Wie kommt man mit kleinem CO2-Ausstoß zum universitären Exkursionsort? Weil die Uni Marburg keine klimafreundliche Reisemöglichkeit anbietet, schwingen sich Moritz, Fardin und Leo für 18 Tage auf ihre Drahtesel.
Aus Protest treten drei Geografiestudenten ihre Fahrt zur universitären Exkursion in Portugal mit dem Fahrrad an. Weil für das verpflichtende „Geländepraktikum“ keine klimafreundlichen Reisemöglichkeiten gefördert werden, wollen Moritz, Fardin und Leo ein Zeichen setzen, indem sie möglichst emissionsfrei nach Faro im Süden Portugals reisen. Ziel: „Den weltweiten CO2-Ausstoß nicht noch weiter“ vorantreiben. Mit ihrer 18-tägigen Fahrrad-Fahrt über 2500 Kilometer wollen sie sich für klimaneutrales und nachhaltiges Studieren einsetzen, denn, und da sind sie sich einig: „Die Klimakatastrophe kann längst nicht mehr ignoriert werden.“
Das Geländepraktikum kann entweder in Indonesien oder in Portugal absolviert werden und dauert zwei bis drei Wochen. Gemeinsam entschieden sich die drei Lehramtsstudenten nach kurzem Zögern gegen die sonst übliche Reise mit dem Flugzeug. Ihre Wahl des „Extrems einer klimaneutralen Anreise mit dem Rad“ ist momentan allerdings ein nicht selbstverständlicher Luxus, berichten sie. Denn die Reise sei wesentlich zeitaufwendiger, umfasst sie doch 18 Tage. Und zudem sei sie teurer als ein Flug, denn neben dem Equipment müssen die zahlreichen Übernachtungen einberechnet werden.
Ursprünglich planten die drei langjährigen Freunde, dass sie die gesamten Reisekosten selbst übernehmen. Die Stadt Marburg, die Studierendenvertretung und der Verein Freestyle Marburg fördern das Projekt jedoch und übernehmen die Hälfte der Reisekosten. Zusätzlich spendet die Baumpflege Marbaum Regenjacken. Den Fachbereich Geografie haben die drei auch angefragt. Der sprach zwar der Aktion gegenüber lobende Worte aus, wollte sich jedoch nicht weiter an dem Vorhaben beteiligen, so die Studenten. Exkursionsleiterin Kerstin Bach unterstützt die Jungs, indem sie das Anliegen weiterhin im Fachbereich thematisiert. Auch die Dozentin hat versucht, die Hin- und Rückreise nachhaltiger zu gestalten und nach eigener Aussage gemerkt, „welche Hürden dabei zu überwinden sind“. Den Hinweg hat sie nun per Bus organisiert. Die Rückreise nachhaltig anzutreten, hätte jedoch drei Tage gebraucht, weswegen ein Flug gebucht wurde. Wie für die Jungs übrigens auch. Kerstin Bach lobt die drei Studenten, denn sie hätten ein Nachdenken im Fachbereich angestoßen, und sie ist zuversichtlich, dass der Nachhaltigkeitsaspekt in Zukunft bei der Auswahl der Exkursionsorte eine Rolle spielen wird. Ein Kollege habe die Idee eingebracht, eine CO2-Kompensationsleistung für Exkursionen einzuführen.
Mindestens eine Exkursion im Inland oder im direkt angrenzenden Ausland fordern die Drei mit ihrer Radel-Aktion. Und dass Alternativen zum Fliegen, die meistens teurer sind, von der Universität finanziell unterstützt werden: „Jeder Studierende sollte die Möglichkeit haben, mit der Bahn zur Exkursion reisen zu können, wenn die Universität nachhaltige Studienstrukturen etablieren will.“
Geografin Kerstin Bach erläutert, dass der Fachbereich versuche, Exkursionen anzubieten, die klimaneutral und bezahlbar zu erreichen sind. Letztes Jahr hätte es eine Exkursion nach Süddeutschland gegeben. Jedoch sei die Entscheidung, welche Exkursion angeboten werde, eine vielschichtige, die davon abhängt, wie viele Studierende potenziell mitfahren wollen, welche Lehrkraft Kapazitäten hat und welches Angebot es zuvor gab.
Einige Spendenaktion, die die drei Radler im Rahmen ihres Protests organisiert haben, sammelt für World Bicycle Relief. Die Organisation unterstützt den ländlichen Raum in Afrika und im globalen Süden, wo sie eigens für den ländlichen Raum hergestellte Fahrräder an Schüler, Lehrkräfte, und alle, die für die Infrastruktur wichtig sind, verteilt. Ein Fahrrad kostet um die 150 Euro. 1315 Euro wurden bereits gesammelt, wobei das Spendenziel 2500 Euro sind.
Die drei Marburger Mittzwanziger studieren neben Geografie auch Sport auf Lehramt. Das zweite Fach ist ein wichtiger Faktor, denn die Radtour vom 1. bis zum 18. Februar kostet nicht nur Geld, sondern auch viel Kraft. Jeden Tag werden die drei 140 bis 150 Kilometer radeln – ein Kraftakt, der neben Zeit- und Geldkapazitäten eine gewisse Sportlichkeit voraussetzt. Auch wenn die drei körperlich gut auf die Reise vorbereitet sind, bleibt ein gewisses Restrisiko. Moritz erklärt, dass das Wetter um diese Jahreszeit nicht berechenbar sei. Schneefall, Frost und viel Regen könnten zu Problemen auf der Fahrt führen. Außerdem könnten Überlastung und körperliche Verletzungen nicht ausgeschlossen werden. Keiner der drei sei handwerklich besonders begabt, fügt Fardin noch lachend hinzu: „Wir hoffen, dass auch die Räder durchhalten. Notfalls müssen wir bei lokalen Werkstätten um Hilfe bitten.“
Leonie Theiding
Instagram, Website und Spendenaktion der drei sind unter https://linktr.ee/far0_prozent_co2 zu erreichen.