Wer sein Auto stehen lässt, soll in Marburg künftig belohnt werden: Für ein Jahr ohne Pkw gewährt die Stadt eine Prämie in Höhe von 1250 Euro.
Ein Jahr lang den Wagen stehen lassen, dafür eine Prämie kassieren – ein bisher einzigartiges Konzept, mit dem die Stadtverwaltung neue Impulse für den Individualverkehr in Marburg setzen möchte. Auf Mobilität muss trotzdem niemand verzichten, denn mit der Prämie sollen die Bürger*innen ein Jahr lang mit Bus, Bahn oder per Carsharing fahren können. Zudem stellt die Stadt Marburg-Gutscheine und einen Klimaboni bereit. Wer das Angebot in Anspruch nehmen möchte, muss das eigene Privatauto abmelden oder ganz abschaffen. Ob es sich dabei um den Erst-, Zweit- oder Drittwagen handelt, ist unwichtig. Bevor die ersten Pkw stillstehen, dauert es aber noch. Zunächst müssen die Stadtverordneten dem Vorhaben am 14. Juni zustimmen. Danach soll eine Pilotphase starten, die für 50 Fahrzeuge ausgelegt ist.
Mit dem Programm möchte die Stadtverwaltung den Fahrzeughalter*innen entgegenkommen, die den eigenen Wagen ohnehin nur wenig nutzen. „Ein Drittel der Autobesitzenden in Städten mit einem guten Mobilitätsangebot sagen, dass sie ihr eigenes Auto eigentlich so gut wie gar nicht brauchen,“ erklärt Stadtrat Michael Kopatz. Er ist sich sicher, dass aktuell viele Menschen darüber nachdenken, ihren Pkw abzuschaffen: „Wenn hohe Reparaturkosten anstehen oder eine Neuanschaffung, kommt unsere Prämie gerade recht.“
Auch für die Gemeinde bedeuteten Autos hohe Kosten. Allein für die Grundstückskosten pro Auto auf Parkplätzen und am Straßenrand gebe Marburg jährlich 2400 Euro aus, rechnet Kopatz vor. Den Platz würde die Stadtverwaltung zudem gerne anderweitig nutzen: beispielsweise für Grünanlagen, Baumpflanzungen, Fahrradwege oder Radstellplätze.
Konkret sieht das neue Konzept folgendermaßen aus: Wer die Prämie in Anspruch nimmt, der oder dem stehen ein Jahr lang vier verschiedene Guthaben zur Verfügung. Bis zu 800 Euro stellt die Stadtverwaltung für Carsharing-Angebote bereit. Für Fahrkarten im öffentlichen Personennahverkehr gibt es bis zu 600 Euro. Mit der Summe können Wochen- oder Monatskarten eingelöst werden – möglich sei aber auch, ein Deutschlandticket für ein ganzes Jahr zu kaufen, wie die Stadtverwaltung erklärt. Der Marburg-Gutschein beläuft sich auf einen Wert von 400 Euro. Das kleinste Guthaben stellt mit 50 Euro der Klimabonus dar.
Wie die Prämie aufgebraucht wird, kann jede*r individuell entscheiden – ausgezahlt werden kann die Summe jedoch nicht. Das Programm ist zudem mit zwei Bedingungen verbunden. Zum einen muss die oder der Fahrzeughalter*in mindestens noch ein Jahr in Marburg wohnen. Zum anderen muss der Pkw in Marburg zugelassen sein. Antragsteller*innen reichen dementsprechend einen Wohnsitznachweis, den Führerschein und eine Bescheinigung über die Autoabmeldung bei der Stadt ein. Pro Antragsteller*in und Haushalt kann nur ein Antrag abgegeben werden.
Das Konzept, das von manchen bereits leicht spöttisch als „Auto-Abschaff-Prämie“ bezeichnet wird, ist in seiner Form bundesweit einzigartig. Ein Vorbild gibt es jedoch in Darmstadt. Wer dort auf den Pkw verzichtet, erhält ein sogenanntes Klimaticket, das für drei Monate im öffentlichen Personennahverkehr gilt.
LB