Hessen macht sich locker: Die Landesregierung hat zahlreiche Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie zurückgenommen. So können etwa Theater, Museen und Kinos theoretisch seit Samstag wieder öffnen.

Kulturliebhaber müssen aber trotzdem wohl noch eine Weile warten, bis in vielen Häusern der Kulturbetrieb wieder starten kann. Der Grund sind die nur mit großem Aufwand umzusetzenden Corona-Abstandsregeln. Wie schwierig es ist, diesen Vorgaben gerecht zu werden, berichtet Marburgs Kinochefin Marion Closmann im Express-Interview.

Express: Hat es dich sehr überrascht, dass die Öffnung der Kinos in Hessen so schnell wieder erlaubt wurde?

Marion Closmann: Dass es vergangene Woche ganz plötzlich hieß, “ihr könnt übermorgen wieder aufmachen”, das hat mich schon total überrascht.

Ich hätte erwartet, dass es einen Vorlauf gibt, dass man etwa sagt, “in zwei Wochen dürft ihr wieder öffnen”. Unser Branchenverband ist ja auch eng mit der Politik wegen der aktuellen Situation im Gespräch. Da gab es keine Hinweise, dass Hessen so schnell wieder aufmacht.

Express: Aber das ist doch prima, dass ihr sofort wieder starten könnt – oder?

Marion Closmann: Das Problem ist: so einfach können wir überhaupt nicht starten, wegen der strengen Hygiene-Regeln. Fünf Quadratmeter für einen sitzenden und zehn Quadratmeter für einen laufenden oder stehenden Men­schen freizuhalten, das ist logistisch in einem Kino sehr schwer um­zu­setzen.

Ein großes Problem ist etwa, wenn die Gäste in den Kinosälen in den Sitzreihen nicht aneinander vorbei können. Dann kann man pro Sitzreihe nur zwei Be­sucher­gruppen hinsetzen, wenn man nur links und rechts neben den Sitzreihen Gänge hat. Im Kino 4 hätten wir dann voraussichtlich maximal 40 bis 50 Gäste. Mit so einer Auslastung ist der Betrieb des Kinos wirtschaftlich nicht machbar. Und da sind wir bei der entscheidenden Frage: Wie läßt sich unter den Hygiene­vorgaben ein wirtschaftlicher Kinobetrieb einrichten?

Express: Das heißt, es wird noch dauern, bis Kinos wieder öffnen können?

Marion Closmann: Ja. Da gibt es viel zu bedenken. Wir müssen zum Beispiel an der Kino-Eingangstür jemanden hinstellen, der den Zugang zum Foyer regelt. Wir müssen jemanden vor jeden Toilettenraum stellen, der aufpasst, dass nicht mehr als die für die Raumgröße erlaubte Menge an Personen gleichzeitig dort drinnen ist.

Plexiglaswände für die Kassen, Spender für die Desinfektionsmittel, die überall aufgestellt werden müssen, sind bestellt. Da warten wir gerade auf die Lie­fer­ungen, die Mitte Mai eintreffen sollen. Und wir sind natürlich dabei, ein Konzept zu erstellen, wie ein vernünftiger Kinobetrieb in der aktuellen Situation ins Lau­fen gebracht werden kann, wie viel Personal wir extra brauchen, wegen der Vor­ga­ben – und wie sich das Ganze finanziell tragen lässt.

Express: Es gibt aber noch ein anderes Problem: Die Filmverleiher haben die Filmstarts wegen der Pandemie verschoben …

Marion Closmann: Wir schätzen, dass es erst, wenn 70 bis 80 Prozent der Kinos in Deutschland wieder geöffnet haben, wieder Filmstarts gibt.

Momentan ist für Mitte Juni der Start des Films “Undine”, der auch im Programm der Berlinale war, geplant. Wenn dann 70 bis 80 Prozent der Kinos wieder offen sind, wird der Film wahrscheinlich anlaufen. Sonst wird er höchstwahrscheinlich auch zurückgestellt. “Undine” ist ein Film für das Arthouse-Kino. Große Holly­wood-Blockbuster kommen nach aktuellem Stand frühestens Mitte Juli wieder in die Kinos.

Express: Was bedeutet eine Wiedereröffnung von Cineplex und Capitol für das so gut gestartete Marburger Autokino?

Marion Closmann: Das Autokino ist sensationell angelaufen. Ich habe auch das Gefühl, dass Autokinos in der nächsten Zeit noch im Trend bleiben werden und generell eine Berechtigung haben. Weil viele Menschen wegen Corona nach wie vor vorsichtig bleiben werden, ist das Autokino eine sehr gute Lösung, unter den jetzigen Abstands- und Hygienebedingungen, Filme gemeinsam mit den Lieben zu erleben.

Express: Wann ist realistisch mit der Wiedereröffnung der Marburger Kinos zu rechnen?

Marion Closmann: Durch die geschilderten Probleme sicher nicht den nächsten Tagen. Die großen Bundesländer, Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen orientieren sich alle Richtung Ende Mai. Das heißt, es wird wahr­schein­lich auch bei uns Ende Mai / Anfang Juni werden, bis im Cineplex und im Capitol wieder Filme laufen.

Interview: Georg Kronenberg

Bild mit freundlicher Genehmigung von Depro