Vom historischen Marktplatz aus kann der erste Rundgang durch die Oberstadt beginnen. Der Platz war früher in den oberen und unteren Markt geteilt; am Brunnen wurde im Mittelalter öffentlich Gericht gehalten. Das steinerne Rathaus in spätgotischem Baustil wurde 1527 fertiggestellt. Zur vollen Stunde kräht der Gockel über der Rathausuhr die Anzahl der Stunden. Aus dem Fachwerkensemble des Marktplatzes sticht das Steinerne Haus (Markt 18) hervor, das noch aus dem 13. Jahrhundert stammt. Weiter geht es über die Schlosstreppe in Richtung Landgrafenschloss. Für den Aufstieg ist etwas Puste gefragt, aber der Blick über die Stadt entschädigt für alle Mühen. Zu Beginn passiert man linker Hand die ehemalige landgräfliche Kanzlei, die heute die Religionskundliche Sammlung der Universität beherbergt. Durch den Torbogen neben dem Wächterhaus betritt man den Schlossplatz mit der ehemaligen Schmiede, Marstall und Zeughaus und hat das Schloss jetzt in seiner ganzen Größe vor sich. Über den Innenhof gelangt man ins Museum. An der Nordseite steht etwas unterhalb der Hexenturm (1478), der zeitweise als Gefängnis diente. Über eine Steinbrücke führt der Weg in den Schlosspark, in dem noch Teile der ehemaligen Festungsanlagen zu sehen sind. Die unterirdischen Kasematten können per Führung besichtigt werden.

Zurück am Schloss, steigt man die Ludwig-Bickell-Treppe hinab in die Oberstadt. Die 139 Stufen gehen sich bergab wirklich angenehmer. Am Fuß der Treppe steht man dann auf der Ritterstraße oberhalb der Lutherischen Pfarrkirche. Die Kirche auf einem romanischen Vorgängerbau entstand in der heutigen Form im 14. und 15. Jahrhundert. Der charakteristische schiefe Kirchturm prägt das Stadtbild mit. Die Ursache für den Schiefstand ist unklar, es werden Witterungseinflüsse auf die Holzkonstruktion oder aber ein Baufehler angenommen. Vom baumbestandenen Kirchhof hat man einen tollen Blick über die Dächer der Stadt. Von dort aus führt die Kugelgasse zur Kugelkirche, der 1516 fertiggestellten heutigen katholischen Pfarrkirche, und dem ehemaligen Klostergebäude der Brüder vom Gemeinsamen Leben. Am oberen Ende der Kugelgasse ist noch ein Stück Stadtmauer mit dem einzig erhaltenen Stadttor, dem Kalbstor, zu sehen.

Das kleine Gehrensgässchen führt zum Barfüßertor, wo die langgestreckte ehemalige Universitätsreithalle zu sehen ist und unterhalb das ehemalige Franziskanerkloster. Nach links geht es jetzt in die Barfüßerstraße, früher Teil der Handelsstraße zwischen Köln und Leipzig und eine bedeutende Ost-West-Achse der mittelalterlich-frühneuzeitlichen Stadt. Hier wohnten viele Kaufmannsfamilien; die erhaltenen Fachwerkhäuser stammen vorwiegend aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Martin Luther bewohnte Haus Nr. 48, als er sich 1529 in der Stadt aufhielt. In der Nachbarschaft (Haus Nr. 35) wohnten die berühmten Brüder Grimm von 1802 bis 1803. Heute laden hier zahlreiche Geschäfte und kleine, studentisch geprägte Kneipen und Cafés zum Verweilen ein. Gastronomische Vielfalt lädt auch am Marktplatz zu einer Pause ein.

