„Ab jetzt zusammen!” im HLTM

1984. Generalstreik der Bergarbeiter in Großbritannien: Die Regierung droht, tausende Stellen abzubauen. Eine Gruppe junger Aktivisten will die Streikenden unterstützen und gründet den Verein „Lesben und Schwule für die Bergarbeiter“. Ihre Spendenaktionen werden zu einem existenziellen Beitrag für den Arbeitskampf. Mit „Ab jetzt zusammen!” inszeniert HLTM-Intendantin Carola Unser ein Stück über Solidarität und ein beeindruckendes Kapitel der Annäherung. Im Express-Interview erzählt die Regisseurin von Happy Ends in scheinbar unvereinbaren Welten.


Express: Das Stück dreht sich um den Arbeitskampf englischer Bergarbeiter in den 1980er Jahren. Was macht das Thema heute aktuell?


Carola Unser: Das Zentrale an dieser wundervollen Geschichte ist für mich der Fakt, dass Menschen, die auf den ersten Blick nichts miteinander anfangen können und deren Realitäten scheinbar so verschieden sind, sich finden und gemeinsam aufstehen, füreinander einstehen und kämpfen. Die Geschichte erzählt die Suche eines neuen „WIR“, betont mehr die Gemeinsamkeiten denn die Unterschiede. Heute, in einer Zeit, in der gerne wieder mit Klischees und Schubladen populistisch Stimmung gemacht und gehetzt wird, statt genau und differenziert hinzugucken, finde ich den Gedanken eher das Verbindende zu suchen und zu feiern, denn das Trennende aufrechtzuerhalten, spektakulär hoffnungsvoll. Zudem betont das Stück die Kraft der Solidarität, dass es lohnt gemeinsam zu kämpfen. Die Sehnsucht nach dieser Möglichkeit wieder zu wecken ist meine Hoffnung – ich wünsche mir das sehr: mehr WIR, denn ICH, mehr ZUSAMMEN, denn EGOSHOOTING.  


Express: Klimakrise, Angst vor Migration, das Wiedererstarken rechter Parteien: Wir leben in einer Zeit mit vielen Umbrüchen und einer großen Verunsicherung. Gibt es da Parallelen?

Unser: Tatsächlich sehe ich die Parallele darin, dass der Streik 1984 in Großbritannien ein Wendepunkt war: Die neoliberale Idee brach sich Bann und ich bin versucht, die eventuell steil anmutende These in den Raum zu stellen, dass damals die Wurzeln für den Brexit liegen, auch wenn es damals die EU in dem Sinne noch gar nicht gab. Das war ein Umbruch, eine Kehrtwende, die für viele sozialen Abstieg bedeutete. Von daher ja, das Gefühl der Unsicherheit, gar der Angst, das im schlimmsten Fall rechtspopulistischen Hetzern den Weg bahnt, mag eine Parallele sein. Gleichermaßen gab es 1984 eine unfassbare Solidarität der Bergarbeiter und ihrer Frauen untereinander und eben auch der LSBT*IQ-Bewegung in London. Diese unbedingte Solidarität, der Glauben an das „gemeinsam können wir das schaffen“ fehlt uns heute – zumindest mehr denn damals.  


Express: Im Untertitel steht, das Stück sei eine Komödie „über die Zugehörigkeit zur Unzugehörigkeit“. Was verstehe ich darunter?
Unser: Manchmal fühle ich mich unzugehörig, einer Gruppe, einer Gesellschaft. “Ab jetzt zusammen!” erzählt die Geschichte von Menschen, die zueinander gehören, weil sie nicht dazugehören – aus unterschiedlichsten Gründen.  Express: Wie ist die Idee zu dem Stück entstanden?


Unser: Als klar war, dass wir uns in unserer zweiten Spielzeit mit REALITÄTEN beschäftigen werden, suchte ich – inspiriert von einem Zeitungsartikel, der den Impuls gab, mehr das Verbindende denn das Trennende zu sehen: Ich wollte eine Geschichte über ein neues WIR erzählen. Unsere Dramaturgin Lotta Seifert kam über einen Dokufilm „Dancing in Dulais“ auf die historischen Ereignisse von 1984 in UK. Wir recherchierten und entschieden uns diese Geschichte auf die Bühne zu bringen, mit viel 80er-Jahre-Pop und schmissigen Arbeiterliedern. 

Express: Warum bringen Sie das Thema als Komödie auf die Bühne? 

Unser: Der Stoff eignet sich wunderbar dazu, scheinbar unvereinbare Welten knallen aufeinander: Komödienpotential de luxe. Und wie Brecht schon forderte: Theater muss unterhalten. „Ab jetzt zusammen!” ist eine wunderschöne Geschichte, die die Möglichkeit bietet trotz aller Ernsthaftigkeit liebenswerte Figuren in ihrem alltäglichen Kampf zu zeigen. Und mir machte diese Geschichte einfach von Anfang an großen Spaß. Und vielleicht auch weil ich selbst die Zeiten grade tragisch genug finde … und im Theater mal eine Alternative bieten wollte. Und es ist ja sogar eine Musiktheaterkomödie: Die Popsongs der 80er-Jahre –  The Communards, Erasure, Marillion u. v. m. – sowie mitreißende Arbeitersongs. Das macht einfach Laune. 

Express: Soll die Geschichte den Zuschauerinnen und Zuschauern Mut machen? Gibt es ein Happy End?

Unser: Oh, das wäre schön, wenn die Menschen ermutigt aus dem Stück gehen. Und ja, auch wenn die eigentliche Realität nicht gut ausging – die Bergarbeiter haben den Streik verloren – wird es bei uns sogar mindestens vier Happy Ends geben. 

Premiere: Sa 15.2. 19.30, Erwin-Piscator-Haus

Interview: Georg Kronenberg

Bild mit freundlicher Genehmigung von HLTM