Im Marburger Stadtparlament gibt es in Zukunft zwei linke Fraktionen: Die drei Stadtverordneten Renate Bastian, Jan Schalauske und Miguel Sánchez Arvelo planen, eine neue Fraktion mit dem Namen “Die Linke” zu gründen. Unterstützt werden sie dabei vom Kreisverband, der dem Vorhaben am vergangenen Donnerstag (15. Februar) bei einer Mitgliederversammlung zugestimmt hat. Die ursprünglichen Fraktion wird sich weiterhin “Marburger Linke” nennen und sich aus den Stadtverordneten Tanja Bauder-Wöhr, Anja Meier-Lercher, Inge Sturm und Roland Böhm zusammensetzen.

Hintergrund sind „dauerhaft schwere Konflikte“, die die Arbeit der Fraktion bereits seit Jahren prägen. Das schreiben Bastian, Schalauske und Sánchez Arvelo in einer gemeinsam Presseerklärung mit dem Kreisvorstand. “Eine vertrauensvolle und produktive Fraktionsarbeit” sei in der Marburger Linken aktuell nicht möglich. Aus ihrer Sicht beginnen die Konflikte Ende 2021. Zu diesem Zeitpunkt ist die Marburger Linke noch Teil der Koalition mit Grünen, SPD und Klimaliste und steht vor der Frage, ob sie dem städtischen Haushaltsplan für das Jahr 2022 zustimmt. Der Entwurf sieht vor, dass der Hebesatz für die Gewerbesteuer künftig gesenkt wird. Dieses Vorhaben lehnt die gesamte Fraktion strikt ab. Zugleich beinhaltet der Haushaltsplan auch Ideen der Marburger Linken – etwa den Nulltarif in Stadtbussen für Stadtpassinhaber*innen.
Bastian, Schalauske und Sánchez Arvelo plädieren aus diesem Grund dafür, dass sich die Marburger Linke geschlossen zum Haushaltsplan enthält – dennoch stimmen einige Fraktionsmitglieder dagegen. Wie die drei Stadtverordneten jetzt erklären, hätten diese damals im Alleingang gehandelt: „Trotz vieler Gespräche zeigte eine Minderheit der Fraktion keine Bereitschaft zu Kompromissen und entschloss sich eigenmächtig für ein Nein“, heißt es in der Presseerklärung. Der Hebesatz für die Gewerbesteuer wird trotzdem gesenkt – allerdings tritt die Marburger Linke in Folge aus der Koalition aus.

Seitdem hätten sich die internen Konflikte in der Fraktion weiter zugespitzt. So beklagen Bastian, Schalauske und Sánchez Arvelo, dass sie ihre Positionen nicht mehr gleichrangig gegenüber ihren Fraktionskolleg*innen vertreten könnten. Diesen Vorwurf richten sie ausdrücklich an die Fraktionsvorsitzende Tanja Bauder-Wöhr und ihre Stellvertreterin Anja Meier-Lercher. Seitdem die beiden in ihr Amt gewählt wurden, habe sich der Umgang in der Fraktion „verschärft“.

Bauder-Wöhr hingegen weist die Kritik entschieden zurück. Die geschilderten Auseinandersetzungen in der Fraktion entsprächen nicht ihrer Wahrnehmung. So berichtet die Fraktionsvorsitzende, dass die Marburger Linke bereits nach dem Koalitionsaustritt damit begonnen habe, ihre Konflikte beizulegen. Unter anderem habe es mehrere Sitzungen mit einer Mediatorin gegeben, an der durchgängig fünf der sieben Fraktionsmitglieder teilnahmen. Trotz unterschiedlicher Positionen habe die Marburger Linke auch in den vergangenen Jahren konstruktiv zusammengearbeitet – beispielsweise beim Ausbau der Schuldnerberatung oder bei der Unterstützung des Tierheims in Cappel.
Die Vorwürfe hält Bauder-Wöhr deswegen für „konstruiert“. Sie vermutet, dass die wahren Gründe für die Trennung beim Richtungsstreit der Linkspartei auf der Bundesebene liegen. Zudem ist Bauder-Wöhr zuversichtlich, dass es bald wieder eine geeinte Fraktion gegeben wird: „Unsere Türen sind auch zukünftig für alle offen.“

Lars Bieker

Bild mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg