Offener Brief: Initiative zur Schloss-Sanierung und -Entwicklung.

Es ist Marburgs Wahrzeichen Nummer eins: das Marburger Landgrafenschloss. Doch so schön das meistfotografierte Motiv unserer an Sehenswürdigkeiten reichen Lahnstadt auch anzuschauen ist, blickt man genauer hin, liegt hier einiges im Argen: „Der Wilhelmsbau mit dem Kulturhistorischen Museum: nicht barrierefrei. Das Dach: sanierungsbedürftig. Der eindrucksvolle Gewölbekeller mit dem 96 Meter tiefen Brunnen: kaum zugänglich. Ein repräsentativer Eingang: Fehlanzeige. Der Kleine Rittersaal: geschlossen. Die Rentkammer unter dem Renaissance-Giebel: eine Baustelle, für die bei der letzten Sanierung Anfang der 80er-Jahre kein Geld mehr da war.“ 

All diese nicht geraden kleinen Kritikpunkte zählt ein Offener Brief von mehr als 20 prominenten Marburgern um Ex-Kulturamtsleiter Richard Laufner auf. Und die lange Mängelliste ist erst der Anfang: „Zum Start ins Jubiläumsjahr 2022 ist das Kulturhistorische Museum im Wilhelmsbau aus Brandschutzgründen geschlossen worden. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht”, sagt Richard Laufner. Exakt zum 800. Geburtstag der Stadt Marburg sei das Schloss als Marburger Höhepunkt an seinem Tiefpunkt angekommen. 

Ein nicht hinzunehmender Zustand für die Unterzeicherinnen und Unterzeichner des Offenen Briefs, von denen zahlreiche aktive oder ehemalige Führungskräfte von unterschiedlichsten Marburger Institutionen sind. Die ehemaligen Marburger Bauamtsleiter Elmar Brohl und Jürgen Rausch gehören genauso zu den Erstunterzeichnern wie Karin und Peter Ahrens vom gleichnamigen Kaufhaus, Kinochefin Marion Closmann, Prof. Andreas Hedwig vom Hessischen Landesarchiv, Gästeführer-Sprecher Ulrich Andersch oder der Marburger Kardiologe Prof. Bernhard Maisch. 

Gemeinsam fordern sie, dass das Marburger Jubiläumsjahr 2022 zum Ausgangspunkt für eine Entwicklung des Schlosses zu einem attraktiven Geschichts- und Erinnerungsort genommen werden soll. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass Marburg und Mittelhessen im Vergleich zu Südhessen und Nordhessen mit etwa der hochgeförderten Museumslandschaft in Kassel in der Museumspolitik des Landes Hessen „ein Schattendasein“ friste, geht der Aufruf an die Landesregierung: Das Land Hessen solle sich stärker für die Entwicklung des Landgrafenschlosses engagieren und endlich initiativ werden. 

Eigentümerin und Betreiberin des Landgrafenschlosses ist nämlich nicht die Stadt Marburg, sondern die Philipps-Universität, – was bedeutet dass letztlich das Land Hessen für den Zustand des Schlosses verantwortlich ist. Denn das Land finanziert den Unibetrieb und so auch als sogenannten „Sondertatbestand“ den Unterhalt des Schlosses. 

„Die Universität unterhält das Landgrafenschloss, das als Wahrzeichen der Stadt Marburg und Wiege Hessens große Bedeutung für das Land und die Region hat. Ihr Auftrag als Universität liegt aber in Forschung und Lehre“, sagt Unipräsident Thomas Nauss. Deshalb lasse sich das Schloss nicht losgelöst von einem Gesamtkonzept für die Museen und Sammlungen der Universität verstehen. An solch einem Konzept arbeite die Hochschule bereits seit geraumer Zeit. 

Das ändert freilich nichts an dem grundlegenden Problem, dass der teure und aufwändige Unterhalt von Marburgs Wahrzeichen weit entfernt von den eigentlichen Aufgaben einer Hochschule ist. Für eine zeitgemäße Entwicklung von Museen und Sammlungen brauche die Universität neue Partnerschaften, sagt denn auch Unipräsident Nauss: „Denn die damit verbundenen, zweifellos schönen Aufgaben liegen außerhalb des Kernfeldes universitärer Arbeit, und es ist leider bereits aktuell so, dass die Universität weder über ausreichend finanzielle Mittel zum Unterhalt der historischen Gebäude verfügt noch für den Betrieb zeitgemäßer Museen, welche ihre Potenziale voll entfalten.“

Der 96 Meter tiefe Schlossbrunnen im Gewölbekeller des Landgrafenschlosses. (Foto: Georg Kronenberg)

Ergo: Das Land Hessen ist finanziell bei der Sanierung und Entwicklung des Schlosses gefordert. Außerdem sollte sich die Landesregierung überlegen, ob es Sinn macht, dass sich die Hochschule um den Unterhalt eines Schlosses kümmern muss. Immerhin muss sich die Gebäudeverwaltung der Marburger Uni auch ohne Schloss schon um viele historische Lerngebäude in der Altstadt kümmern, die teuer im Unterhalt sind. 

Da wäre es vielleicht sinnvoller, wenn das Landgrafenschloss der Landesbehörde „Staatliche Schlösser und Gärten Hessen“ zugeordnet wird, die fast 50 historische Anlagen im gesamten Bundesland betreut- darunter Schlösser, Burgen, Klöster, Gärten und Parks.

2027 steht das 500-jährige Jubiläum der Philipps-Universität an. Bis dahin sollte eine verbindliche Agenda für die Entwicklung des Schlosses feststehen, wünschen sich die Unterzeichner des Offenen Briefs.

Eine Bewegung gibt es vom Land bereits: Hessens Wissenschaftsministerin Angela Dorn hat angekündigt, dass das Ministerium daran arbeite, im Doppelhaushalt 2023/24 zusätzliche Gelder für die Dachsanierungen am Schloss bereitzustellen zu können.

kro

Bild mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg