Uraufführung der „World Sinfonie“ am 10. Juli in der Lutherischen Pfarrkirche
Ein beschwingter, freudiger Glückwunsch an Marburg zum 800. Stadtgeburtstag: Als Höhepunkt des Stadtfests 3 Tage Marburg wird am Sonntag, 10. Juli, um 19 Uhr in der Lutherischen Pfarrkirche die „World Sinfonie“ von Jean Kleeb uraufgeführt. Der in Brasilien aufgewachsene Komponist, Pianist, Chorleiter und Sänger hat die Sinfonie für das Marburger Stadtjubiläum 2022 komponiert – als Liebeserklärung an seine Wahlheimat an der Lahn, in der er seit 30 Jahren lebt und arbeitet.
In seiner Komposition verbindet er Klassik mit Latin und Orient – und erschafft so ein eindrucksvolles transkulturelles Kunstwerk, das für all das steht, was die Universitätsstadt Marburg auszeichnet, in der Menschen aus über 140 Nationen friedlich miteinander leben: für Weltoffenheit und kulturellen Austausch, aus dem täglich inspirierendes Neues entsteht. Im Express-Interview erzählt Kleeb, wie die Komposition entstanden – und wie verwoben die Sinfonie mit seiner Biografie ist.
Du verwebst in deiner Komposition Musikstile aus Lateinamerika und dem arabischen Mittelmeerraum mit klassischen sinfonischen Klängen…
Die Sinfonie ist eine Art Zusammenfassung von all dem, was ich als Mensch und Komponist in den verschiedenen Ecken der Welt erlebt habe. Durch meine musikalische Ausbildung habe ich mich mit verschiedenen Kulturregionen in der Welt beschäftigt und sie erforscht. Und das fließt alles in die Komposition ein. Da sind Elemente aus der arabischen Musik, das Vierteltonsystem, dass man nur dort findet. Das wird Faleh Khaless als Solist an der Oud bei der Uraufführung wunderbar vortragen. Dann gibt es auch Elemente und Rhythmen aus der brasilianischen Musik wie Maracatu. Das verbinde ich alles mit dem klassischen Instrumentarium.
Wie bist Du auf dieses transkulturelle Projekt zum Stadtjubiläum gekommen?
Für die Stadt habe ich diese Sinfonie geschrieben, weil das Jahr 2022 auch für mich ein wichtiges Datum, ein wichtiges Jubiläum ist: Wenn die „World Sinfonie“ am Stadtfestsonntag zum ersten Mal aufgeführt wird, werde ich genau 30 Jahre hier leben, ziemlich genau auf den Tag. Ich bin im Juli 1992 aus Brasilien nach Marburg gekommen – und habe hier im Herbst desselben Jahres als Lehrer an der Waldorfschule angefangen. Für mich ist die Sinfonie verwoben sehr stark mit meiner Biografie als Musiker in Marburg. So habe ich beispielsweise den ersten Tango, den ich damals in Marburg geschrieben habe einfließen lassen. Wenn ich die Sinfonie höre, sehe ich die Pflastersteine von Marburg vor mir, sehe ich die ganzen Begegnungen die ich hier mit so vielen Musikern und Künstlern bisher hatte.
Was ist Dir bei Deinen Kompositionen besonders wichtig?
Ich will als Komponist keine super komplizierte Musik schreiben, die Zeit der Avantgarde ist lange vorbei. Ich will eine Musik schreiben, die die Menschen sofort verstehen – und die über Genregrenzen hinausgeht. Meine Musik ist eine Verbindung verschiedener Genres, verschiedener Kulturen durch den Rhythmus.
Meine Idee ist, eine Musik zu schreiben, in der viele Menschen etwas finden können. So glaube ich, dass es eine Sehnsucht nach einer Musik gibt, die nicht nur klassisch ist, aber auch nicht nur Pop oder Jazz, gerade in Deutschland. In den letzten Jahren war ich über Marburg hinaus mit Stücken erfolgreich, die genau diese Qualität haben.
Wie lange hast Du an der Komposition gearbeitet?
Das Komponieren einer Sinfonie ist sehr aufwendig. Themen, Ideen und Skizzen dafür habe ich schon seit Jahren gesammelt. Dann war ich über Weihnachten im atlantischen Urwald in Brasilien, wo meine Mutter wohnt, südlich von Sao Paulo. Sie ist jetzt 84, ich konnte sie in der schwierigen Coronazeit endlich wieder besuchen.
Ich habe meine Noten mitgenommen, in ihrer Wohnung ist auch ein Klavier. Dort habe ich angefangen, die gesammelten Fragmente, Ideen zusammenzuführen und begonnen, alles in eine Form zu bringen und zu komponieren. Dann kam ich wieder nach Marburg und habe von da an jeden Tag an der Komposition gearbeitet.
Wie komponierte es sich in Marburg, wie lebt man hier als Künstler?
Als ich nach Marburg kam, habe ich sofort eine Liebe für die Stadt mit ihrem typischen Kopfsteinpflaster entwickelt. Marburg ist für mich ideal, nicht zu groß, nicht zu klein, man erfährt hier schnell eine Vertrautheit, wie in einer kleinen Familie.
Als Künstler kannst du hier in Ruhe arbeiten und gleichsam hat die Stadt ihre eigene Energie. Das ist genau das, was ich brauche.
Was mich besonders freut, ist die Internationalität von Marburg. Für die Größe der Stadt gibt es hier eine extrem große kulturelle Vielfalt. Das ist sehr besonders.
Deshalb ist es für mich auch grenzenlos schön, dass die Sinfonie anlässlich des Stadtjubiläums jetzt uraufgeführt wird.
Interview: Georg Kronenberg