Bis in die 80er Jahre war es in der Landwirtschaft Praxis, Äcker mit Klärschlamm zu düngen. Der enthielt nicht nur Nährstoffe, sondern auch Mikroplastik.

Kunststoffpartikel verschmutzen nicht nur die Gewässer, sondern auch landwirtschaftlich genutzte Flächen – und das auf sehr lange Zeit. Das haben Geographen der Philipps-Universität Marburg herausgefunden, indem sie Ackerflächen systematisch durchsuchten.
„Die Vermüllung lässt sich mittlerweile flächendeckend nachweisen“, sagt der Marburger Geograph Collin Weber. Die Plastikteilchen, die Weber und seine Kollegen im Boden ausfindig machen konnten, lagerten seit mindestens 30 Jahren dort. Ihre Ergebnisse haben die Geographen kürzlich im Wissenschaftsmagazin „Scientific Reports“ veröffentlicht. 

Demnach stammt meiste Mikroplastik auf Ackerflächen aus der landwirtschaftlichen Praxis, die Böden mit Klärschlamm zu düngen. Der Abfall aus Kläranlagen enthält im Schnitt fast hundert Plastikteilchen pro Gramm. „Was mit den Partikeln geschieht, nachdem sie in die Agrarlandschaft gelangt sind – ob der Kunststoff abgebaut wird oder sich räumlich verteilt, blieb bisher unklar“, erklärt Koautor Peter Chifflard.

Um herauszufinden, was mit dem Kunststoff passiert, nahmen die Forscher Agrarflächen bei Rauischholzhausen in Mittelhessen unter die Lupe. Zu diesen Äckern liegen für die vergangenen Jahrzehnte detaillierte Aufzeichnungen über die Nutzung vor, weil sie zu einer Lehr- und Forschungseinheit der Universität Gießen gehören.

„Seit Mitte der 1980er Jahre wurde auf den untersuchten Flächen kein Klärschlamm mehr verwendet“, erläutert Chifflards Mitarbeiter Alexander Santowski, der dritte Mitverfasser. Wie das Team ermittelte, weist die Oberfläche auch nach 30 Jahren noch immer eine hohe Dichte von Makroplastik auf – darunter versteht man Kunststoffpartikel ab einer Größe von fünf Zentimetern. Gräbt man bis zu neunzig Zentimeter tief im Boden, so stößt man auf bis zu 56 Plastikpartikel pro Kilogramm Trockenmasse.

„Die Flächen mit direktem Klärschlammeintrag enthalten das meiste Plastik“, berichtet Weber, „rundherum findet man deutlich weniger. Durch die Bodenbearbeitung verteilen sich die Kunststoffteilchen mit der Zeit aber über die Ackerflächen, insbesondere durch das Pflügen des Oberbodens.“ Man könne nicht ausschließen, dass die Verschmutzung auch die Funktion des Ackerbodens beeinflusse, betont der Geograph. Außerdem könnte die Aufnahme von Mikroplastik über die Nahrungskette gesundheitliche Probleme hervorrufen. Erst im vergangenen Jahr hat eine andere Marburger Arbeitsgruppe nachgewiesen, welche Schäden Mikroplastik im Blutkreislauf anrichten kann.

Wie die Autoren schlussfolgern, bilden Ackerböden ein Reservoir für die menschengemachte Kunststoffverschmutzung, sodass neue Umweltvorschriften und Strategien zur Vermeidung von Plastik bereits zu spät kommen. „Alle bekannten und neuen Folgen der Kunststoffverschmutzung auf Böden, Bodenorganismen oder Pflanzen, die von der Wissenschaft entdeckt werden, wirken sich über einen längeren Zeitraum aus.“

Peter Chifflard lehrt Bodengeographie und Hydrogeographie an der Uni Marburg. Collin Weber schreibt seine Doktorarbeit in Chifflards Arbeitsgruppe.

pe/LB

Bild mit freundlicher Genehmigung von Collin Weber