Biodiversitätsprojekt schafft Lebensräume für Insekten.
Der Landkreis Marburg-Biedenkopf besitzt rund 1000 Wiesen, Weiden, Waldstücke und Grünstreifen. Sie sollen in Zukunft noch mehr als bislang Lebensräume für biologische Vielfalt bieten, was vor allem Wildbienen, Käfern und anderen Insekten zugutekommen soll.
Jahr für Jahr gibt es weniger Hummeln, Schwebfliegen und Schmetterlinge. Selbst in den deutschen Naturschutzgebieten ist die Zahl der Insekten um rund 80 Prozent zurückgegangen. Dabei sind sie „unersetzbar im Kreislauf der Natur und Grundlage für den Anbau unserer Lebensmittel“, sagt der Biodiversitätsmanager des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Gerd Nienhaus. Zudem gehe es in dem Projekt um die Vielfalt der Bodenorganismen.
Derzeit erfasst er die unbebauten Grundstücke, die dem Landkreis gehören. Einige sind an Landwirte verpachtet, aber die meisten liegen einfach brach – am Rande von Straßen, mitten zwischen Feldern, in Wäldern oder Städten. Auch Ausgleichsflächen sind darunter, mit denen der Bau von Straßen und Gebäuden kompensiert werden soll. Und in Zukunft sollen diese unbebauten Flurstücke eine wichtigere Rolle bei der Nachhaltigkeitsstrategie des Landkreises spielen.
Wiesen wieder zum Leben erwecken
Da ist zum Beispiel die Wiese „An der Seifhecke“ unweit des Lahnwanderweges im Westen von Weipoltshausen. Immerhin lugen einige Herbstzeitlose aus dem Acker. Am Rand stehen Apfelbäume. Aber ansonsten besteht das 17.000 Quadratmeter große Flurstück im Wesentlichen aus nicht besonders vielfältigem Grünland. Neben Gräsern wachsen hier vor allem Löwenzahn und Disteln.
Dabei könnte die Wiese im Windelbachtal bei Weipoltshausen zu einem Paradies für Insekten werden. Gerd Nienhaus möchte sie „sanft aus ihrem Dornröschenschlaf wecken“, wie er formuliert. Er prüft, mit welchen Biotopen im Umkreis die Seifhecke verbunden werden könnte. In Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde wird er klären, ob mehr Streuobstbäume angepflanzt werden sollten. Auf jeden Fall soll die Wiese „abgemagert“ werden, damit die typischen, nektarreichen Pflanzen der Region wieder zum Zuge kommen, sagt Nienhaus. Zu ihnen zählen etwa Glockenblumen, Labkraut, Wiesen-Margeriten, Klatschmohn, Lichtnelke und Leinkraut. Dazu müsste einmal im Jahr gemäht werden. Um den Boden so mager zu machen, dass die Pflanzenwelt der mittelhessischen Gebirgslandschaft wieder mehr Chancen hat, darf der Grünschnitt dann aber nicht liegen bleiben.

Lahnwanderwegs im Westen von Weipoltshausen bislang wenig Vielfalt.
Zudem betrachtet der Leiter des Projekts „Biodiversität förderndes Flächenmanagement“ die Umgebung. Schließlich gibt es Wildbienen und Wespen, die nur wenige 100 Meter fliegen, aber für die Bestäubung gebraucht werden. Deshalb ist es wichtig, „grüne Bänder“ zu schaffen. Ein Paradebeispiel für solche zusammenhängenden Biotope ist das „Grüne Band“ an der ehemaligen Grenze zu Ostdeutschland.
An der Wand seines Büros im Kreishaus hat Nienhaus Fotos seiner „typischen Fälle“ aufgehängt. So möchte er auch die Grünflächen an der Burgholzer Straße in Rauschenberg sowie auf dem Habichtscheld bei Wetter zu mehr Vielfältigkeit animieren. Auch beim sogenannten „Straßenbegleitgrün“ prüft er, wie die Seitenstreifen mehr Nahrung für Insekten bieten können.
Lebensraum für Libellen, Kröten, Frösche
Noch in diesem Jahr soll bei dem Feuchtbiotop in Neustadt eingegriffen werden. Das schützenswerte Gelände zwischen Gesamtschule und Hundewiese ist nämlich ziemlich vermüllt: Tüten, Dosen, Metallgitter und Plastikflaschen ragen aus den Tümpeln unweit der Querallee. „Das ist eine Kreisliegenschaft, die dringend Hilfe benötigt“, sagt der Biodiversitätsmanager. Schließlich sei das Gebiet besonders schützenswert und könnte wieder zu einem Lebensraum für Libellen, Frösche und Kröten werden. Möglichst schnell soll das Areal vom Müll befreit und die Wasserqualität geprüft werden. Und damit nicht gleich wieder Abfälle auf dem Gelände hinterlassen werden, sollen Schilder aufgestellt werden, die auf den Lebensraum und seine Besonderheiten hinweisen.
Es gibt aber auch Flurstücke, die bereits so viel Lebensraum für Tiere und Pflanzen bieten, dass „kein Handlungsbedarf“ besteht: Dazu gehören die Bornwiese bei Ebsdorf und eine Kleewiese bei Neustadt. Geradezu vorbildlich gepflegt wird das Areal „Auf den Steinäckern“ zwischen Moischt und Beltershausen, um das sich Privatleute kümmern.
Ungenutztes Potential
Vielleicht lässt sich das Projekt auch auf Flächen an Schulen übertragen, wo es häufig große Rasenflächen gibt, die extensiv gepflegt werden könnten. Nienhaus, der sich früher um das Gebäudemanagement von Schulen im Landkreis gekümmert hat, kennt sich dabei aus. Er hat das Nachhaltigkeitsprojekt an der Berufsschule Kirchhain betreut, das aus einem tristen, versiegelten Vorplatz eine naturnahe Wohlfühloase mit einer Zisterne, einer Blühwiese, einem Kräutergarten und Vogelschutzhecken machte.
gec