In Marburg sollen die Bürger*innen am 9. Juni 2024 über das VerkehrskonzeptMove 35 abstimmen – das schlägt Oberbürgermeister Thomas Spies vor. Spies empfiehlt zudem, dass die Bürger*innen dann über die gleiche Frage entscheiden wie die Stadtverordneten fast ein Jahr zuvor. Grob zusammengefasst: Soll die Mobilität in Marburg mit dem Gesamtkonzept Move 35 weiterentwickelt werden oder nicht? Ob es zum Bürgerentscheid kommt, liegt nun in der Hand der Politik. 

Mit Leidenschaft hat die Stadtgesellschaft in den vergangenen Monaten das Mobilitätskonzept MoVe 35 diskutiert.  Die zunehmende Heftigkeit gipfelte schließlich, als ein Bürgerbegehren wegen juristischer Mängel abgelehnt werden musste. „Die Diskussionskultur hat immer stärker gelitten, mit immer wieder jedes angemessene Maß überschreitenden öffentlichen Äußerungen von Einzelpersonen. Dadurch wurde eine Spaltung der Stadtgesellschaft eskaliert. Zudem wurden auch gegenüber den Beschäftigten der Verwaltung inakzeptable Drohungen und Unterstellungen geäußert, die nicht hingenommen werden können“, so OB Spies. Zum Schutz des Stadtfriedens und der Beschäftigten schlägt er dem Parlament daher vor, die Bürger*innen stellvertretend für die Stadtverordneten über Move 35 entscheiden zu lassen. „Der Zusammenhalt der Stadt muss ein zentrales Ziel von Kommunalpolitik sein. In dieser Situation kann dieses Ziel meines Erachtens am besten durch eine abschließende Entscheidung der Bürger*innen selbst gesichert werden. So erhalten wir alle Klarheit“, betont das Stadtoberhaupt.

Dazu hat OB Spies den Stadtverordneten das Vertreterbegehren vorgeschlagen. Nun legt er ihnen die Frage für die Abstimmung vor, die nahezu wörtlich ihrem Move-35-Beschluss vom 21. Juli 2023 entspricht. Ausdrücklich ergänzt der OB die Frage um die Bürger*innenbeteiligung.
Entsprechend lautet der Vorschlag des OB für die Frage des Bürgerentscheids wie folgt: „Sind Sie dafür, dass die Stadtverwaltung die Umsetzung der im Mobilitätskonzept Move35 vorgeschlagenen Maßnahmen unter Bürger*innenbeteiligung vorbereitet und diese Maßnahmen der Stadtverordnetenversammlung zum Beschluss vorlegt?“

Aus Sicht des Magistrats kann das MoVe-Konzept nicht in Einzelteile zerlegt werden, da die einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen sich aufeinander beziehen. Aus diesem Grund sollte das Gesamtpaket der gesamtstädtischen Mobilitätsstrategie zur Abstimmung stehen – und die Bürger*innen im Prinzip über die gleiche Frage abstimmen, die im Juli 2023 in der Stadtverordnetenversammlung entschieden wurde. Die Antwort „Ja“ oder „Nein“ auf die Frage hat dann die gleichen Konsequenzen, wie ihn der Beschluss der Stadtverordneten hatte:

Bei einem „Ja“ als Ergebnis des Bürgerentscheids wird noch nicht die Umsetzung konkreter einzelner Maßnahmen beschlossen. Ein „Ja“ beauftragt die Verwaltung, die 77 vom Planungsbüro erarbeiteten Maßnahmen zunächst auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen. Die umsetzbaren Maßnahmen sollen dann unter Bürger*innenbeteiligung vorbereitet und der Stadtverordnetenversammlung zur Beschlussfassung vorgelegt werden.

Bei einem „Nein“ als Ergebnis des Bürgerentscheids wird auf eine Gesamtstrategie für die Mobilitätsentwicklung in Marburg verzichtet. Maßnahmen zur Mobilität werden dann als Einzelentscheidungen vorbereitet und nach gesetzlicher Vorgabe (z. B. Nahverkehrsplan, StVO) oder tatsächlicher Notwendigkeit (z. B. Sicherheit im Straßenverkehr, Klimawandelfolgenanpassung, Anpassung an verändertes Mobilitätsverhalten) durch die zuständigen Gremien beschlossen und gegebenenfalls umgesetzt.

„Die Formulierung stellt nach unserer Einschätzung die notwendige, handlungsleitende Klarheit für Magistrat und Verwaltung her, die ein Beschluss immer herstellen muss“, erklärt Spies. Die Frage hat das Stadtoberhaupt nun an die Stadtverordneten übergeben – verbunden mit einer Einladung zu einem gemeinsamen Treffen im Januar 2024, bei dem die gewählten Vertreter*innen der Stadt darüber diskutieren können, ob und mit welcher Frage sie gemeinsam einen Bürgerentscheid auf den Weg bringen wollen.

Dafür muss es eine fraktionsübergreifende Einigung geben, um die erforderlichen 40 Stimmen in der Stadtverordnetenversammlung zu erreichen. Eine Entscheidung der Fraktionen sollte spätestens zur Sitzung im Februar erfolgen, damit die Abstimmung über Move 35 am Tag der Europawahl stattfinden kann.

pe

Bild mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg