Der Marburger Kamerapreis geht in diesem Jahr an Caroline Champetier. Die Jury rühmte die Französin als eine der vielseitigsten Kamerafrauen Europas. Bekannt ist Champetier für das Drama „Hannah Arendt“.

Champetier präge das europäische und spiezell das französische Kino seit Jahrzehnten wie kaum eine andere Bildgestalterin, so die Jury des Marburger Kamerapreises. Während ihrer Karriere, die bereits seit mehr als 40 Jahren andauert, drehte Champetiere gemeinsam mit Regiegrößen wie Jean-Luc Godard, Jacques Rivette und François Truffaut. Zu ihren jüngeren Arbeiten gehören unter anderem das Musical „Anette“ von Leo Carax, die Dokumentation „Une famille“ von Christine Angot oder Anne Fontaines Drama „Agnus Dei – Die Unschuldigen“. Champetier schlage so eine Brücke zwischen Regisseuren der französischen Nouvelle Vague und einer neuen Generation von jungen, insbesondere weiblichen Filmschaffenden, urteilte die Jury.
Insgesamt hat die Französin an mehr als 140 Spielfilmen und Dokumentationen mitgewirkt. Das zeuge nicht nur von einer „enormen Produktivität“, sondern auch von großer Vielfalt, erläutert der Medienwissenschaftler Malte Hagener aus der Jury. Selbst erklärt die Preisträgerin: „Die Regisseure, mit denen ich arbeite, gehören ganz unterschiedlichen Generationen an“. Gemein sei jedoch allen, dass sie Autoren sind. „Das ist sozusagen meine Nische.“

Handwerklich schöpft Champetier der Jury zufolge die gesamte Bandbreite an bildgestalterischen Möglichkeiten aus. Behutsame Kameraschwenks und Parallelfahrten aus sicherer Distanz beherrsche die Kamerafrau genauso wie den schnellen Wechsel zur Handkamera. Zudem lobt die Jury Champetiers Gespür für soziale Themen – denn viele ihrer Arbeiten könnten auch als Milieustudien verstanden werden. In ihrer Laufbahn habe sich Champetier „sich stets eine humanistische Haltung bewahrt, die sich in der Auswahl der Projekte ebenso zeigt wie in der ästhetischen Gestaltung“, so Hagener.

Champetiers Karriere beginnt als Assitentin von Kameramann William Claude, in dessen Team sie 1985 an Claude Lanzmanns „Shoa“ arbeitet. 1987 dreht sie erstmals mit Jean-Luc Godard. Von ihm habe sie das Sehen gelernt: „Er hat mir beigebracht, dass ein Bild nicht nur etwas ist, das ich auf eine Leinwand projiziere, sondern auch etwas, das ich empfange: ein bestimmter Zustand des Lichts, eine Landschaft, ein Raum, von denen ich ausgehe und dann entscheide, ob ich Licht hinzufüge oder etwas nicht ausleuchte.“ In der Vergangenheit wurde Champetiere bereits zwei mal mit der französischen Auszeichnung Prix Lumière gewürdigt. 2011 erhielt sie einen César in der Kategorie „Beste Kamera“; bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin wurde ihr 2023 die „Berlinale Kamera“ verliehen.

LB

Bild mit freundlicher Genehmigung von Caroline Dubois