Kampagne für niedrigeres Wahlmindestalter

Der Verein „Mehr Demokratie“ will gemeinsam mit dem 17-jährigen Marburger Schüler Tom Kewald das Ergebnis der Oberbürgermeisterwahl in der Universitätsstadt anfechten. Deshalb werden die jungen Leute am Donnerstag mehr als 100 Unterstützungserklärungen an den Wahlvorstand übergeben. Sie wollen damit eine Wiederholung der Stichwahl erreichen – und dann sollen auch 16- und 17-Jährige teilnehmen dürfen. Anlass ist der äußerst knappe Wahlausgang, bei dem sich Amtsinhaber Thomas Spies (SPD) nur mit 95 Stimmen vor der grünen Herausfordererin Nadine Bernshausen behaupten konnte.
Der Kläger Tom Kewald ist Schüler an der Marburger Martin-Luther-Schule und bei den jungen Liberalen aktiv. Die Initiative des Vereins „Mehr Demokratie“ ist jedoch nicht parteipolitisch motiviert, betont Landesvorstandsmitglied Nelly Langelüddecke. Sie hätten die Wahlanfechtung auch angestrebt, wenn Bernshausen die Stichwahl knapp gewonnen hätte. Es geht es ihnen darum, dass junge Menschen von der Politik häufig „übersehen“ werden. Jugendliche würden zu wenig beachtet, so Langelüddecke. Das sei angesichts von zentralen Themen wie dem Klimawandel oder dem demographischen Wandel problematisch. Dagegen seien die Älteren mit ihren Themen überrepräsentiert.
Die Marburger Politikstudentin Langelüddecke rechnet damit, dass die Wahlanfechtung zurückgewiesen wird. Dann wollen sie gemeinsam mit Tom Kewald den Klageweg beschreiten. Dabei beruft sich der Verein unter anderem auf den Staatsrechtler Prof. Hermann Heußner (Hochschule Osnabrück), der die Kommunalwahlen in Hessen wegen des Ausschlusses der 16- und 17-Jährigen für verfassungswidrig hält.
Der überparteiliche Verein, der sich für Reformen des Wahlrechts einsetzt, fordert eine Absenkung des Wahlalters. Weder das Grundgesetz noch die hessische Gemeindeordnung legten ein Wahlmindestalter von 18 Jahren auf kommunaler Ebene fest. In elf anderen Bundesländern dürfen die 16- und 17-Jährigen bereits bei Kommunalwahlen abstimmen. Dazu gehören Baden-Württemberg, Niedersachsen und Thüringen. In Hessen sind zwar SPD, Grüne und Linke für die Absenkung des Wahlalters, konnten dies aber bislang nicht durchsetzen.
Einspruch haben die Jugendlichen auch gegen die Stadtverordnetenwahl in Kassel erhoben. Dort hat das Jugendwahl-Team Kassel mehr als 200 Unterschriften gesammelt, um das Wahlergebnis anzufechten.

gec

Bild mit freundlicher Genehmigung von Patricia Grähling, Stadt Marburg