Wo heute Firmen, das Gesundheitszentrum und die Stadtwerke ihren Sitz haben, lebten vor rund 40 Jahren noch Menschen in Notunterkünften. Ein Buch erinnert jetzt an die Siedlung am Krekel.

Heute ist die Siedlung fast vergessen, von den Steinbaracken ist nichts mehr zu sehen. Einige Marburger*innen erinnern sich aber vielleicht noch an die Notunterkünfte am Krekel, sind mit Kindern von dort zur Schule gegangen oder hatten ‘Krekeljaner*innen’ in ihrem Bekanntenkreis. Um dieses vorborgenen Stück Marburger Stadtgeschichte wieder ans Licht zu bringen, haben die Autor*innen Christina Hey, Ursula Mannschitz und Hartmut Möller in vielen Archiven geforscht, neue Quellen aufgetan und mit ehemaligen Bewohner*innen gesprochen. Dabei ist ein 300 Seiten starkes Buch mit über 200 historischen Fotos und Kokumenten vom Krekel.

Erzählt wird in über 20 Kapiteln in dem Buch von den Schwierigkeiten und Herausforderungen eines Lebens, das Familien und den Einzelnen oft auf engstem Raum und mit Wasser nur auf dem Hof sehr viel abverlangte – aber auch von Kindheit und Alltag, von der Verfolgung durch die Nationalsozialisten und vom Zusammenhalt.
“Die Steinbaracken boten Menschen eine Heimat, die ihre Wohnung verloren hatten oder in Marburg Obdach suchten“, berichten Hey, Mannschitz und Möller.
Ab 1930 lebten viele Marburger*innen in bescheidenen Verhältnissen am Krekel. Auf einer Fläche von 12,5 Quadratmetern befanden sich Küche, Wohnraum und Schlafzimmer. Wasser gab es nur auf dem Hof. Ursprünglich war die Siedlung als Übergangslösung geplant. Viele der Bewohner*innen fanden aber nur schwer eine andere Wohnung und blieben dort oft über viele Generationen. 1973 wurde die Siedlung abgerissen.

Bei der Aufarbeitung der Geschichte des Krekels hatten die Autor*innen zudem Einsich in zahlreiche Akten aus der Zeit zwischen 1933 und 1945. Dabei sei deutlich geworden, wie viele Menschen vom Krekel die Nationalsozialisten verfolgt, ins KZ gebracht und ermordet wurden – etwa Elektriker Heinrich Schäfer, der am 13. Juni 1944 hingerichtet wurde.

Es ist ein Buch-Projekt, das die Erinnerungen an ein fast vergessenes Marburger Stadtquartier wachruft und dabei auch für kulturelle Teilhabe steht. Wenn am Samstag, 2. Dezember, die neue Stadtschrift „Erinnerungen an einen vergangenen Ort. Die Siedlung am Krekel in Marburg“ im historischen Rathaussaal ab 13.30 Uhr öffentlich vorgestellt wird, sind alle Interessierten eingeladen dabei zu sein und nach spannenden Einblicken auch persönlich mit den Beteiligten ins Gespräch zu kommen.

Für das Buchprojekt haben die drei Autor*innen eigens eine Facebookgruppe ins Leben gerufen, in der sich die Nutzer*innen rege über die Siedlung austauschten. Über die Gruppe konnten die Autor*innen Interviews mit ehemaligen Krekeljaner*innen führen, deren Lebensgeschichten in das Buch einflossen. „Es war sehr bewegend zu sehen, wie gerne Menschen dort ihre Erinnerungen geteilt und sich an den Beiträgen der anderen erfreut haben“, erzählen Hey, Mannschitz und Möller.

pe/LB

Buchvorstellung

Bei der Buchvorstellung im Rathaus am Samstag (2. Dezember) ab 13 Uhr sind neben den Autor*innen im Rathaus auch ehemalige Bewohner’innen vom Krekel sowie weiter Zeitzeugen vor Ort.
Im Anschluss an die Buchpräsentation besteht im Foyer bei Kaffee, Kuchen und Getränken die Gelegenheit, für Fragen und Gespräche sowie zum Erwerb des neuen Buches. Die Marburger Stadtschrift zur Geschichte und Kultur, Band 118, mit Hardcover, Lesebändchen sowie weiterführenden QR-Codes ist danach im Buchhandel und bei der Stadt für zwölf erhältlich und bestellbar.
Weitere Infos: www.marburg.de/stadtschriften

Bilder mit freundlicher Genehmigung von Stadtarchiv Marburg, Julian Fischer, Michael Annecke, Elly Sackmann und William Menche