Wie eine Satzung im Vorwahlkampf zum Aufregerthema mutiert.
Der neueste Zankapfel Marburgs hat einen sperrigen Namen: Freiflächengestaltungssatzung.
Und zugleich ist er ein Beispiel dafür, wie ein Vorhaben zur Klimaanpassung in Wahlkampfzeiten so lange gedehnt und verzerrt wird, bis daraus ein neues Aufregerthema wird.
„Wir wollten etwas gegen die Schottergärten unternehmen“, erklärt der zuständige Dezernent Michael Kopatz (Klimaliste). Auch der Naturschutzbeirat und die Untere Naturschutzbehörde hätten dies angeregt. Der städtische Fachdienst orientierte sich bei der Formulierung an der „Freiraumsatzung“ der Stadt Frankfurt, die dort seit 2023 gilt. Um die Bürger mitzunehmen, ging der Entwurf an die Ortsbeiräte. „Ich verstehe die Aufregung nicht“, sagt Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD). Zunächst würden die Rückmeldungen ausgewertet – entschieden sei bislang nichts.
Doch die erste Fassung gelangte teilweise an die Öffentlichkeit und löste in Lokalmedien und sozialen Netzwerken empörte Kommentare aus. Kaum beachtet wurde dabei laut Kopatz, dass die Regeln nur für genehmigungspflichtige Neu- und Umbauten gelten sollten. Stattdessen entstand der Eindruck, jeder Vorgarten müsse künftig nach städtischen Vorgaben umgestaltet werden.

Die geplante Freiflächengestaltungssatzung soll solche Schottergärten verhindern.
Vorwürfe, Wahlkampf und eine Debatte mit viel Vergangenheit
Die CDU warf SPD und Klimaliste rasch „autoritäre Züge“ vor und warnte, man treibe Menschen in die Arme populistischer Parteien. CDU-Vorsitzender Dirk Bamberger behauptete zudem, dieselbe Stadtregierung habe den Vorplatz des Erwin-Piscator-Hauses „zur Betonwüste“ gemacht und der Ketzerbach „die großen Bäume genommen“.
Tatsächlich stammen Teile dieser Planungen aus weit früheren Amtszeiten: Das Wasserband in der Ketzerbach wurde bereits unter dem CDU-Oberbürgermeister Dietrich Möller vorbereitet und 2006 unter SPD und Grünen umgesetzt. Auch das Erwin-Piscator-Haus wurde noch unter Egon Vaupel (SPD) geplant – eröffnet wurde es später lediglich unter Spies.
Auch die Marburger Grünen zeigen sich zurückhaltend: „Ökologische Verantwortung braucht Augenmaß und praxistaugliche Lösungen, keine zusätzliche Bürokratie“, sagt Fraktionschef Maximilian Walz. Wenn die Satzung sich klar auf den genehmigungspflichtigen Bereich beschränke, könne man sie aber durchaus beschließen.
Ein Blick nach Frankfurt zeigt, dass das Konzept funktionieren kann: Dort wurde die Freiraumsatzung 2023 von Grünen, SPD, FDP und Volt beschlossen und später weitgehend akzeptiert. Anfängliche Kritik von Eigentümerverbänden legte sich – und die Bauaufsicht berichtet inzwischen über breite Unterstützung bei Architekt*innen angesichts des Klimawandels.
Gec

