Jazzorganistin Barbara Dennerlein im Express-Interview über Jazz auf der Kirchenorgel.

Der Höhepunkt beim Stadtfest ist das Abschlusskonzert am Sonntag (9. Juli) ab 19 Uhr in der Lutherischen Pfarrkirche. Jazzstar Barbara Dennerlein schöpft mit ihrem meisterhaften Pedalspiel die Klangmöglichkeiten der Kirchenorgel voll aus und bringt sie zum Swingen. Die international gefeierte Jazzorganistin entführt die Zuhörerinnen und Zuhörer in neue Klangwelten, einer Mischung aus Jazz in weitestem Sinne mit zum Teil klassischen Elementen. Im Express-Interview erzählt Barbara Dennerlein, wie ihre Beschäftigung mit der Kirchenorgel anfing und was ihre Faszination für das Instrument ausmacht.

Express: Sie sind als Virtuosin an der Hammond-Orgel bekannt geworden. Wie kommt man als Jazzerin an die Kirchenorgel?

Barbara Dennerlein: Ich wollte immer schon an der Kirchenorgel spielen. Meine praktischen Prüfung im Musik-Abitur hätte ich mit klassischen Werken an einer Kirchenorgel machen sollen. Damals war schon bekannt, dass ich Jazz spiele. Und dann war irgendwie immer der Kirchenschlüssel weg, es hat nie geklappt – und endete damit, dass ich eine Sondergenehmigung vom Kultusministerium erhielt, die Prüfung an der Hammond-Orgel durchzuführen.
Viele Jahre später hat mich der künstlerische Leiter der Bachtage in Würzburg gefragt, ob ich an der Pfeifenorgel im Konservatorium ein Jazz-Konzert spielen würde. Da habe ich natürlich sofort zugesagt. Zum Vorbereiten durfte ich bei einem sehr netten Organisten in München an eine Kirchenorgel. So begann die Liaison. Das Konzert war ein Riesenerfolg, ich hatte viel Spaß und dann habe ich immer weiter gemacht, weil es auch eine ganz andere Herausforderung als die Hammond-Orgel ist.

Was ist der Unterschied zwischen der Hammond und der Kirchenorgel?

Einen Unterschied allein ist es nicht, es gibt riesige Unterschiede. Zwischen jeder einzelnen Kirchenorgel gibt es ja schon immense Unterschied – angefangen von der Größe, der Disposition – also, welche Klangfarben vorhanden sind, wie es klingt, wie alles angeordnet ist. Kein Instrument ist wie das andere.
Im Vergleich zur Hammond ist die Kirchenorgel komplett anders zu spielen. Die Hammond ist sehr direkt: man drückt eine Taste und die Reaktion ist sofort da. Bei der Kirchenorgel wird mit jedem Tastendruck ein Riesenapparat in Bewegung gesetzt. Je nach Technik ist die Reaktionszeit mal mehr, mal weniger verzögert. Und die tiefen Töne sind etwas träger, breiten sich etwas später im Raum aus als die hohen. Das muss man alles berücksichtigen – gerade beim Jazz, wo ja alles auf den Punkt sein muss.
Auch die Pedaltechnik ist völlig anders. Bei der Hammondorgel sind die Pedale viel näher zusammen, da muss man komplett umlernen.#

Bei ihrem Konzert am Sonntag um 19 Uhr in der Lutherischen Kirche spielt Barbara Dennerlein Jazz mit zum Teil klassischen Elementen. (Foto: Gregor Hohenberg)

Sie sind dafür bekannt, dass sie die Basslinie eines Jazz-Bassisten meisterhaft auf dem Orgelpedal spielen…

Meine Besonderheit ist ein gesampelter Kontrabass-Klang, den ich mit den Füßen spiele. Bei der Hammond klingt der Ton nach. Bei der Kirchenorgel gibt es diesen Nachklang nicht. Wenn man den Fuß vom Pedal nimmt, ist der Ton weg. Auch die Manuale sind bei jeder Kirchenorgel unterschiedlich.
Aber die Instrumente haben eine wesentliche Gemeinsamkeit: Die Hammond-Orgel ist ein in Handarbeit hergestelltes Instrument mit einer elektromagnetischen Tonerzeugung, die auch viele Unexaktheiten aufweist, was das Ganze so lebendig macht. Die Hammond-Orgel lebt – und das ist für mich eine Parallele zur Pfeifenorgel. Das ist auch ein Instrument, das lebt. Jede Pfeife hat ihren eigenen Klang, wird zum Großteil per Hand angefertigt und vom Orgelbauer auf den Raum eingestellt.

