Privatisiertes Uni-Klinikum blickt optimistischer in die Zukunft / Entlastungs-Tarifvertrag geplant

Die schwierigen Verhandlungen um die Zukunft des privatisierten Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM) sind auf der „Zielgeraden“. Davon zeigten sich die hessische Wissenschaftsministerin Angela Dorn und der Vorstandsvorsitzende des Rhön-Klinikums, Tobias Kaltenbach, beim Neujahrsempfang des Klinikums am Montagabend in Marburg überzeugt. Eine Zeitenwende gebe es damit auch für das UKGM, sagte Kaltenbach über das drittgrößte Uni-Klinikum Deutschlands: „Das Einigungspapier ist so wertvoll, dass wir es mit zarten Händen zum Gipfel tragen werden.“

„Wenn wir die letzten Punkte zu Papier bringen, haben wir die Möglichkeit, aus dem Vollen zu schöpfen“, sagte Ministerin Dorn. Dann könnten in den nächsten zehn Jahren mehr als 800 Millionen Euro in die beiden Klinikstandorte Gießen und Marburg sowie in die Sicherheit der Arbeitsplätze investiert werden: „Dafür hat es sich gelohnt, intensiv zu ringen“, so Dorn. Zugleich bedauerte sie, dass die lang ersehnte Einigung ausgerechnet in der Phase der Pandemie nicht kam. Da sei den Beschäftigten viel zugemutet worden.

Der Vorsitzende der Geschäftsführung des Universitätsklinikums, Gunther Weiß, kündigte Entlastungs-Tarifverhandlungen für die Beschäftigten an. Damit kommt das Unternehmen einer Forderung der Gewerkschaft Verdi nach. Weiß wählte das Bild eines Ruder-Achters, bei dem nur sechs Plätze besetzt sind: „Wir wollen eine Vereinbarung treffen, damit sie weniger rudern müssen“, sagte er. Die Entlastung werde aber nur spürbar werden, wenn die leeren Plätze besetzt werden. Zudem habe das Klinikum eine Initiative gestartet, um vor allem Beschäftigte in der Notaufnahme besser zu schützen. „Wir mussten in einer Art und Weise Sicherheitspersonal einstellen, wie wir es früher nicht für möglich gehalten haben“, sagte er.

Eine Absage erteilte Rhön dem Vorschlag von Marburgs Oberbürgermeister Thomas Spies, der bis zu 100 Millionen Euro für den Rückkauf des Universitätsklinikums angeboten hatte, damit das Großkrankenhaus wieder in die öffentliche Hand kommt. Die Diskussion entbehre jeder Grundlage, sagte Rhön-Vorstandsvorsitzender Kaltenbach: „Das UKGM steht nicht zum Verkauf.“ Die Kraft solle besser in die Zukunft gesteckt werden.

Stattdessen wünschte sich die kaufmännische Geschäftsführerin des Klinikums, Sylvia Heinis, von Oberbürgermeister Spies einen besseren öffentlichen Nahverkehr zu den Lahnbergen sowie ein Wohnheim für Beschäftigte des Klinikums. Dies ist nach Auskunft von Spies, der früher selbst als Arzt am Marburger Uni-Krankenhaus gearbeitet hat, ohnehin geplant. In seiner Rede stellte er die „aufopferungsvolle“ Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Zeit, „in der eine Krise die andere jagte“, in den Mittelpunkt. Er freute sich über den geplanten Entlastungs-Tarifvertrag. Es sei jedoch Aufgabe des Gesetzgebers, angemessene Standarts für die Zahl der Beschäftigten und ihre Arbeitsbedingungen sicherzustellen.

Die Dekanin des Fachbereichs Medizin der Philipps-Universität, Denise Hilfiker-Kleiner, erinnerte daran, dass die Kündigung des Zukunftsvertrages durch den Krankenhausbetreiber Rhön im vergangenen Jahr die Unsicherheit der Belegschaft verschärft habe. Nun gebe es deutlich bessere Aussichten für die späte und dringend benötigte Einigung.

Zweifel an der einst als „Leuchtturmprojekt“ der hessischen CDU-Regierung unter Roland Koch vorangetriebenen Privatisierung äußerten viele Redner. Angesichts der Erfahrungen aus Marburg und Gießen blieb es bis heute das einzige Uni-Klinikum Deutschlands, das privatisiert wurde.

gec

Bild mit freundlicher Genehmigung von Gesa Coordes