Spiegel-Bestseller-Autor Thomas Ramge über den Bitcoin-Hype & Blockchain

Die Digitalwährung Bitcoin ist im Höhenflug. Allein seit Weihnachten hat sich der Kurs mehr als verdoppelt und liegt aktuell bei rund 51.000 Dollar. Was hinter dem Hype steckt und welche Chancen und Risiken die Blockchain-Technologie bietet, die hinter der Kryptowährung steckt, erklärt Bestsellerautor und Technologieexperte Thomas Ramge im Express-Interview.

Express: Zu den Basics: Wo bekomme ich Bitcoins? Wie bewahre ich sie auf?

Thomas Ramge: Bitcoins kauft man zum Beispiel auf Bitcoin-Marktplätzen wie bitcoin.de oder MtGox.com. Aufbewahrt wird das Kryptogeld in digitalen Brieftaschen, sogenannten Wallets. Eine Wallet kann ich entweder selbst anlegen, so dass diese auf meiner Festplatte gespeichert ist. Dann habe ich eine Art öffentliches Konto mit einem Pseudonym und einen dazugehörigen verschlüsselten Private-Key, der dafür sorgt, dass nur ich Zugang zu diesem Konto habe.

Die bequemere Möglichkeit, auf die heute viele Bitcoin-Besitzer zurückgreifen ist, auf Plattformen zurückgreifen, die Wallets gegen eine Gebühr für die Nutzer verwalten. Da gibt es eine Reihe seriöse Anbieter.

Damit ist die Gefahr, dass man seinen Private-Key verliert und nicht mehr an das digitale Geld kommt, nicht mehr gegeben?

Genau. Aber man hat natürlich das Risiko, dass diese Verwaltungsplattform Pleite geht. Das ist auch schon passiert. So eine Plattform ist vergleichbar mit einer Bank, die für den Nutzer das Geld verwaltet. 

Die ursprüngliche Idee der Cryptocurrency war aber eigentlich, dass man auf Banken verzichten kann. 

Bitcoin ist auf der einen Seite eine Währung, ein gespeicherter Wert, den man in Dollar oder Euro umrechnen kann. Zugleich ist es ein technisches Bezahlsystem, bei dem Werte ausgetauscht werden können.

Wie fälschungssicher ist dieses System? 

Ein Schwachpunkt kann die eben erwähnte Verwaltungsplattform sein. Wenn ich solch einer Börse meine Bitcoin anvertraue, kann die angegriffen werden und das ist auch schon passiert. 

Das Bitcoin-System selbst, das auf einer Blockchain-Technologie beruht, hat sich als sehr sicher erwiesen. Viele Hacker haben versucht, das System anzugreifen, bis dato ohne Erfolg. Das liegt daran, dass die Sicherheit durch ein sehr klug aufgesetztes Verschlüsselungssystem gewährleistet wird, bei dem ganz viele Menschen mit ihren Computern gleichzeitig dafür sorgen, dass die Verschlüsselung sicher bleibt.

Um das System zu knacken, bräuchten Hacker mehr Rechenkraft als alle ehrlichen Mitglieder der Bitcoin-Community. Deshalb ist es nahezu unmöglich, eine Attacke zu fahren. Theoretisch wäre das allerdings schon möglich, bei anderen Kryptowährungen ist es auch passiert. Gleichzeitig sagt dir jeder gute Kryptologe, dass es historisch gesehen kein Verschlüsselungssystem gibt, das nicht irgendwann geknackt wurde.

Wie funktioniert diese Blockchain-Technologie, die hinter der Kryptowährung steckt? 

Eine Blockchain ist eine intelligente Art, Daten zu speichern. Und zwar nicht zentral, wie das bisher, etwa bei Banken, gemacht wird, sondern dezentral in einem Netzwerk.

Durch diese dezentrale Speicherung werden viele Probleme gelöst, die es bei der zentralen Speicherung von Daten gibt. 

Bei einer zentralen Datenbank muss ich immer darauf vertrauen, dass der Verwalter mit den ihm überlassenen Daten verantwortungsvoll umgeht, sie schützt und meine Privatsphäre wahrt. Bei der Blockchain-Technologie übernehmen die Nutzer diese Funktion im Netzwerk gemeinsam. 

Die Blockchain ist sozusagen das Logbuch, das alle Daten chronologisch erfasst?

Die Blockchain kann man sich als eine Art Buchhaltungssoftware vorstellen, in der alle getätigten Transaktionen eingetragen sind und die vielen Betreiber des Netzwerks dafür sorgen, dass diese Einträge nicht nachträglich verändert, nicht gefälscht werden können. 

