Der „Marburger Abend“ im KFZ ist schon an sich etwas Besonderes – gehört er doch laut KFZ zu den ältesten, ohne Unterbrechung existierenden offenen Bühnen Deutschlands. Seit 1977 haben Künstler jeglicher Sparten diese Open Stage betreten und das Publikum begeistert. Nun steht eine Premiere der besonderen Art an: Das bunte und vielfältige Programm, wie es der „Marburger Abend“ bis heute bietet, soll für blinde und sehbehinderte Menschen durch akustische Bildbeschreibung (Audiodeskription) erstmals barrierefrei zugänglich werden.
Der Vorschlag durch lebendig gestaltete und detailgetreue Schilderungen auch Menschen mit Sehbeeinträchtigungen einen Zugang zu künstlerischen Darbietungen zu ermöglichen, stammt von Michael Doogs, dem Leiter der Abteilung Finanzverwaltung, Fundraising und Antragswesen des Blinden- und Sehbehindertenbunds in Hessen (BSBH). „Mich hat die Idee begeistert. Ich habe sofort gedacht, dass wir das unbedingt umsetzen müssen“, sagt Bernd Waldeck, einer der Moderatoren vom Marburger Abend. Florian Schneider von T Ohr, dem Zentrum für Sehbehinderten- und Blindenreportage in Gesellschaft und Sport, sicherte seine Unterstützung als Sprecher für eine Blindenreportage zu.
Zum ersten Mal sollen nun nichtsehende Menschen das Veranstaltungsprogramm ebenso miterleben können wie Menschen ohne Sehbeeinträchtigung. Bei den Vorbereitungen wurde der Name „KulTür“ für die Veranstaltung geboren, denn durch Audiodeskription öffnet sich für blinde und sehbehinderte Menschen die Tür zu Kulturveranstaltungen – ganz nach dem Motto „Bühne frei – Barrierefrei“!
Zunächst war der besondere „Marburger Abend“ für den 5. Mai, dem Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Behinderten Menschen, im KFZ Marburg geplant. Coronabedingt konnte die Veranstaltung, wie so viele andere auch, nicht stattfinden. Nun wurde ein neuer Termin angesetzt: Am Mittwoch, 17. Juni, wird der „Marburger Abend“ ab 20 Uhr als Audiodeskription-Livestream auf dem KFZ-YouTube-Kanal und auf dem Facebookseiten von KFZ und BSBH zu sehen sein.
Blinde, sehbehinderte und sehende Menschen, die sich zum „KulTür“-Livestream zuschalten, erwartet ein abwechslungsreiches Programm aus Musik, Theater, Zauberkunst, Comedy, Jonglage und Tanz. Auftreten werden der Comedian Amir Shabazz, die Breakdance-Gruppe „Funky Harlekinz Crew“, das improvisierte Theater „Fast Forward Theatre“ sowie der blinde Sänger, Musikinstrumentalist und Songwriter Jens Flach.
Zwischen den Aufführungen erfolgen Interviews mit Experten zum Thema Barrierefreiheit. So gibt etwa Michael Doogs einen Einblick in die Arbeiten des Blinden- und Sehbehindertenbunds. Ein Film zum Thema Barrierefreiheit, gestellt von der Deutsche Blindenstudienanstalt sowie ein Archiv-Video, das verzaubern und inspirieren soll, runden die abendfüllende Show ab.
Bernd Waldeck: „Dieser Abend wird nicht nur spannend sondern zugleich auch eine Herausforderung: Einerseits müssen Bühnenformate und auch die unterschiedlichen Darbietungen der Künstler blinden und sehbehinderten Menschen so veranschaulicht werden, dass sie in die Welt der Künste tief eintauchen können und anderseits sollen die Auswirkungen eingeschränkten Sehens für Sehende erlebbar gemacht werden.“
pe/kro