Das Marburger Stadtparlament hat das umstrittene Mobilitäts- und Verkehrskonzept Move 35 mit der Mehrheit von SPD, Grünen, Klimaliste und Linken beschlossen.

Das Konzept soll dabei helfen, die Universitätsstadt in den nächsten Jahren klimaneutral zu machen und möchte den Autoverkehr „möglichst halbieren“. Bislang werden 42 Prozent aller Wege in der Stadt mit dem Auto zurückgelegt. Die konservative Opposition geißelte das Konzept als „ideologischen Irrsinn“ und strebt ein Bürgerbegehren gegen Move 35 an. Es handele sich um einen „Kulturkampf gegen das Auto“, sagte der Marburger CDU-Landtagsabgeordnete Dirk Bamberger in der aufgeheizten Debatte in der Stadtverordnetenversammlung. 

Dagegen betonte der SPD-Parteivorsitzende Torsten Büchner, dass es um die Verbesserung der Lebensqualität in Marburg gehe. Dazu sind breitere Fußwege, mehr Bäume, Entlastung für viel befahrene Straßen und eine Trennung von Auto- und Radverkehr, aber auch weniger Parkplätze und Sperrungen – etwa im Schulviertel – geplant. 

Maik Schöniger von der Klimaliste warf den Konservativen vor, die Ängste der Menschen zu schüren. Dabei würden keine eigenen Antworten vorgelegt, betonte auch Lukas Ramsaier von den Grünen. Einzig der seit den 90er Jahren diskutierte Behringtunnel sei wieder auf dem Tisch. Die mehr als einen Kilometer lange Röhre durch den Wannkopf, die den Verkehr zu den Behringwerken entzerren könnte, wird im Konzept abgelehnt. Der Bau würde nicht nur Jahrzehnte dauern und viel Natur zerstören. Er würde es auch noch attraktiver machen, mit dem Auto zu fahren. 

Allerdings wird der Magistrat mit dem Beschluss zu Move 35 ohnehin nur damit beauftragt, die Verkehrs- und Mobilitätsplanung für die kommenden zwölf Jahre vorzubereiten. Die umstrittenen Vorschläge aus dem Konzept sollen der Stadtverordnetenversammlung noch einmal zur Beratung vorgelegt werden. In fünf Jahren sollen die ergriffenen Maßnahmen überprüft werden. Mit diesen Formulierungen hatte der Bauausschuss den ursprünglichen Beschlussvorschlag abgeschwächt, weil er zu dem Missverständnis geführt hatte, dass alle Vorschläge aus dem Konzept realisiert würden. Ausführlich wird noch einmal auf die umfassende Bürgerbeteiligung in den vergangenen drei Jahren hingewiesen. Unter anderem wurden rund 3700 Menschen online befragt. 

Die CDU bereitet ihr Bürgerbegehren dennoch weiter vor. Durch den umformulierten Beschluss haben sich allerdings die formalen Voraussetzungen gewandelt, sagte Dirk Bamberger, der von „juristischer Trickserei“ sprach. Andrea Suntheim-Pichler von den Bürgern für Marburg geht davon aus, dass die Beschlussvorlage verändert wurde, um ein Bürgerbegehren gegen Move 35 zu verhindern. Tatsächlich dürfte die Klimakoalition aus SPD, Grünen und Klimaliste kein Interesse an einem Bürgerbegehren haben, weil damit wohl alle Ideen aus dem Konzept – selbst politisch unumstrittene Maßnahmen – bis zum Ergebnis eines Bürgerentscheids zurückgestellt werden müssten. 

Voraussichtlich wird in Kürze mit der Unterschriftensammlung gegen Move 35 begonnen, sagte Bamberger: „Selbst wenn nur noch ein Komma dieses Konzeptes übrigbliebe, so werden Sie daraus die Sperrung des Rudolphsplatzes oder sonst einen verkehrspolitischen Wahnsinn daraus rechtfertigen“, begründete der CDU-Mann. Gleichzeitig monierte die CDU-FDP-BfM-Fraktion, dass die Klimakoalition aus SPD, Grünen und Klimaliste mit Beschimpfungen und Unterstellungen arbeite. Dies beklagte auch die Gegenseite, die falsche Darstellungen kritisierte.

leo/gec

Von Parkplätzen und Parksündern

Es war ein sehr spezieller Zwischenfall während des Sonderparteitags der CDU zu Move 35 im Bürgerhaus Wehrda: Während die Konservativen über das geplante Bürgerbegehren gegen das Verkehrskonzept diskutierten, kam ein Busfahrer in den Saal. Lautstark beschwerte er sich darüber, dass Autos rund um das Bürgerhaus derart bescheiden (und verboten) geparkt waren, dass er mit seinem Gelenkbus nicht um die Kurve fahren konnte. Obwohl er das Kennzeichen nannte, wurde der besonders störende Wagen erst umgeparkt, nachdem der Parteitag unterbrochen wurde. Und danach – so berichtet die Oberhessische Presse – betonte CDU-Mann Dirk Bamberger, dass der Auftritt zeige, dass es in Marburg viel zu wenig Parkraum gebe, der mit Move 35 auch noch zurückgebaut werden solle. Allerdings tagten die Christdemokraten im Bürgerhaus Wehrda, wo die Busse auch abends noch häufig fahren. Und Parkplätze gibt es genügend, wenn man bereit ist, einige Meter zu gehen.

gec

Bild mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg | Marbuch Verlag GmbH