Stundenplan, Stadtrallye, Kneipenabend – klappt der Semesterstart auch mit einem Handicap? In Marburg gibt es seit rund sechs Jahren eine Ersti-Woche für Menschen mit Behinderung.

Zu Semesterstart helfen die Marburger Fachschaften neuen Studierenden traditionell mit sogenannten Orientierungseinheiten (Oe), auch Ersti-Woche genannt, beim Zurechtfinden an der Uni und in der Stadt. Diese regulären Ersti-Wochen seien aber nicht auf die Bedürfnisse von behinderten Studierenden abgestimmt, sagt Kai Kortus vom der Marburger Studierendenvertretung. Aus diesem Grund organisierte Kortus, der selber blind ist, 2017 erstmals ein Zusatzangebot zur Ersti-Woche für Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung.

Kortus vertritt seit 2013 das Autonome Referat für Studierende mit Behinderung und chronischen Erkrankungen (ABR) an der Uni Marburg. Studierenden mit Behinderung oder chronischer Erkrankung können bei dem von ihm konzipierten Unterstützungsangebot beispielsweise an einer barrierefreien Führung durch die Universitätsbibliothek und die Mensa teilnehmen. Hinzu kommen ein barrierefreier Kneipenabend, eine fachbereichsspezifische Einführung sowie eine Führung durch den Fachbereich. Letztere seien gar nicht so leicht zu organisieren, denn hierfür müsste von jedem Fachbereich eine Person gefunden werden, die diese leitet, berichtet Kortus: „Ich kenne mich zwar an vielen Fachbereichen aus, aber ich bin eigentlich aus dem Studium ein bisschen raus und muss dann teilweise Leute für Keltologie als Fachbereichsbuddy finden.“ Der 30-Jährige hat bereits in Mathe promoviert, studiert aktuell Jura.

Kai Kortus mit seiner Führhündin Dayany (Foto: Privat)

Mittlerweile wird die Zusatz-Oe von der Servicestelle für behinderte Studierende der Philipps-Universität ausgerichtet und diese kooperieren dabei mit dem ABR. Das war ein Wunsch von Kortus, damit die Zusatz-Oe auch nach seiner Studienzeit weiterhin ausgerichtet wird: „Solche Initiativen, in die man viel Arbeit steckt, sollten verstetigt werden und das geht nicht, wenn die Zusatz-Oe in einer studentische Hand liegt, unterstreicht er. „Es war mir wichtig, dass die Zuständigkeit für die Oe bei der Servicestelle für behinderte Studierende liegt, eine Institution, die es schon seit Jahrzehnten gibt und die es auch noch weiterhin geben wird, weil sie Teil der Uni-Verwaltung ist.“

Gerade in der Unistadt Marburg, in der auch die Deutsche Blindenstudienanstalt (Blista) beheimatet ist, seien die Orientierungseinheiten für Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung wichtig, sagt Kortus: „Wir haben den entsprechenden Bedarf, weil wir hier eine höhere Repräsentation von Menschen gerade mit Blindheit und Sehbehinderung in Marburg vorweisen – auch wegen der Blindenstudienanstalt – und wir können uns nicht leisten, auf Nachteilsausgleiche, barrierefreie Literatur sowie Veranstaltungen in ausreichender Form zu verzichten.“

Leonie Theiding

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