Die Marburger Hilfsorganisation Terra Tech war vor kurzem im türkisch-syrischen Grenzgebiet. Dem Express berichtet die Gruppe von der Lage Wochen nach dem katastrophalen Erdbeben.

Gut einen Monat nach dem schweren Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet ist die Katastrophe, die mehr als 53.000 Menschenleben gefordert hat, weitestgehend aus den Schlagzeilen verschwunden. „In den von dem Beben betroffenen Regionen fehlt es aber noch an allem“, sagt Chris Schmetz von der Marburger Hilfsorganisation Terra Tech. Eine Woche war er mit einem Kollegen in der Türkei vor Ort, um mit Partnerorganisationen weitere Hilfsmaßnahmen abzustimmen und neue Kooperationspartner zu finden. „In den Zeltstädten, die wir besucht haben, klagen die ehrenamtlichen Helfer, dass von der Regierung kaum Unterstützung kommt“, berichtet Schmetz. Immer noch schliefen Menschen in Autos, weil es bis heute viel zu wenig Zelte gebe. In den zerstörten Innenstädten, aus denen die Schuttberge von LKW-Kolonnen abtransportiert würden, sei es angeraten, Masken zu tragen – zum Schutz vor krebserregenden Asbest-Staub.

Lebensmittelverteilung in Kahramanraş (Foto: Chris Schmetz, Terra Tech)

In den ersten Wochen nach dem Beben hatte für Terra Tech die Verteilung von Lebensmitteln und weiteren Hilfsgütern oberste Priorität. Schmetz: „Ein Lebensmitteleinkauf für 750 Euro deckt ein Mittagessen für 1000 Menschen in einem Zeltlager“. So arbeitet Terra Tech etwa in Gaziantep mit einem türkischen Kulturverein zusammen, der die Menschen in den Zeltstädten mit Lebensmitteln oder Lebensmittelkarten für die Supermärkte unterstützt. „Die Stadt hat in den vergangenen Jahren 600.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen, die jetzt auch vor dem Nichts stehen“, berichtet Schmetz.

Ein Bewohner von Gaziantep berichtet vom Erdbeben

Kurzfristiges Ziel des Auslandseinsatzes von Terra Tech ist auch die Versorgung der betroffenen Menschen in abgelegenen Bergdörfern. Denn dort komme die dringend benötigte Hilfe nur langsam an, hat Schmetz erfahren. Erschwert werde die Situation für Überlebende und Helfende durch den Winter in der Region. Nachts würden teilweise immer noch Minusgrade gemessen.

Zerstörte Gebäude in der türkischen Stadt Iskenderun

In den nächsten Monaten will die Marburger Hilfsorganisation mit örtlichen Partnern außerdem psychologische Unterstützung zur Bewältigung der traumatische Erfahrungen anbieten. Langfristig ist das Ziel von Terra Tech, Kooperationspartnerschaften aufzubauen, um umfassende Katastrophenvorsorge in den Erdbebengebieten in der Türkei und Syrien zu ermöglichen. Zeitgleich müssten Strukturen aufgebaut und erneuert werden, um die Gefahr von Infektionskrankheiten wie Cholera durch verunreinigte Lebensmittel oder kontaminiertes Wasser zu begrenzen.
„Die Regierung spricht von einem Wiederaufbau in einem Jahr. Die Menschen glauben das nicht und richten sich auf zwei bis drei Jahre ein“, berichtet Schmetz. Die Wut insbesondere auf die Behörden und die Regierung sei allgegenwärtig. Einer der Hauptvorwürfe sei, dass auch viele nach 2010 gebaute Gebäude eingestürzt seien, obgleich eine „Erdbebensteuer“ und damals eingeführte neue Bauvorschriften für erdbebensichere Gebäude hätten sorgen sollen.

kro

Weitere Info über die Terra-Tech-Hilfsprojekte:

www.terratech-ngo.de/portfolio/erdbeben-tuerkei-und-syrien/
Spendenkonto: IBAN: DE46 5335 0000 0000 0444 40

Bild mit freundlicher Genehmigung von Chris Schmetz