Uni-Vortragsreihe beleuchtet die Geschichte des Pharmastandorts

Vor 120 Jahren war es das bahnbrechende Serum gegen die Diphtherie, heute ist es der Impfstoff gegen das Corona-Virus. Seit wenigen Wochen wird der Corona-Impfstoff von Biontech in einem neuen Werk in Marburg produziert. Damit liegen erneut viele Hoffnungen auf dem Standort, der bis heute eine zentrale Bedeutung für die Stadt und ihre Finanzen hat.

Die Marburger Philipps-Universität nimmt die öffentliche Aufmerksamkeit zum Anlass, die Geschichte der Impfstoffproduktion und der Behringwerke in Marburg in einer digitalen Vortragsreihe zu behandeln. Unter dem Titel „Seuchenbekämpfung, Wissenschaft und Unternehmensstrategien: Die Philipps-Universität Marburg und die Behringwerke im 20. Jahr-hundert“ betrachten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Entwicklung des Pharmastandorts von der Gründungszeit vor dem ersten Weltkrieg bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts.

Den Grundstein für die Produktionsstätte hat der Marburger Nobelpreisträger Emil von Behring (1854-1917) gelegt, der sich 1895 an die Philipps-Universität locken ließ. An der Berliner Charité hatte er gemeinsam mit Paul Ehrlich den Impfstoff gegen die Diphtherie entwickelt, an der damals noch jedes zweite Kind starb. Hergestellt wurde das Serum zunächst aus dem Blut von Kaninchen und Meerschweinchen, später aus dem Blut von Pferden. Mit der Einführung der Diphtherie-Impfung sank die Sterblichkeit innerhalb von zehn Jahren auf die Hälfte. Dafür erhielt Behring 1901 den ersten Nobelpreis für Medizin und den Beinamen „Retter der Kinder“.

Auch im Ersten Weltkrieg verdanken zahllose Menschen dem Wissenschaftler ihr Leben. Die auf Behrings Forschungen basierende Tetanus-Prophylaxe wurde damals zum ersten Mal breit eingesetzt.

Mit dem Geld für den Medizinnobelpreis gründete der Wissenschaftler die Marburger Behringwerke. Mit zunächst nur zwölf Mitarbeitern startete er die Firma in seinem Laboratorium am Schlossberg. 1913 zogen sie nach Marburg-Marbach, wo bis heute der Sitz des inzwischen aufgegliederten Unternehmens liegt. Bis heute beschäftigen Pharmaunternehmen wie CSL Behring, GSK und Siemens Healthineers mehr als 6000 Menschen am Standort. Produziert werden hier Präparate für Bluter und Verbrennungsopfer, aber auch Impfstoffe gegen Tetanus, Tollwut, FSME, Meningitis, Diphtherie, Keuchhusten und Grippe.

Die Vortragsreihe beleuchtet aber auch die dunklen Kapitel der Behringwerke, die während der NS-Zeit Präparate gegen Fleckfieber, Ruhr und Gasbrand an Häftlingen des Konzentrationslagers Buchenwald erprobten. Die Nazis bedienten sich der Errungenschaften Behrings, verleumdeten ihn jedoch wegen seiner jüdischen Ehefrau Else Spinola.

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Bild mit freundlicher Genehmigung von Behring-Archiv Marburg/Philipps-Universität Marburg