Zurück auf dem Marktplatz, geht es links vom Rathaus die Treppe hinunter zum Hirschberg. Links durch eine kleine Seitengasse gelangt man auf den Schuhmarkt, in dessen Mitte die ehemalige Kilianskapelle steht. Marburgs ältester Kirchenbau stammt noch aus dem 12. Jahrhundert und ist heute ein Wohn- und Geschäftshaus. Von hier aus geht es rechts die Reitgasse (hier ist das Café Vetter eine Pause wert) hinab zur Alten Universität. Von dem ehemaligen Dominikanerkloster ist nur noch die Kirche, heute Universitätskirche, erhalten. In dem neogotischen Gebäude befinden sich die altehrwürdige Universitätsaula und die Theologische Fakultät. Im Dachgeschoss ist der alte Karzer erhalten, in dem noch bis Anfang der 1930er Jahre Studenten nach übermäßiger Trunkenheit oder unbotmäßigem Verhalten eingesperrt werden konnten. Neben der Kirche führt die Mühltreppe hinunter zum Rudolphsplatz. Hier ist in den letzten beiden Jahrzehnten Marburgs “neue Mitte” entstanden, mit zweckmäßigen Hotel-, Büro- und Geschäftsgebäuden sowie dem Kino Cineplex und dem Marburger Kunstverein. Das schöne Luisabad aus den 1920er Jahren hat man dafür abgerissen, aber nach links in der Biegenstraße kann man nach ein paar Metern auf der rechten Seite das Ernst-von-Hülsen-Haus aus der gleichen Zeit bewundern. Es beherbergt das Universitäsmuseum für Bildende Kunst und mehrere Institute und verfügt bis hin zu Teilen des Mobiliars noch über die Originalgestaltung aus der Bauzeit.

Auf der linken Seite der Biegenstraße liegt etwas zurückgesetzt das Hörsaalgebäude, typisch für die Architektur der Universitätsgebäude aus den 1960er Jahren. Rechts dahinter liegt der Alte Botanische Garten, eine Oase der Ruhe mitten in der Stadt. Zwischen den mächtigen Bäumen hindurch gelangt man in Richtung Norden über den Pilgrimstein zur Elisabethkirche, dem anderen Wahrzeichen Marburgs. 1235 begonnen, gehört sie zu den frühesten im gotischen Stil errichteten Kirchen in Deutschland. Im Chor befindet sich die Grablege der heiligen Elisabeth und diverser Landgrafen. Hinter der Kirche finden sich mit dem Deutschen Haus und dem ehemaligen Backhaus noch zwei Gebäude der Deutschordensniederlassung. Nach einem Blick in die neugestaltete Straße Ketzerbach geht es jetzt den Steinweg hinauf zurück in die Oberstadt. Der Steinweg besteht aus drei Wegen auf unterschiedlicher Höhe: Oberer Weg = Fahrrinne von Elisabethkirche zur Oberstadt. Mittlere Ebene = Teil von mittelalterlicher Überlandstraße. Unterer Weg, ehemals “Loch” = Abwasserkanal und Wohnsitz armer Menschen. Am oberen Ende des Steinwegs beginnt die Neustadt. Bis hierhin hatte sich die mittelalterliche Stadt in der letzten Norderweiterung vor 1260 ausgedehnt. Beim ehemaligen Werdertor geht die Neustadt über zur Wettergasse. Hier in Marburgs Fußgängerzone finden sich viele Geschäfte, die den Rundgang zur wahren Shopping-Tour werden lassen. Jetzt heißt es bummeln … Zurück am Markt, ist der erste Spaziergang durch Marburg schon vorbei.

Highlights
Marktplatz – Schlosstreppe – Landgrafenkanzlei – Landgrafenschloss – Schlosspark – Bickelltreppe – Pfarrkirche –
Kugelgasse – Kugelkirche – Gehrensgässchen – Barfüßertor – Barfüßerstraße – Marktplatz – Rathaus –
Schuhmarkt/Kilianskirche – Reitgasse – Alte Uni – Mühltreppe – Rudolphsplatz – Biegenstraße – Unimuseum –
Alter Botanischer Garten – Pilgrimstein – Elisabethkirche – Steinweg – Neustadt – Wettergasse – Marktplatz

Bild mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg