Meeresbiologe Robert Marc Lehmann zu Besuch bei den Lahntauchern.

Seit der Gründung der Lahntaucher vor drei Jahren in Marburg haben sie mehr als zehn Tonnen Müll aus der Lahn geborgen. Bei ihrer jüngsten Aktion hatten sie prominenten Besuch: den Meeresbiologen und Fotografen Robert Marc Lehmann.
Überall rottet Müll – Lehmann und die anderen Lahntaucher in triefenden Neoprenanzügen wuchten – rostende Poller, Bierdosen, Fahrräder und Metallgitter aus dem braunen Gewässer. Es ist 30 Grad heiß. Der wachsende Müllberg neben der Abendroth-Brücke ist mit weiß-rotem Band abgesperrt. Dahinter stehen Kinder, Jugendliche, Eltern und Studierende. Um die Menschenmassen herum sind Kunstprojekte und vier Info-Stände aufgebaut. So werden die „kuriosesten Funde“ der Lahntaucher ausgestellt, darunter eine Parkuhr aus D-Mark-Zeiten, Handys, Baustellenschilder und eine circa 500 Jahre alte Spitze einer Langwaffe.

Lehmann steht im schlammbedeckten Neoprenanzug hinter der Absperrung neben dem Müllberg. Um seinen Hals hängt eine tropfende, schwarze Taucherbrille. In der Hand hält er eine „Capri Sonne“, die er soeben aus der Lahn gefischt hat: „Bis zum 31.7.2027 ist die noch haltbar, falls jemand möchte.“
Robert Marc Lehmann ist in der Szene berühmt. Der vielfach ausgezeichnete Meeresbiologe, Fotograf und Kameramann engagiert sich für den Umweltschutz und gegen die Tierhaltung in Aquarien und Zoos. Auf Youtube und Instagram setzt er sich für sein Anliegen ein. Manche der Kinder und Studierenden hinter der rot-weißen Absperrung halten seinen 246-Seiten-dicken Bildband „Mission Erde“ in den Händen und einige von ihnen werden diesen im Laufe des Tages von Lehmann signieren lassen.

Die Lahntaucher gehörten vor eineinhalb Jahren zu den Gewinnern seiner Initiative „Padawan“, für die haben Umweltschützer konkrete Projekte einreichten. Den zehn Gewinnern hilft Lehmann nun mit seiner Expertise, seinen Kontakten und Geld. Die Lahntaucher wollten mit ihrem Projekt den Fluss in sechs größeren Städten reinigen – darunter Gießen, Wetzlar und Limburg. Dabei haben sie sich„auf die Stellen fokussiert, an denen am meisten Müll ist, und das ist natürlich unter den Brücken“, erzählt Petra Hoffmann, die seit 2021 Teil der Lahntauchercommunity ist: „Richtig krass war das in Wetzlar. Innerhalb von zwei Stunden haben wir 430 Kilo unter einer alten Brücke hochgeholt.“ Heute, eineinhalb Jahre später, leiht Lehmann den Lahntauchern seine Social-Media-Reichweite: „Reichweite hat auch viel mit Spenden zu tun und darüber finanzieren wir uns. Lehmann hat gestern eine Story gemacht, und den Standort markiert, an dem er heute um wie viel Uhr sein wird“, sagt Hoffmann. Sie ist für die Koordination des Events und Social-Media zuständig.
416.000 Follower hat Lehmann auf Instagram. Das Profil des Meeresbiologen mit der beigen Baseballcap ist gefüllt mit Bildern von Affen, Walen und Pinguinen. „Ich finde es wichtig, dass wir nicht nur weltweit und global versuchen, Müll einzudämmen, sondern auch bei uns vor der Haustür“, sagt der 40-Jährige. Die Lahn nennt er „beschissen“, weil sie eine „superschlechte Sichtweite“ hat und „voller Müll“ ist, der auch gefährlich sein kann.

Für die Lahntaucher ist die Sicht im grün-braunen Flusswasser stark eingeschränkt – das kann zum Risiko werden.

Auch deswegen haben die Lahntaucher ein strenges Sicherheitskonzept, sagt Petra Hoffmann. Die Lahn könne bis zu sechs Meter tief sein und wenn Baustellenfüße mit an die Oberfläche gebracht werden müssten, bedeute das 35 Kilogramm Mehrgewicht: „Das ist körperlich so anstrengend wie auf dem Bau arbeiten“. Die Tauchgänge können „lebensgefährlich“ sein, sagt sie. Lehmann drückt es noch drastischer aus: „Als Anfänger bitte ich euch, liebe Leute da draußen, macht es nicht nach, weil ihr sterben werdet. Punkt.“ Teilweise sehe man „Null“ und es seien Stahlkabel unter Wasser gespannt: „Man kann sich verhaken, man kann sich festklemmen.“

Hoffmann erklärt: „Wir fänden es gut, wenn die Stadt diese Arbeit selber machen würde. Nicht nur in Marburg, sondern in jeder Stadt.“ Die Lahn sei durch die ehrenamtliche Arbeit ja noch nicht komplett sauber. Jedes Wochenende holt die Truppe neuen Unrat ans Tageslicht, sagt die 27-Jährige: „Wenn da ein Motorrad liegt, kann Öl auslaufen. Das ist superschlecht für die Umwelt.“ Wenn die Lahntaucher nicht mehr tauchen, würde der Müll „einfach da rumliegen, Ewigkeiten“, so Hoffmann.
Es gäbe jedoch auch ein Aufklärungsproblem. Petra Hoffmann ist davon überzeugt, dass Jugendliche keine Baustellenteile mehr in die Lahn werfen würden, wenn sie wüssten, was das im Ökosystem alles anrichtet. Viele, die Elektroschrott in die Lahn schmeißen würden, würden wahrscheinlich nicht wissen, dass man diesen auch abholen lassen kann, vermutet die 27-Jährige. Stattdessen würden die Leute ihre Waschmaschine zur Lahn schleppen und reinwerfen – „Wenn man weiß, dass der Müll abgeholt wird, dann macht man es nicht mehr“, sagt Hoffmann.

Petra Hoffmann hat das Event an der Lahn organisiert, zu dem auch eine Kunstaktion gehört.

Die Verschmutzung sei jedoch kein Marburg-spezifisches Problem, sagt Lehmann. Viele Flüsse in Deutschland haben große Probleme: Wasserqualität, Chemikalien, Müll – as you can see“, er zeigt auf die Flaschen, Kabel, rostenden Fahrräder, Poller und Bierdosen. Der Unrat-Haufen am Ufer wird immer höher. Lehmann ist froh, dass es die Lahntaucher gibt: „Ich wünschte, es würde auch die Saale-, Alster-, Rhein- und Elbe-Taucher geben.“

Leonie Theiding

Bild mit freundlicher Genehmigung von Leonie Theiding