Ihre Stücke sind speziell für die Kirchenorgel komponiert?

Vieles habe ich speziell für die Pfeifenorgel komponiert. Ich versuche immer, das Instrument zu erfassen und seine Eigenheiten für die Musik auszunutzen – und den Klangkosmos in allen Varianten zu zeigen, den die Kirchenorgel hat.
Es gibt auch Titel, die kann ich auf beiden Instrumenten spielen, die hören sich dann aber jeweils ganz anders an.

Ihr Pedalspiel und ihre Körperarbeit bei einem Konzert live zu beobachten ist eindrucksvoll. Sie haben mal gesagt, die Kirchenorgel ist das forderndste Instrument – warum?

Man nennt die Kirchenorgel nicht umsonst „die Königin der Instrumente“ – mit ihrer immensen Klangpracht. Sie ist eines der forderndsten Instrumente, weil man jedesmal eine ganz andere Orgel vor sich hat. Auch von der Mechanik her, manche Orgeln gehen ganz schwer, manche gehen leichter. Manchmal hat man vom Klang ein Instrument, das einer Band mit 20 Musikern entspricht – und manchmal einer Band mit 100 oder 200 Musikern.
Dann spielt man nicht nur mit den Händen, wie beim Klavier, sondern auch völlig unabhängig mit dem Pedal. Man muss die Register bedienen, um die Klangfarben zu ändern. Und man arbeitet in jeder Kirche mit einer ganz anderen Akustik. Das ist die Herausforderung.

Von der Hammond zur Kirchenorgel, von Swing, Bebop, Blues, Soul, Latin, Funk bis zu klassischen Elementen. Sie haben eine ganz eigene Musiksprache entwickelt….

Ja, ich habe meinen eigenen Stil, meine eigene Spielweise entwickelt und hatte immer schon eine ganz eigene Vorstellung, wie es klingen soll. Ich wollte schon immer alle möglichen Musikrichtungen ausloten, keine Scheuklappen haben, mein Können erweitern.
Mein Konzertprogramm hat eine große Bandbreite: mal bluesig mal swingend, mal funkig. Es gibt auch komplexere Stücke, die klassische Anleihen haben, von Bach, von Erik Satie. Ich versuche damit, dem Instrument gerecht zu werden – und zu zeigen, dass man auf einer Pfeifenorgel, also auf einer Kirchen- oder Konzertorgel, auch noch etwas ganz anderes machen kann, als das, was man gemeinhin so kennt. Das ist einfach so ein faszinierendes Instrument.
Es gibt viele tolle Organisten im klassischen Bereich. Vor ihnen habe ich größten Respekt. Sie machen aber eine andere Musik. Ich komme vom Jazz und improvisiere auch, versuche das Fließende, die Leichtigkeit des Jazz einzubringen.

Was ist ihr schönster Moment bei einem Konzert?

Es gibt zwei schönste Momente: Der eine ist, wenn es fließt, wie ich gerade sagte, wenn man eintaucht in die Improvisation, in die Musik, in den Klang und merkt, dass es dem Publikum genauso geht und es mitfühlt. Das ist ein fantastischer Moment.
Und natürlich am Schluss, wenn man merkt, die Leute sind ergriffen und begeistert. Das ist toll. Dann merkt man, man hat die Menschen erreicht.

Interview: Georg Kronenberg

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Gregor Hohenberg und Georg Kronenberg | Marbuch Verlag GmbH