmüller und Georg Kronenberg