So wie beispielsweise das Grundbuchamt in Marburg schlüssig und chronologisch festhält, wer wann welches Grundstück gekauft hat und wann es an wen weiterverkauft wurde.

Die Blockchain soll das Potenzial haben, eine vollkommen neue Basis für alle wirtschaftlichen Infrastrukturen zu schaffen. Welche Einsatzmöglichkeiten gibt es?

Bei Bitcoin verwaltet die Blockchain Geld-Transaktionen. Nach dem gleichen Prinzip kann auch die dezentrale Versorgung von Energie geregelt werden. Ein Standardbeispiel ist ein Solarenergie-Netzwerk: Hausbesitzer produzieren auf ihren Dächern Strom, der in ein Netzwerk eingespeist und von anderen Nutzern verbraucht wird. Diese Transaktion lässt sich prima in einer Blockchain ablegen und verrechnen.

Die Blockchain ist im Grunde die ideale Technologie für eine Peer-to-Peer-Ökonomie. Das ist eine Alternative zum Konzernkapitalismus, in der Menschen gleichberechtigt untereinander Waren tauschen, Verträge schließen, Energie produzieren – und die ohne zentrale Institutionen auskommt, ohne Unternehmen, Banken oder staatliche Institutionen, wie etwa dem Grundbuchamt.

Umgekehrt sind auch Firmen und Institutionen an Blockchain interessiert und haben zahlreiche Tests gestartet, ob die Technologie für ihre Arbeit Vorteile bringt. So haben etwa Banken untersucht, ob sich Arbeitsabläufe, Transaktionen durch Blockchain effizienter und besser gestalten lassen.

Da gab es in den letzten Jahren einen Hype?

Bis vor drei, vier Jahren gab es große Hoffnungen, dass Blockchain viele Arbeitsabläufe günstiger, transparenter und sicherer machen kann, als die klassische Informationstechnologie mit ihren zentralisierten Datenbanken. 

Da steckte auch ein politischer Wunsch dahinter: Lässt sich auf Grundlage von Blockchain etwa ein soziales Netzwerk bilden, bei dem nicht ein Unternehmen wie Facebook die Kontrolle über alles hat? Oder ein Carsharing-Angebot, das nicht mit einem großen Autohersteller verknüpft ist?

Diese Hoffnungen haben sich bisher nicht erfüllt.

Warum?

Weil die Technologie sehr schwerfällig, energieaufwändig und schwer zu implementieren ist. Der Blockchain erging es wie fast allen Informationstechnologien: Sie hat zu Beginn ganz viel versprochen. Dann sind Kinderkrankheiten aufgetreten und viele haben sich von der Technologie abgewandt. 

Schweizer Banken haben stark mit Blockchain experimentiert, haben gehofft, dass sich durch die Technologie das extrem komplizierte internationale Zahlungssystem vereinfachen lässt. Diese Versuche sind bis jetzt noch nicht sehr erfolgreich gewesen. Unter anderem, weil durch die starke Verschlüsselung, die eingesetzt wird, extrem hohe Rechenleistung benötigt wird, was extrem viel Energie kostet. 

Das sieht man exemplarisch bei Bitcoin: In der Anfangszeit der Kryptowährung konnte man tatsächlich mit einem Programm auf dem privaten Rechner digitales Geld „erschürfen“. Das ist aber längst Geschichte. 

Warum geht das nicht mehr?

Das Bitcoin-Netzwerk ist so groß geworden, dass es für diese Berechnungen ganze Serverparks braucht. Es kostet heute mehrere Tausend Dollar, einen Bitcoin zu schürfen. Aber nur, wenn das in gigantischem Stil gemacht wird. Ein Großteil des Bitcoin-Minings geschieht heute deshalb in Rechenzentren in China, in der Nähe von Braunkohle-Kraftwerken, die die dafür benötigten riesigen Mengen Energie günstig produzieren. In Deutschland zu hiesigen Privatstrompreisen kann man damit nur Verlust machen.

Und da sind wir bei den Problemen dieser Technologie: Eine der größten Achillesfersen ist die gigantische CO2-Belastung, die durch dieses System entsteht.

Der Stromverbrauch durch das Bitcoin-System entspricht heute etwa dem von Argentinien. Das wäre ja noch erträglich, wenn es überwiegend Ökostrom verbraucht würde. Aber, wie gesagt, das ist ganz gewiss nicht der Fall. Bitcoins werde heute vorzugsweise an Orten geschürft, wo man billig an Hardware und billig an Strom kommt. Und das ist in China, in Indien oder auch in Südamerika, wo günstig Braunkohle-Strom produziert wird. 

