Bei Biontech, CSL Behring und Nexelis sollen in Marburg rund 1000 Arbeitsplätze verloren gehen.

Gerechnet hatte die Gewerkschaft mit 1000 Demonstranten. Es kamen – nach den Zählungen der Polizei – 4000 Menschen, die sich am Mittwoch vor den Werkstoren im Görzhäuser Hof bei Marburg mit Transparenten und Trillerpfeifen am traditionsreichen Pharmastandort versammelten. Bei Biontech, CSL Behring und Nexelis sollen rund 1000 Arbeitsplätze verloren gehen. 

„Die Art und Weise, wie mit euch umgegangen wird, ist eine Sauerei“, rief der hessische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Umut Sönmez, den Menschen zu: „Ihr habt die Welt gerettet“, sagte er über die Mitarbeiter von Biontech, die mit vielen Extraschichten dafür gesorgt hatten, dass der Impfstoff gegen Covid 19 so schnell produziert werden konnte. Damals war das Marburger Werk geradezu berühmt geworden, weil in Marburg der erste weltweit zugelassene Corona-Impfstoff hergestellt wurde. „Nach diesen unbeschreiblichen Erfolgen ist es die Pflicht, den Standort zu erhalten“, so Biontech-Betriebsrat Mario Büttner. Und Siemens-Vertrauensmann Niklas Werner ergänzte: „Corona hat uns vor Augen geführt, wie wichtig es ist, einen starken Standort vor Ort zu haben.“ Doch im Frühjahr entschied das Unternehmen, angesichts eines massiven Gewinneinbruchs mehr als 300 Stellen am Marburger Standort abzubauen. Bislang arbeiten 670 Menschen in der Universitätsstadt.

Doch damit nicht genug: Am 1. Juli traf auch die Mitarbeitenden von CSL Behring der „Donnerschlag“, wie Betriebsratsvorsitzender Sascha Ludwig formulierte. Das Biopharmaunternehmen kündigte an, seine große Forschungs- und Entwicklungsabteilung zu schließen und 500 Stellen zu streichen. Dabei war erst vor drei Jahren ein 150 Millionen Euro teures Forschungszentrum bei CSL in Marburg eröffnet worden. „Eiskalt“ nannte IGBCE-Bezirksleiterin Sabine Süpke den Beschluss des Unternehmens.

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Forschungs-Dienstleiter Nexelis Marburg sein Werk am Standort ganz schließen will. Rund 85 Arbeitsplätze gehen dadurch verloren. Ein weiterer Stellenabbau wird bei den Zulieferern erwartet. „Wir befürchten einen Domino-Effekt für die gesamte Region“, so  Alexander Wiesbach von der Chemiegewerkschaft IG BCE. 

Die Gewerkschafter forderten ein Zukunftskonzept und Hilfe aus der Politik anstelle von Solidaritätsbekundungen. Staatssekretär Sönmez hofft auf einen Runden Tisch, an dem gemeinsam mit allen Beteiligten über gute Lösungen gesprochen werden soll. Allerdings müssten die Unternehmen dafür auch ihre Zahlen auf den Tisch legen. 

„Wir unterstützen den Standort, wo wir können, und erwarten im Gegenzug verantwortungsvolles Handeln“, sagte Marburgs Stadträtin Kirsten Dinnebier auf der Kundgebung. Für die Einnahmen der Stadt Marburg sind die Nachfolgeunternehmen der ehemaligen Behringwerke essentiell. Hatte sie durch die Erfolge von Biontech und CSL von einem ungeahnten Geldsegen profitiert, muss sie nun massiv sparen. 

Nexelis-Betriebsratsvorsitzender Hartmut Engel erinnerte an die lange Tradition des Standorts, der auf Medizin-Nobelpreisträger Emil von Behring zurückgeht: „Seit über 100 Jahren stehen die Behringwerke für medizinischen Fortschritt“, sagte er: „Jetzt droht ein tiefer Einschnitt.“ Deshalb warnten die Gewerkschafter, dass die Kundgebung erst der Auftakt sei. „Wenn ihr uns verarschen wollt, dann können wir auch streiken“, sagte IGBCE-Bezirksleiterin Anne Weinschenk.

gec

Bild mit freundlicher Genehmigung von Gesa Coordes