Sprachatlas präsentiert Ausstellung zu Dialekten in den Dörfern
Monatelang hat das Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas mit einem Team von Studierenden in den Marburger Stadtteilen die Geschichten und die Fotos von Dialektsprecherinnen und Dialektsprechern aus den Dörfern gesammelt. Jetzt ist das Projekt eine Woche lang als multimediale Ausstellung unter dem Titel „Sprachmuseum Hessen – Lebendiges Hessen“ im Foyer des Forschungsbaus Deutscher Sprachatlas zu erleben. Bis zum 19. Oktober können Interessierte hören und sehen, wie in der Region gesprochen wird.
„In der älteren Generation sprechen die meisten Dialekt, wenn sie aus den Dörfern rund um Marburg kommen“, weiß Projektleiterin Ganswindt, die den Bereich Dokumentation und Wissenstransfer beim Deutschen Sprachatlas leitet. Gemeinsam mit ihrem Team und dem Fotobus des „Kulturnetzwerks Fotografie Marburg“ hatte sie sich ein besonderes Projekt zum Marburger Stadtgeburtstag ausgedacht, das Fotografie und Sprache verbindet. Begleitend zum Fotobus, der im ganzen Sommer durch Marburgs Dörfer reiste, kamen auch die Studierenden in einige der ländlichen Stadtteile. Und sie baten die Menschen vor Ort darum, mit einem Foto zum Bus zu kommen und dort die Geschichte zum Bild auf Platt oder der regionalen Umgangssprache zu erzählen.
Dabei lernten auch die Studierenden viel. Wenn’s „tretscht“ und „schickt“, versteht das im Marburger Raum fast jeder. Dann regnet es wie aus Eimern oder es reicht einfach. Aber für die aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Schwaben stammenden Studierenden, die nach den Begriffen fragten, waren die Worte neu. Und die Gote (Patentante), den Mattekuchen (Käsekuchen) und den Dappes (Tolpatsch) kannten sie auch nicht.
Die Dialektsprecherinnen Anneliese Scheld und Erna Gerlach brachten Fotos von ihrer Einschulung. Im Bortshäuser Dialekt schilderten sie, wie es damals in der Schule zuging, dass alle vier Grundschulklassen gemeinsam unterrichtet wurden und wie der Schulhof aussah. Die Geschichte der „Kirze“, also der Kerze, „verzähnt“ Carmen Schwarz aus Schröck. Und von der Dreschmaschine hört man im Bortshäuser Dialekt.
Die Studierenden fanden die Geschichten spannend. „Es ist schön, mit den älteren Menschen ins Gespräch zu kommen“, sagt die 19jährige Fenna Suhrkamp. Zugleich lernten die jungen Leute dabei viel über Ausstellungspräsentation und Organisation.
Das Forschungszentrum ist die weltweit älteste Einrichtung seiner Art. Heute werden dort vor allem die modernen Regionalsprachen untersucht. Denn auch Menschen, die den traditionellen Dialekt nicht mehr können, sprechen meist eine regional gefärbte Sprache. „Viele verwenden im Alltag noch viele dialektale Begriffe, ohne sich dessen bewusst zu sein“, sagt Ganswindt. Deswegen konnten sich auch die Jüngeren bei einem Fragebogen zum regionalen Wortschatz einbringen. Da fragte das Team etwa danach, ob typisch hessische Begriffe wie „es schickt“ noch in allen Generationen verwendet werden. Und dazu gab es noch einen Dialektquiz, bei dem geraten werden kann, aus welcher Region die Sprecherinnen und Sprecher stammen.
Für die von der Stadt Marburg geförderte Ausstellung wurden die Ton-Aufnahmen der Foto-Geschichten ins Hochdeutsche übersetzt und für die multimediale Ausstellung aufbereitet. Daraus soll im Anschluss eine digitale Präsentation werden, damit der Inhalt auch in Zukunft zugänglich bleibt. Auf Anfrage gibt es Führungen durch die Ausstellung (public@sprachatlas.de).
Gesa Coordes