Protest-Aktionen in Marburg eineingestellt / Scharfe Kritik an Einigung von Hessens Justizminister
Vermutlich keine andere Protestform hat die Gemüter in den vergangenen Monaten derart erregt wie die folgende: Aktivisten der „Letzten Generation“ sitzen auf einer Straße, ihre Hände mit Sekundenkleber fest am Asphalt fixiert. Ringsherum Autofahrer, die sich in verschiedenen Stadien der Empörung befinden.
Szenen dieser Art wird es aller Voraussicht nach in Marburg nicht mehr geben. Der Grund: Die Stadt Marburg stellt sich hinter die Forderungen der „Letzten Generation“. Im Gegenzug verzichtet die Bewegung auf Protestaktionen in der Stadt.
Die Initiative ergriffen hat dabei Oberbürgermeister Thomas Spies. Der teilte am Montag (6. März) mit, dass er im Namen der Stadt einen Brief an die Bundesregierung sowie an alle demokratischen Fraktionen im Deutschen Bundestag geschrieben hat. Darin unterstützt er die inhaltlichen Forderungen der „Letzten Generation“. Ähnlich hatten laut Medienberichten bereits die Oberbürgermeister von Hannover und Tübingen reagiert.
Spies sagte, dass es natürlich nicht erlaubt sei, sich auf die Straße zu kleben. Marburg sei auf die Protestaktionen vorbereitet gewesen. Bis die Proteste aufgrund der laufenden Verhandlungen ausgesetzt wurden, seien nahezu täglich entsprechende Aktivitäten festzustellen gewesen. In zwei Fällen hätten Protestierende von der Straße gelöst werden müssen, in zwei weiteren Fällen sei ein Festkleben verhindert worden.
„Aber in der Sache entsprechen die Forderungen der ,Letzten Generation‘ den Beschlüssen der Stadt Marburg, und ich teile diese Forderungen auch persönlich“, so Spies. Zu den drei konkreten Forderungen der „Letzten Generation“ sagte der Oberbürgermeister: „Mit Bürger*innenräten aus zufällig ausgewählten Bürger*innen hat unsere Bürger*innenbeteiligung sehr gute Erfahrungen gemacht. Seit vielen Jahren wollen wir Tempo 80 auf der Marburger Stadtautobahn. Und ein bundesweites 9-Euro-Ticket kann den ÖPNV ein Stück weit verbessern und Städte, Gemeinden, Landkreise und Verkehrsverbünde erheblich entlasten. Diese Forderungen an den Bund unterstütze ich gerne“, so Spies.
„Wir freuen uns sehr, dass nach Hannover und Tübingen jetzt auch in Marburg unser Protest von Erfolg gekrönt ist“, sagte Solvig Schinköthe, Sprecherin der „Letzten Generation“ über die erfolgreichen Gespräche: “
Scharf kritisiert wird die Einigung des Marburger Rathauschefs dagegen von dem hessischen Justizminister Roman Poseck (CDU). Straftaten dürften in unserer Demokratie kein Mittel der Politik sein, sagt Poseck: „Der Staat darf niemals erpressbar sein. Deshalb ist es ein fatales Signal, wenn jetzt einzelne Oberbürgermeister Kompromisse mit der Letzten Generation eingehen, um weitere Straftaten in ihrer Stadt zu verhindern. Politische Erpressung darf nicht Schule machen.“
Ähnlich sieht dies auch der Marburger CDU-Landtagsabgeordnete Dirk Bamberger: „Der Rechtsstaat ist nicht verhandelbar. Der Oberbürgermeister spricht nicht für Marburg, wenn er rechtsstaatliche Prinzipien aufgibt. Es stellt sich die Frage, für welche politischen und gesellschaftlichen Ziele der Oberbürgermeister gedenkt sich in Zukunft erpressbar machen zu wollen“, so Bamberger. Ihn erstaunt dabei auch die mangelnde Beharrlichkeit“ der „Letzten Generation“. Die Aktivistinnen und Aktivisten hätten sich mit ein paar freundlich unterstützenden Worten einkaufen lassen. Dabei sei Marburg bislang den Beweis schuldig geblieben, ernsthaft eine Klimapolitik umsetzen zu wollen, kritisiert der CDU-Politiker.
LB/Kro/pe