Die neue Plattform „QrushMarburg“ veröffentlicht auf Instagram queere Begegnungen und Crushes im Alltag und versucht, Personen miteinander zu verbinden – niedrigschwellig und ganz ohne den Druck von Online-Dating.

Begegnungen im Marburger Alltag – beim Tanzen auf der Pharma-Party, beim Frisbee-Spielen auf den Afföllerwiesen oder beim Anstehen beim ALDI in der Gutenbergstraße. Man fand eine Person gut, hat sich aber nicht getraut, sie anzusprechen – und ist sich dazu noch unsicher, ob die Person auch queer ist. Oder man hat schon länger einen unerfüllten Crush aus der Ferne, weiß aber nicht, wie man ein Gespräch beginnen soll.

Abhilfe schafft seit Anfang April der Account „@qrushmarburg„: eine „spontane, queere Schnapsidee“ einer Einzelperson. Und das ganze läuft so: Personen schicken die Beschreibung ihres Crushes oder ihrer Begegnung an den Account, die dann, natürlich anonym, veröffentlicht wird. Das kann dann beispielsweise so klingen:

Suche eine FLINTA* Person, die ich heute am 28.05. gegen 10 am Seminargebäude im Pilgrimstein gesehen hab. Du trägst eine schwarze Fußballhose, einen dunkelblauen Sweater und hast deine braunen, langen Haare zusammengebunden. Du lebst mietfrei in meinem Kopf und ich würde so gerne mit dir auf ein Date gehen. Wäre so schön herauszufinden, wer du bist 🙂

Der Crush, der sich in der Beschreibung wiederfindet, meldet sich dann beim Account und im besten Fall entsteht eine ganz neue, queere, Marburger Love Story.

Wir haben genauer nachgefragt – wie ist „QrushMarburg“ entstanden, wie viele Personen haben sich schon gefunden und warum braucht Marburg „Qrush“ statt Dating-Apps? Die Person, die hinter „QrushMarburg“ steht, möchte anonym bleiben – die queere Community in Marburg sei doch so klein, dass man sich womöglich kennen würde, und das würde bei den Einsendungen wohl doch für zu große Hemmungen sorgen.

Woher kam die Idee für „QrushMarburg“?

QrushMarburg (QM): Die Idee war eigentlich eine spontane, queere Schnapsidee. Es gibt ja schon länger Accounts in Marburg und anderen Städten, wo Leute anonym kleine „Crushes“ oder Beobachtungen teilen können, meistens in der Bib oder Mensa. Mir ist dabei aber aufgefallen, dass fast nur hetero Konstellationen gepostet werden. Ich habe kaum queere Beiträge gesehen oder hatte das Gefühl, dass queere Menschen sich da melden würden und das fand ich schade. Also dachte ich: Warum nicht einen eigenen Raum schaffen, in dem queere Menschen sich wiederfinden können – sichtbar, aber auch anonym und sicher? Es war also so eine Mischung aus Schnapsidee und dem Wunsch, etwas Sichtbares und Niedrigschwelliges für die queere Community in Marburg zu machen.

Wie viele Nachrichten sind schon eingegangen? Gab es schon Berichte über erfolgreiche Connections?

QM: Bisher kamen sieben Nachrichten rein – zwei davon haben tatsächlich dazu geführt, dass die gesuchte Person  gefunden wurde. Wie es dann weiterging, weiß ich leider nicht. Aber ich hoffe, dass vielleicht irgendwann jemand schreibt, dass sich dadurch mehr entwickelt hat.

Einmal hat mir auch jemand geschrieben, der deutlich älter war als die Zielgruppe – so Mitte 50 – und gerade seine Sexualität erkundet. Er fand den Account interessant, weil er meinte, es gäbe sonst wenig niedrigschwellige queere Angebote. Auch wenn das nicht ganz die ursprüngliche Idee war, fand ich das irgendwie schön und es hat mich berührt, wie viel Resonanz das Ganze auslösen kann.“

Warum braucht es ein spezifisch queeres Format?

QM: Weil queere Menschen auch 2025 oft in öffentlichen oder offenen Formaten einfach untergehen. Gerade in diesen anonymen, öffentlichen Formaten fällt auf, wie stark heteronormativ sie oft funktionieren. Ich wollte bewusst einen Raum schaffen, in dem queere Personen sich angesprochen fühlen – und sicher sein können, dass sie gesehen und nicht nur mitgedacht werden. QrushMarburg soll ein Ort sein, wo queere Leute sicher sein können, dass sie wirklich gemeint sind – nicht nur „auch irgendwie“.

Außerdem geht es nicht nur um Verlieben oder Dates, sondern auch um Community. Um Sichtbarkeit. Darum, in einer Stadt wie Marburg, die ja eigentlich recht offen ist, trotzdem gezielt queere Räume zu schaffen – auch wenn’s nur digital ist.

Siehst du in „QrushMarburg“ eine Fortführung alter Print-Kleinanzeigen?

QM: Ja, total. Früher gab es ja in Zeitungen kleine Anzeigen wie: „Du saßt im Café und hast dein Buch vergessen…“. Eigentlich funktioniert QrushMarburg ganz ähnlich – nur eben über Instagram und speziell für queere Menschen. Es geht um kurze Begegnungen im Alltag, die einem im Kopf geblieben sind. Manchmal auch einfach nur darum, jemandem zu sagen, dass man ihn oder sie toll fand. Es ist irgendwie nostalgisch, aber auch sehr zeitgemäß.

Warum braucht Marburg „Qrush“ statt Dating-Apps?

QM: Ich glaube, viele haben Hemmungen bei Dating-Apps – sei es wegen der Oberflächlichkeit, weil man sich mit Fotos und Profil präsentieren muss oder weil alles so zielgerichtet auf Dating ausgelegt ist und zu viel Druck erzeugt.

QrushMarburg ist was da schon etwas anders: Es geht nicht darum, ein Profil von sich zu erstellen oder sich aktiv auf die Suche zu machen, sondern einfach um Momente aus dem echten Leben. Jemanden gesehen zu haben, einen kurzen Blick, ein Kompliment loswerden wollen – ohne gleich ein ganzes Gespräch starten oder ein Match haben zu müssen. Es ist komplett und anonym und unverbindlich niemand muss sich zeigen – und gleichzeitig gibt es die Möglichkeit sich wiederzufinden.

Man kann auch einfach nur zuschauen, was andere schreiben. Für viele queere Menschen kann das ein viel entspannterer Weg sein, um vielleicht doch jemanden wiederzufinden oder einfach das Gefühl zu haben: Ich bin nicht allein hier im kleinen Marburg.

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Bilder mit freundlicher Genehmigung von Ioana Cristiana auf Unsplash und Pexels / Anna Shvets