Verglichen mit anderen deutschen Städten hat Marburg viel Grünflächen und wenig versiegelte Flächen. Im “Hitze-Check” der Deutschen Umwelthilfe schneidet die Universitätsstadt ungewöhnlich gut ab.
Bei der Untersuchung von 190 Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern bekommt die Lahnstadt ausdrücklich eine „grüne Karte“. Damit ist die Hitzegefahr deutlich niedriger als in den meisten anderen untersuchten Städten. Marburg liegt damit auf Platz eins in Hessen, und Platz elf bundesweit. Beim sogenannten Grünvolumen wird die Universitätsstadt sogar nur von zwei der untersuchten Städte in Deutschland übertroffen.
„Verwundert“ äußert sich Hartmut Möller vom Marburger Naturschutzbund. „Erfreulich und erstaunlich zugleich“, nennt dies Stefan Schulte vom Marburger Bund für Umwelt und Naturschutz. Möglicherweise sei dieses Ziel für kleinere Städte leichter zu erreichen als für Großstädte, vermutet er. Allerdings haben neben dem ebenso überschaubaren Tübingen auch Jena mit 111.000 und Potsdam mit 178.000 Einwohnern eine grüne Karte bekommen, während die Nachbarstadt Gießen eine „gelbe Karte“ erhielt.
Die Deutsche Umwelthilfe hat bei der Berechnung vor allem die Frage nach dem Anteil von kühlendem Grün und dem Grad der Versiegelung gestellt. Dabei wurden nur die Siedlungs- und Verkehrsflächen der Kernstädte und der Stadtteile berücksichtigt, nicht die gesamte Gemarkung. Auch Waldflächen flossen nur dann ein, wenn sie Teil von Parkanlagen oder in den Randbereichen zu den bewohnten Gebieten liegen. Weil alte Bäume und Büsche einen viel höheren Kühleffekt haben als etwa Rollrasen, wurde das sogenannte Grünvolumen berechnet. Danach entspricht etwa ein durchschnittlich hoher Laubbaum einem Grünvolumen von rund 3.400 Quadratmetern.
Dabei zeigt sich, dass die meisten Städte in Deutschland die Menschen nicht ausreichend vor den extrem hohen Temperaturen schützen, die durch die Klimakrise zu erwarten sind. Zu „Hitze-Höllen“, wie die Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz formuliert, werden sich Städte Ludwigshafen, Heilbronn, Regensburg, Worms, Mainz und Ingolstadt entwickeln, die besonders schlecht abschneiden. In Hessen haben vor allem Rüsselsheim und Frankfurt ein Hitze-Problem.
Nur zwei hessische Städte erhielten eine „Grüne Karte“: Marburg und Bad Homburg. Der Rest der zwölf hessischen Städte bekam Gelb. Damit gibt es keine weitere hessische Stadt außer Marburg, die im Hitze-Ranking so gut wegkommt. Bundesweit wird die Universitätsstadt aber noch von zehn weiteren Städten übertroffen. Besonders grün präsentiert sich Detmold in Nordrhein-Westfalen, wo nur gut ein Drittel der Fläche (35,5 Prozent) verbaut ist.
Doch womit hat sich Marburg die gute Bewertung verdient? Stefan Schulte vom BUND geht davon aus, dass der hohe Grünanteil in der Lahnaue, auf dem Schlossberg, den Friedhöfen und im Heiligen Grund dafür verantwortlich ist. Auch die Waldzunge zwischen Alt- und Neu-Wehrda könnte eine Rolle spielen.
„Marburg ist eine grüne Stadt, hat aber auch Problemzonen“, betont Hartmut Möller vom Nabu. So seien auf dem neu gestalteten Firmaneiplatz praktisch keine Bäume mitbedacht worden. Ähnlich sei es auf dem neuen Bahnhofsvorplatz, in der Ketzerbach, auf dem neuen Vorplatz des Erwin-Piscator-Hauses und auf den Supermarkt-Parkplätzen in Wehrda. „Bonsai-Bäume“ nennt Möller das spärliche Grün, das an diesen Orten zu finden ist. Das sei kein Vergleich zu den alten Platanen, die früher zum Beispiel die Ketzerbach beschattet hätten. „Es müssen auch Bäume gepflanzt werden, die etwas für die Klima-Funktion bringen“, fordert er. Zudem weist er darauf hin, dass die Universitätsstadt nach dem Hitzeviewer des Landes Hessen durchaus unter Hitze leidet.
Unklar ist auch, inwieweit sich das gute Ergebnis verschiebt, wenn das geplante Quartier am Hasenkopf gebaut wird, wo Wohnungen für 900 Menschen geschaffen werden sollen, sagt Schulte. Wenn neu gebaut werde, müssten andernorts in der Stadt Flächen entsiegelt werden, um Ausgleich zu schaffen. Das fordert auch Barbara Metz, die Bundesgeschäftsführerin der Umwelthilfe, die die weitere Flächenversiegelung in Deutschland rechtlich verbindlich bis spätestens 2035 stoppen will. Die Bundesregierung strebt Ziel jedoch erst für 2050 an. Aktuell schreitet der Flächenfraß täglich weiter voran: Jeden Tag fallen bundesweit 50 Hektar Grünland dem Bau von Häusern, Straßen und Plätzen zum Opfer.
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