Der ökologische Fußabdruck von Bitcoin ist groß, weil das System die falschen Anreize setzt. Bei denen es nur darum geht, möglichst schnell an möglichst viel billige Energie für das Mining zu kommen.

Der Bitcoin-Hype ist dennoch ungebrochen. Seit Weihnachten hat sich der Wert eines Bitcoin mehr als verdoppelt. Wie sicher ist eine Investition in die Kryptowährung?

Zu Beginn war ein Bitcoin lange gerade mal zehn Cent Wert. Es gibt viele technologieaffige Menschen, die reich geworden sind, weil sie zur richtigen Zeit in Bitcoin investiert haben, oder selbst geschürft. Heute weiß ich in der Rückschau, dass sich eine Investition vor zehn Jahren gelohnt hätte. Dadurch kommt die Phantasie unendlicher Möglichkeiten der Geldvermehrung. Das heißt, hinter dem aktuellen Bitcoin-Hype steckt auch die Psychologie der Gier: Wie kann ich ganz schnell reich werden, ohne dafür etwas zu müssen? Gier ist aber nie ein guter Treiber für eine nachhaltige Ökonomie. 

Das zweite große Problem des Bitcoin ist die Frage, ob es eine Währung für Geldwäsche und ein Tummelplatz für Halbweltgestalten ist. Die Auftragsmorde im Darknet werden auch gerne mit Bitcoin bezahlt, was schlicht damit zusammenhängt, dass Bitcoin wie Bargeld eine weitgehend anonyme Zahlungsmöglichkeit ist.

Wie sicher ist eine Investition? Das ist vergleichbar mit einer Spekulation an der Börse. Der Wert des Bitcoin beruht auf nichts anderem, als auf dem Vertrauen, dass ein Bitcoin so viel wert ist, wie behauptet. Das ist das Vertrauen in ein System, das nur von einer Verschlüsselung abgesichert ist und von Angebot und Nachfrage lebt. Es gibt keine Zentralbank, keinen Staat, der in irgendeiner Weise garantiert, dass der Wert dieser Währung erhalten bleibt. Das kann natürlich schiefgehen. Aber auch Staatwährungen können scheitern.

Wie viel Geld hat der Technologieexperte Ramge in Bitcoin angelegt?

Keines. Ich hatte immer das Gefühl, ich bin zu spät dran. Schon als ein Bitcoin 200 Dollar wert war. Auch ich war zu doof.

Interview: Georg Kronenberg

Blockchain, Bitcoin, Kryptoökonomie
Kostenloser Online-Vortrag von Thomas Ramge

Mi 28.4. 19.00
Spiegel-Bestseller-Autor Thomas Ramge beschreibt in seinem von der Sparkasse und den Stadtwerken organisierten Vortrag „Blockchain, Bitcoin, Kryptoökonomie” verständlich und kritisch, was es mit dem Krypto-Hype auf sich hat. Dabei weisen seine Überlegungen nicht nur auf die Schattenseiten der Entwicklung hin, etwa ihre Rolle im kriminellen Darknet oder den enormen Energiehunger der Blockchain-Anwendungen, hinter denen nicht selten chinesische Braunkohlekraftwerke den Klimawandel beschleunigen.
Link: www.flashlight.video/bitcoin-280421

Verlosung
Wir verlosen auf der Express-Facebook-Seite drei Exemplare von Thomas Ramges in Reclams Universal-Bibliothek erschienenem Buch „Augmented Intelligence. Wie wir mit Daten und KI besser entscheiden“.
Inhalt: Wo helfen uns Daten, die Welt besser zu verstehen und bessere Entscheidungen zu treffen? Und in welchen Situationen helfen sie uns nicht oder behindern uns sogar?
Algorithmen können immense Datenmengen bewältigen, und sie können selbst lernen. Doch das führt nicht zwangsläufig zu besseren Entscheidungen. Denn die Maschinen erkennen zwar Muster, der Mensch aber versteht den Grund.
Ein optimiertes Urteilsvermögen entsteht also dann, wenn sich menschliche Erfahrung und das Verständnis für Kausalitäten mit Künstlicher Intelligenz verbinden lassen, wenn unsere Intelligenz durch die der Maschinen ausgeweitet wird – und genau das bedeutet „Augmented Intelligence“.

Bild mit freundlicher Genehmigung von Peter van Heesen