Die Corona-Pandemie trifft auch Musiker besonders hart: Alle Auftritte sind bis auf weiteres abgesagt, Musikunterricht war bis Anfang Mai nur noch virtuell möglich. So müssen viele Musiker im heimischen Raum derzeit mit dem Schlimmsten rechnen. Viele von ihnen haben sich über lange Jahre hinweg eine Existenz als Freiberufler oder Soloselbständige aufgebaut. Sie sind Profi­musiker, Komponisten,Musikproduzenten oder haben sich ein Tonstudio aufgebaut. “Und doch reichen die Rücklagen in vielen Fällen nur für wenige Wochen”, weiß der Lollarer Musiker und Komponist Peter Herrmann.Gleichzeitig wachse bei vielen die Sorge, dass die Arbeitsbedingungen sich nach Corona verschlechtern könnten, unterstreicht er. Denn auch die Konzertveranstalter und Clubs kämpfen ums Überleben. Da bleibt nicht mehr viel Luft für an­ge­messene Gagen, wenn die Clubs irgendwann wieder öffnen können.

Um der Krise kreativ zu begegnen kam Peter Herrmann auf eine gute Idee: Er hat ein Internetportal zur Unter­stützung von heimischen Künstlern eingerichtet. Unter “plattenladen-giessen.de” werden ausschließlich CDs von Künstlern aus der Region Gießen, Marburg und Wetzlar angeboten. Wer die Musiker unter­stützen will, kann dort Alben für je 15,- Euro kaufen. Im Angebot ist aber auch ein Überraschungspaket: eine Box mit 10 CDs für 100,- Euro. Peter Herrmann: “Damit hilft man den Kreativen aus der Region – und vielleicht entdeckt der ein- oder andere dabei auch eine musikalische Perle, die er bis jetzt noch nicht kannte.”

Spenden & Neues entdecken

Peter Herrmann über das Hilfsprojekt

Express: Wie bist du auf die Idee für die Aktion gekommen?

Peter Herrmann: Eigentlich war es die Idee meiner Frau Jacqueline. Die hatte gerade in nur vier Tagen einen Online-Shop für ihren Stoffladen “Hilde braucht Stoff” gebaut. Auch sie ist auf die Einnahmen aus dem Laden angewiesen und hat derzeit kein Einkommen. Ein paar Tage später hat sie mich mit einem Früh­stück und der Idee für den virtuellen Plattenladen geweckt.

Ist die Plattform offen für alle Bands?

Stilistisch gibt es keine Vorgabe. Wichtig war mir aber, dass das Portal zunächst mal dazu dient, dass Leute, die von der Musik leben müssen, dort ihre Werke anbieten können.

Ist das ein dauerhaftes Projekt?

Nein, weil ja kaum noch jemand CDs kauft. Der CD-Kauf ist eine Spenden­aktion, bei der man einen Gegenwert bekommt. Und weil man dadurch viel­leicht mal wieder etwas in den CD-Player einlegt und auf diese Weise wirklich Neues entdecken kann und nicht nur den gesponserten Spotify-Empfehlungen folgt.

Vielleicht bekommen viele Menschen dann auch große Lust, wieder mal ein kleines Live-Konzert in der Stadt zu besuchen. Das ist nämlich spannender, als zu großen Megastar-Events zu gehen.

Hier spielt die Musik

Die Künstler im Plattenladen

Alben von über 40 Bands sind inzwischen in dem Online-Plattenladen. Ein Neu­zugang ist der gelungene Marburg-Sampler “Frisch gepresst” mit Musik von Moglo, Bloody Merry, Yerba Colora, Carsten Beckmann, Tonic Water und vielen mehr.

Denn, auch wenn sich die Palette in dem Online-Plattenladen auf die Werke lokaler Künstler beschränkt, geht es hier keineswegs provinziell zu. Alle Produktionen sind auf hohem künstlerischen und technischem Niveau. Da ist zum Beispiel die Band Lasso. Ein Projekt von Christof Jilo (Übermut), der derzeit an einem Musical mit Chris de Burgh arbeitet. Dann die Kalahari Roses, die Peter Herrmann mit südafrikanischen Musikern (u.a. Rose Steinhoff, die nun in Marburg lebt) und vielen heimischen Kollegen produziert hat. Am aktuellen Werk “Samis Welt” sind unter anderem “Harry Potter”-Sprecher Rufus Beck, aber auch Cynthias Nickschass, Tom Liwa und der Juli-Drummer Marcel Römer beteiligt.

Der renommierte Gitarrist Lulo Reinhard ist als Gast bei der Band Twanx und als Duopartner von Gerd Stein beim Kirchberg-Konzert zu hören. Aber auch viele andere heimische Bands sind neue, interessante Wege gegangen. Da sind Poco Piu, die mit Harfe und Percussion wunderbare Klänge produzieren. Tess Wiley ist dabei, die in Gießen lebende amerikanische Sängerin mit der un­ver­wechselbaren Stimme.

Mark Gillespie, der inzwischen in Aachen lebt und immer noch unzählige Fans in Mittelhessen hat, oder der in Marburg lebende Brasilianer Dago Schelin, der auf seiner CD “Rosas Heft” deutsche Volkslieder mit brasilianischen Klängen verziert.

Captain Overdrive, die “funkiest Rockband des Kontinents” um den Posau­nis­ten Andreas Jamin ist mit drei CDs vertreten. Kassadondo, Domou Afrika und Fallou Sys Band Afro Kunda, sind dabei, die alle schon beim Stadtfest “3 Tage Marburg” die Fans afrikanischer Musik zum Abtanzen gebracht haben.

Small Easy verbreiten das Flair der Musikmetropole New Orleans Flair. “Auch eine italienische Reise” ist eine ältere Gemeinschaftsproduktion Gießener Künstler aus diversen Sparten: mit Peter Schomber, Knut Eisold, Manuela Weichenrieder, Genaro Aprea, Joe Bonica, Thomas Lange und anderen.

Ruhrpottdichter Werner Muths Ode an seine Lieblingsstadt Lollar ist im Pro­gramm, ebenso wie die irisch-deutsche Band Celtic Fusion, ebenfalls von “3 Tage Marburg” bestens bekannt. Das neue Album von Musikerin Al Stone, das eigentlich dieser tage live präsentiert werden sollte, kann im Online-Platten­laden erworben werden. Auch die Arbeiten von Mala Isbuschka (World), Alles von Ed (Rock), The Call (Blues), Roberto Bates (Dance) sind im Programm. Aus Wetzlar sind neu dabei Michael Diehl, Nora Schmidt,Funkapuss und die Red Bananas Blues Band, die auch schon bei “3 Tage Marburg” zu hören war.

Kontakt: www.plattenladen-giessen.de Wer nicht online bestellen möchte, kann sich auch bei Peter Herrmann Kirchberg 2, 35457 Lollar, E-Mail plattenladen-giessen[at]web.de, Telefon 0151/40433879 melden. Wer mit seiner Band noch in den Online-Plattenladen aufgenommen werden möchte, kann sich hier ebenfalls melden.

kro/pe

Bild mit freundlicher Genehmigung von Peter Herrmann