Jubiläumsreihe ab Freitag (3. November)
Im TNT, dem roten Würfel auf dem Gelände des ehemaligen Gaswerks im Norden Marburgs, wird Theater und mehr abseits des Mainstreams gepflegt. Das gleichnamige Ensemble mit seinen unkonventionellen Produktionen ist seit 1983 fester Baustein im Kulturleben vor Ort. Dieser Tage feiert das TNT sein 40-jähriges Bestehen. Fünf Wochen lang mit Theater, Performance, Tanz, Musik, Installation, Diskussion, Party. Hier eine erste Auswahl.
„Wenn die Nacht am tiefsten ist, …“
Eigenproduktion des TNT
Premiere Freitag (3. November) 20 Uhr, TNT
anschließend Bar
Samstag (4. November) 20 Uhr
Es ist ein seltsamer Ort mit seltsamen Dingen, gleichzeitig vermoost und verkabelt. Niemand weiß, wo sich dieser Ort befindet, vielleicht am Ende der Welt oder am Rande der Zivilisation. Niemand weiß, ob die fünf Menschen hier wohnen, ob sie nicht hinaus können oder nicht hinaus wollen. Und auch nicht, wie lange sie schon hier sind. Es werden seltsame Geschichten erzählt, sie scheinen wütend zu sein, traurig, manchmal seltsam optimistisch.
Sie haben sich eine Art Studio gebaut und senden unentwegt Nachrichten. Nach draußen, sagen sie. Niemand weiß, ob irgendjemand sie hört. Du hast keine Chance, aber nutze sie, sagen sie. Also senden sie ihre Worte, ihre Songs, ihre Gedanken, ihre Appelle und ihre Ermutigungen. Für Menschen am Limit, sagen sie, für Menschen, die nicht schlafen können, für Menschen, die standhalten müssen. Niemand hat sie jemals gefragt, warum sie hier sind und warum sie das tun. Wir können es nicht nicht tun, hätten sie wahrscheinlich gesagt …
Anlässlich 40 Jahre Freien Theaters in Marburg begibt sich ein Mehr-Generationen-Team um Rolf Michenfelder und Kristin Gerwien mit einer musikalischen Performance auf eine Reise, die dem naheliegenden Pessimismus angesichts der Abgründe unserer Zeit standhält und am Prinzip des nahenden Sonnenaufgangs festhält.
„Ausrauschenkollektiv“
Performance
Donnerstag (9. November) 20 Uhr, Baari Bar
Das Ausrauschenkollektiv (Gießen) nähert sich mit elektronischen Devices sowie elektro-akustischen und akustischen Instrumenten Anlässen, Themen und Orten, ihrer Geschichte und Bedeutung. Mit seinem Instrumentarium und Setup untersucht das Ausrauschenkollektiv das gewählte Ausgangsmaterial auf seine klanglichen und gesellschaftlichen Qualitäten. Es entstehen Flächen, Rhythmen, Klänge, wandernde Tonquellen, die zu Inszenierungen, Musikstücken, Soundscapes oder Filmmusik werden.
PanPan Theatre
„The First Bad Man“
Theater
Freitag (10. November) 20 Uhr, TNT
anschließend Publikumsgespräch
weitere Vorstellung Sa 11.11. 20 Uhr
anschließend Party mit hit&miss
Kitty Blennerhasset, John Benno, Rose McVittie und Freya Golden haben sich kürzlich einem Buchclub angeschlossen. Ihre erste Lektüre, zu der sie seit einem Jahr jede Woche immer wieder greifen, ist „The First Bad Man“. Die gleichnamige Aufführung erzählt von der Begegnung der Mitglieder des Buchclubs mit den Charakteren von Miranda Julys Romans: „Herzzerreißend traurig, tiefsinnig, abstoßend und urkomisch“. (Observer).
Die beiden Vorstellungen beziehen sich auf unterschiedliche Kapitel des Buches. Wer möchte, kann beide Aufführungen besuchen.
The Sephardics
Konzert
Donnerstag (16. November) 20 Uhr, TNT
The Sephardics richten ihren Fokus auf den zeitgenössischen Umgang mit sephardischen Musiktraditionen – die Stücke haben ihren Ursprung teilweise im 16. Jahrhundert. The Sephardics versetzen sie mit Jazz-Elementen und interpretieren sie mit viel Liebe zur Improvisation neu. Seit 2006 haben sich Sängerin/Pianistin Manuela Weichenrieder und Cellist Ludger Schmidt der zeitgemäßen Neugestaltung sephardischer Musik mit ihren hochemotionalen Inhalten verschrieben. Gemeinsam mit dem Geiger und Saxofonisten Martin Verborg und dem Drummer Patrick Hengst gibt der bewegte jazzige Kontext, insbesondere der Einsatz von E-Cello und E-Geige, den Stücken einen besonderen Drive. Aber auch zarte, behutsame und leise Neuinterpretationen des Liedguts bereichern das Programm. So entsteht eine mitreißende Mischung zwischen energiegeladen und ruhig, expressiv und vor allem berührend.
Hanna Steinmair
„6,5 Heldentode: Edition TNT“
Performance
Freitag (17. November) 20 Uhr, TNT
Samstag (18. November) 20 Uhr, anschließend Publikumsgespräch und Party
Die spekulative Führung „6,5 Heldentode“ widmet sich der Erforschung maskuliner Repräsentationsmechanismen und arbeitet an ihrer Unterbrechung. Hanna Steinmair nimmt sich die sterbenden Helden zur Brust und bringt es (wortwörtlich) für sie zu Ende – um zu neuen Schlüssen zu gelangen: Wie müssten epische Szenarien aussehen, um auch „unheroische“ Körper, ihre Kämpfe und Geschichten zu beherbergen?
Die Performance beschäftigt sich mit der Frage nach dem Ende. Was bedeutet es, etwas zu beenden und „Stopp“ zu sagen? Publikum und Performerin begeben sich auf eine gemeinsame Wanderung durch und um das Theater neben dem Turm. Sie schlagen sich durch einen Sumpf aus Zuschreibungen und medialisierten Darstellungen und erkunden die Möglichkeit eines kollektiven Stopps.
Jörg Schaaf
Live-Performance (EMbient/Electronic)
Freitag (17. November) 21 Uhr 30, Baari Bar
Jörg Schaaf hat sich seit den 80er Jahren der Klangforschung mit elektronischen Mitteln verschrieben. In seiner Performance erklingt eine Melange aus Noise-Grooves und düsterem Ambient, die immer mal sein Gespür für Harmonien und Melodien durchschimmern lässt. Jörg Schaafs Klangwelten wechseln zwischen beunruhigenden Drones, vertrackten Rhythmen und fast zärtlicher Lyrik hin und her. Bereits in den 90er Jahren veröffentlichte Jörg Schaaf mit Klaus Schulze einige CDs und stand an seiner Seite auf der Bühne, bevor er sich ganz auf seine Soloarbeiten konzentrierte und unter seinem Namen bis heute fünf Alben produzierte.
Murmurs
Konzert
Donnerstag (23. November) 20 Uhr, TNT
Murmurs ist das Dreampop-Projekt von Anna Krauß, Moritz Lehr und Hannes Soltau. Die drei lernten sich in Marburg kennen, leben und arbeiten aber mittlerweile in Berlin. In ihrer Musik rahmen Pianoklänge, sphärische Synthesizer, Samples und mäandernde Bassläufe Texte über Alltagsbeobachtungen zwischen Melancholie und Tagträumerei.
pe/MiA