Um Opfer, Täter*innen und Abläufe der Patient*innenmorde zur Zeit des Nationalsozialismus geht es in einer neuen Ausstellung in der Marburger Stadtmitte. Die Ausstellung ist von Ende August bis Ende Oktober im katholischen Begegnungshaus KA.RE. in der Biegenstraße 18 zu sehen.

Während der NS-Zeit wurden Menschen mit psychischen, geistigen und körperlichen Behinderungen systematisch verfolgt und ermordet. Die Ausstellung „Verfolgung behinderter Menschen im Nationalsozialismus“ macht ihre Schicksale nun in Marburg sichtbar und dokumentiert die Vorgeschichte, Voraussetzungen und Durchführung der Patient*innenmorde im Nationalsozialismus. Dabei bezieht sie auch lebensgeschichtliche Skizzen von Opfern ein. Die Ausstellung ist eine Leihgabe des Gedenk- und Informationsortes Tiergartenstraße 4 in Berlin.

Weiterhin hat die Arbeitsgruppe „Menschenbild Behinderter Gestern und Heute“ im „Marburger Netzwerk für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“Informationen zur lokalen Verfolgungsgeschichte von behinderten Menschen zusammengetragen und ergänzt die Ausstellung somit um einen Marburger Teil.

„Mit der Ausstellung zur Tötung von Menschen mit Behinderung werden Verbrechen sichtbar, die auch hier in Marburg begangen wurden. Täter*innen und Opfer waren Marburger*innen, Nachbarn, Vorfahren der heutigen Generation. Das heißt, Geschichte ist nicht anonym und nicht weit weg.“

Bernd Gökeler, Initiator der AG „Menschenbild Behinderter Gestern und Heute“ und Vorsitzender des Netzwerks für Teilhabe und Beratung e.V.

An mindestens 333 Marburger „Euthanasie“-Opfer wird mit der Installation „Steine gegen das Vergessen“ erinnert. Für jedes Opfer wird der Namenszug mit Geburtsdatum und dem Tag der Ermordung in der Tötungsanstalt Hadamar auf einem Backstein angebracht. Zudem wird an die Opfer der NS-Zwangssterilisation erinnert.

„Diese Ausstellung führt uns vor Augen, was sich in diesem dunklen Kapitel deutscher Geschichte in und um Marburg zugetragen hat. Sie dient uns zugleich als Mahnmal: Wir sehen, wo es endet, wenn Hass und Hetze, wenn Unmenschlichkeit und Abwertung von Menschen regieren. Wir sehen, was passiert, wenn Menschen nach ihrer ‚Nützlichkeit‘ bewertet und ihre unveräußerliche Würde mit Füßen getreten wird. Wir alle müssen Sorge dafür tragen, dass das, was seinerzeit mit den Verbrechen der ‚Euthanasie‘ geschah, nie wieder passieren darf. Mein besonderer Dank gilt den Ehrenamtlichen, deren tatkräftiges Engagement und deren tiefgehende Recherche diese Ausstellung mit einem Marburger Teil erst möglich gemacht haben.“

Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies

Vernissage und Rahmenprogramm

Eröffnet wird die Ausstellung am Freitag, den 22. August, um 19 Uhr mit einer Vernissage. Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies wird ein Grußwort sprechen. Musikalisch begleitet wird die Eröffnung von Sängerin Latoya Reitzner.

Im Rahmenprogramm der Ausstellung sind verschiedene Veranstaltungen wie Vorträge, Diskussionsrunden und Filmvorführungen geplant. Bei der Ausstellung selbst wurde auf Barrierefreiheit geachtet: Unter anderem sind die Texte der Roll-Ups zum Teil in Leichter und Einfacher Sprache verfasst. Auch gibt es Medienstationen mit Zusammenfassungen der Ausstellungstexte in deutscher Gebärdensprache und als Sprachausgabe für Menschen mit Sehbeeinträchtigung. Um gerade junge Menschen anzusprechen, wurde zudem ein „Peer-Rundgang“ entwickelt – ein Rundgang für junge Menschen mit Anleitung von Gleichaltrigen. Dabei erschließen sich die Gruppen unter Anleitung der „Peer Guides“ die Ausstellung zunächst selbst und stellen ihre Eindrücke im Anschluss gegenseitig vor. Wer einen Ausstellungsrundgang buchen möchte, meldet sich mit einer E-Mail an: marburgmachtdemokratie@marburg-stadt.de 

Geöffnet ist die Ausstellung von Donnerstag bis Sonntag von 16 bis 20 Uhr sowie nach Vereinbarung. Mehr Informationen zu der Ausstellung gibt es unter www.marburgmachtmit.de/eugenik.

pe/to

Bild mit freundlicher Genehmigung von Deutsche Forschungsgemeinschaft