Genau 80 Jahre ist es her, dass Sinti aus Marburg und dem Umland nach Auschwitz deportiert wurden. Die Stadt hat kürzlich mit einer Gedenkfeier an sie erinnert.

Sie waren zwischen zwei Monaten und 67 Jahren alt: Vor 80 Jahren, am 23. März 1943, wurden 78 Sinti aus Marburg und Umgebung nach Auschwitz deportiert. Ihr Leidensweg begann am Hauptbahnhof, von wo sie in Viehwaggons nach Auschwitz verschleppt wurden. Viele von ihnen wurden dort Opfer des nationalsozialistischen Massenmordes.
Mit einer Gedenkveranstaltung hat die Stadt Marburg kürzlich an die rassistisch verfolgten und ermordeten Marburger Sinti erinnert. Dabei sprach unter anderem Maria Strauß vom Hessischen Landesverband Deutscher Sinti und Roma: „Unsere Menschen wurden von Zuhause oder auch direkt von der Straße abgeholt.“ Die Erinnerung daran mache deutlich, dass es nicht um Zahlen ginge, sondern um Bürger*innen – um Männer, Frauen und Kinder, die hier aßen, spielten, lebten und arbeiteten. „Erinnerung heißt, Menschen einen Raum in den eigenen Gedanken zu geben und das tun wir heute“, so Strauß.

Über zwei Einzelschicksale berichteten deswegen Antonin Bau und Emilia Warmbrunn vom Kinder- und Jugendparlament (KiJuPa). Sie trugen zwei Zeitzeugenberichte vor: Der erste stammt von Amanda Meyer, die mit ihrer Familie und dem Zirkus ihres Onkels durch Italien, Österreich, Holland und Deutschland reiste, bevor sie nach Marburg kam. Als 13-Jährige wurde Meyer mit ihrer Mutter und ihrem kleinen Bruder von der Polizei abgeholt und zum Marburger Bahnhof gebracht, von wo sie in einem Viehwaggon drei Tage lang nach Auschwitz deportiert wurden. Ihre Mutter und ihr Bruder wurden dort ermordet, sie selbst konnte dem Konzentrationslager entkommen: Ihr Vater erwirkte nach einem Jahr Amanda Meyers Entlassung.
Einen großen Teil seiner Familie verlor auch Heinz Strauß, von dem der zweite Zeitzeugenbericht stammt: Mit seiner Familie, die ein Schaustellergeschäft betrieb, lebte er sechs Jahre lang in Cölbe, bevor auch sie nach Auschwitz deportiert wurden. Er wurde einer Arbeitskolonne in Auschwitz-Birkenau zugeteilt, die die Asche aus dem Krematorium in Loren schaufeln und wegtransportieren musste. Seine Mutter, seine Geschwister und weitere Verwandte wurden verbrannt. Nach einem Jahr wurde er nach Buchenwald transportiert, ebenfalls wieder zu Zwangsarbeit verpflichtet und dann nach Ellrich verlegt, wo er seinen Vater wiederfand. Nach weiteren Transporten nach Dora und Magderode wurde er schließlich befreit.

Im Anschluss eine Kranzniederlegung an der Gedenktafel am ehemaligen Landratsamt in der Barfüßerstraße statt, an der neben Oberbürgermeister Thomas Spies auch Bürgermeisterin Nadine Bernshausen, Stadträtin Kirsten Dinnebier und weitere Mitglieder des Magistrats teilnahmen. Währenddessen verlasen der KiJuPa-Vorsitzende Lasse Wenzel und Emilia Warmbrunn die Namen aller Menschen, die von Marburg aus deportiert wurden.

pe/LB

Bild mit freundlicher Genehmigung von Stefanie Ingwersen