Regisseurin Brit Bartkowiak (+1980) hat ihre Theaterlaufbahn am Hessischen Landestheater (HLTM) begonnen und an den großen Theaterhäusern Deutschlands inszeniert. Mit Franz Kafkas “Die Verwandlung” produziert sie am HLTM ein Stück für alle, die sich manchmal nicht aus der eigenen Wohnung trauen oder sich in ihrer Haut nicht mehr wohlfühlen, die Erzählstoffe auf der Bühne erleben wollen – für Fans des “Kafkaesken” und diejenigen, die sich gern verwandeln würden oder müssen.
Express: Wie kam die Idee zustande, Kafka auf die Bühne zu bringen?
Brit Bartkowiak: Die Idee entstand aus einem Gespräch mit den beiden Intendantinnen Eva Lange und Carola Unser heraus. Die beiden erzählten, dass Kafka Abiturstoff sei und sie sehr interessiert daran seien, diesen Stoff in der ersten Spielzeit auf die Bühne zu bringen. Da wurde ich neugierig. In der Schule mochte ich Kafka nie. Wie würde ich Kafka heute begegnen?
Beim erneuten Lesen empfand ich plötzlich eine große Nähe zu dem Text – zu dem Gefühl der Isoliertheit und Abgehängtheit. Tja, und damit war die Entscheidung für Kafka getroffen.
Express: Warum gerade “Die Verwandlung”?
Brit Bartkowiak: Für mich liest sich die Verwandlung wie die Geschichte einer Depression. Das Gefühl, nicht mehr Funktionieren zu können und dem Leistungsdruck unserer globalisierten Welt nicht gewachsen zu sein ist sehr zeitgemäß und sehr vertraut. Kafka beschreibt diesen Zustand sehr wahrhaftig und erzählt davon, wie Tabuisierung und Ausgrenzung um sich greifen.
Express: Die Erzählung ist ja nicht gerade Dialog-lastig … Wie sind Sie bei der Bearbeitung vorgegangen?
Brit Bartkowiak: Wir haben sechs Erzählerinnen und Erzähler kreiert, die unterschiedlichen Aspekten unseres Gregor Samsas eine Stimme verleihen und in einen Dialog miteinander treten können. Außerdem verändern wir immer wieder die Perspektive zwischen Innen und Außen, mit der wir auf die Geschichte blicken.
Express: Worin lagen besondere Herausforderungen?
Brit Bartkowiak: Die Erzählung Kafkas zeichnet sich durch eine wunderbare Sprache aus, ist aber sehr geschlossen und dicht geschrieben, dementsprechend hat man es mit sehr viel beschreibendem Text zu tun. Unsere Aufgabe besteht vor allem darin, die Narration nicht nur durch das gesprochene Wort voranzutreiben, sondern den Zuschauerinnen und Zuschauer das Gefühl der Entfremdung vor allem auch auf einer sinnlichen Ebene erfahrbar zu machen.
Express: Zielt Ihre Inszenierung auf ein spezielles Publikum?
Brit Bartkowiak: Nein. Ich glaube in Kafkas Verwandlung können sich sowohl Jugendliche als auch Erwachsene Menschen wiederfinden. Jedem von uns dürfte das Fremd- und Anderssein schon mal im Leben begegnet sein.
Express: Sie haben Ihre Theaterlaufbahn am Hessischen Landestheater Marburg gestartet. Gute Erinnerungen?
Brit Bartkowiak: Ja sehr gute Erinnerungen. Ich weiß noch genau, wie ich bei den Kinder- und Jugendtheaterfestival erstmals das Landestheater als Praktikantin betreten habe und sofort spürte, dass im Theater alles zusammenfindet, was mich interessiert: das Geschichtenerzählen, das Abarbeiten an Welt, der Teamgeist, die Kunst und natürlich die Literatur. Seit dem ersten Besuch und den folgenden Hospitanzen hat mich das Theater nie wieder losgelassen.
Die Verwandlung nach Franz Kafka für Menschen ab 14 Jahren, Premiere: Sa 24.11. 19.30, Großes Tasch
Interview: Michael Arlt