Das Marburger Landgrafenschloss soll zu einem Museums-, Kultur- und Erlebnisort werden: Wie das einmal aussehen könnte, zeigt das Zukunftskonzept des Büros Space4, das vor dem Beirat und dem Kuratorium zur Schlossentwicklung vorgestellt wurde. Dazu gehören ein Besuchszentrum, ein Schlosscafé, Aufzüge und ein neues Raumkonzept.

Schon der Empfang der Schlossbesucher*innen wird in dem visionären Konzept ganz neu konzipiert: Ein Besuchszentrum als ersten Anlaufpunkt schlagen die Architekt*innen des von der Universität beauftragten Büros vor – in Form eines Neubaus zwischen dem Schlosspark und der Burg am Rande des heutigen Parkplatzes. Denkbar wäre auch ein Zentrum auf der Nordterrasse. Dabei orientieren sich die Planer*innen an den Dimensionen der historischen Bebauung, die es früher an diesem Ort gab. So stand einst eine Schmiede am Rand des Parkplatzes und ein Wirtschaftsgebäude auf der Rückseite des Schlosses. Das Zentrum soll Platz für Informationsschalter, Museumsshop, Warte- und Medienraum, sanitäre Anlagen und Schließfächer bieten.  

Schlossplatz nach historischem Vorbild

Zugleich soll das Landgrafenschloss in Zukunft „wieder mehr in seiner Gesamtheit mit dem Wilhelmsbau, dem Schlosspark und dem Schlossplatz wahrgenommen werden“, erläuterte Henning Meyer von Space4 bei der Präsentation. Dafür soll sich der heutige Parkplatz vor der Stipendiaten-Anstalt nach historischem Vorbild wieder zu einem echten Vorplatz wandeln, auf dem die Gäste flanieren und sich ausruhen können, wo aber auch Märkte und Theater stattfinden könnten.

Neu aufgeteilt werden sollen die Räume der Burg: Der Fürstensaal, der als einer der größten und schönsten weltlichen Säle der europäischen Gotik gilt, soll mehr als bislang Teil des Schlossrundgangs mit wechselnden Ausstellungen werden. Feiern, Bankette, Podiumsdiskussionen, Konferenzen und Konzerte sollen stattdessen im Wilhelmsbau stattfinden, der derzeit aus Brandschutzgründen geschlossen ist. Damit würde das Schloss zugleich mehr Räume für „Dialog und Demokratie“ bieten. 

Museum und „Schaufenster der Wissenschaft“

Das Schloss soll das zukünftige Stadt- und Landesmuseum aufnehmen und zu einem Ort werden, an dem Geschichte erlebt werden kann. Heute noch unzugängliche Sammlungen sollen dafür aufbereitet werden. Zum Plan des Museums gehört auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des Schlosses als historischen Ort und als Symbol landgräflicher Macht: Es war einst Burg, Residenz, Festung, Gefängnis, Archiv und „Art Collecting Point“ der Amerikaner.

Im bislang nur für einzelne Führungen geöffnetem Dachgeschoss soll ein sogenanntes „Schaufenster der Wissenschaft“ eingerichtet werden. Dazu gehören temporäre Ausstellungen, Einblicke in die Fachforschung sowie Möglichkeiten für Forschungsprojekte mit Laien aus der Stadtgesellschaft. Zudem sollen die Gäste in einer „Datenbank der Geschichten“ stöbern können, in der zum Beispiel Objekte aus universitären Sammlungen – etwa aus der Anatomie, Physik und Zoologie – vorgestellt werden.

Neue Aufzüge für Barrierefreiheit

Um das Schloss möglichst barrierefrei zu machen, schlägt Space4 einen außen angebrachten Aufzug an der Nordseite des Wilhelmsbaus vor, der den Veranstaltungsraum im ersten Obergeschoss erschließt. Innen soll ein Aufzug in die oberen Stockwerke und ein weiterer in den Südflügel führen, mit dem das Landgrafenzimmer erreicht werden kann.

Mit dieser Abschlusspräsentation durch Space4 sei die „erste Station“ erreicht, ein visionäres Konzept für die weitere Entwicklung liege auf dem Tisch, sagte Uni-Präsident Prof. Thomas Nauss bei der Vorstellung. Damit sei aber noch nicht geklärt, wie es finanziert werde. Das Büro schätzt die Kosten auf 135 Millionen Euro, in denen auch Sanierungskosten enthalten sind.

Wie immer eine Frage des Geldes

Das Land Hessen hat 11,7 Millionen Euro für eine erforderliche Dachsanierung zur Verfügung gestellt und das Zukunftskonzept mit 460.000 Euro gefördert. „Hinsichtlich der hohen Kostenschätzung besteht weiterer Gesprächs- und Verhandlungsbedarf“, so Wissenschafts- und Kunstminister Timon Gremmels.

„Das Marburger Landgrafenschloss ist eine der bedeutendsten Immobilien des Landes Hessen und ein historisches Denkmal von nationaler Bedeutung“, betonte Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Positiv wertet Uni-Präsident Nauss, dass sich Land, Universität und Stadt in dieser Haltung einig sind und den Prozess gemeinsam angestoßen haben: „Wir alle wissen, dass es unmöglich ist, diese große Vision aus laufenden Mitteln für Spitzenforschung und Bildung zu finanzieren. Hier sind vor allem Bund und Land gefragt.“ 

Ein schönes „Geburtstagsgeschenk“ könnten laut Spies entsprechende Zusagen von Bund und Land zum 500-jährigen Universitätsjubiläum 2027 sein. Dabei habe auch die Stadt Marburg Mittel eingeplant, um sich in einem gewissen Umfang an den Kosten für den Teil Stadtmuseum zu beteiligen. Drei Jahre später, also frühestens im Jahr 2030, könnte mit dem Bau des Besuchszentrums begonnen werden. Davor – und quasi als nächsten Schritt – schlägt das Zukunftskonzept die Gründung einer Entwicklungsgesellschaft vor.

„Die Arbeit fängt jetzt erst richtig an“, so Spies. Er mahnte zu Geduld, Behutsam- und Beharrlichkeit, denn: „Es dauert auf jeden Fall länger, als man denkt.“ Zugleich sei er glücklich über das Schloss in der Stadt, das „große Geschenk“ für Marburg, das schon um die 1000 Jahre „ziemlich schadlos“ überstanden habe.

pe

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg | Marbuch Verlag GmbH und Space4 GmbH