Am 8. September ist es wieder so weit: Alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger des Kreises Marburg-Biedenkopf entschieden an den Wahlurnen gemeinsam, wer für die nächsten 6 Jahre das Amt der Landrätin oder des Landrats innehaben soll. Fünf Kandidaten stehen diesmal zur Wahl, die wir auf hier vorstellen.

Kirsten Fründt

Express: Was ist die größte Herausforderung für den Landkreis?

Fründt: Die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse auf dem Land und in der Stadt.

Express: Wie ist der Kreis heute aufgestellt und für die Zukunft gerüstet?

Fründt: Bei all dem, was noch zu tun ist und wo wir auch Nachholbedarf haben: Der Landkreis ist aktuell gut aufgestellt und ich sehe ihn auch gut gerüstet für die Zukunft, wenn wir das fortführen, was wir bereits auf den Weg gebracht und in den letzten Jahren vorbereitet haben. Wir haben im Landkreis praktisch Vollbeschäftigung, sind innovativ bei den Themen Digitalisierung, Modernisierung der Verwaltung und Bürger*innen-Beteiligung. Den Ausbau des Breitband-Netzes bringen wir weiterhin konsequent voran, im nächsten Jahr werden wir in praktisch allen Teilen des Landkreises eine Versorgung von 100 MBits/sec, oft deutlich mehr, haben. Die Telekom wird über 30 weitere Mobilfunkmasten aufstellen, so dass die Funklöcher im Kreis geschlossen werden. Wir arbeiten gemeinsam mit der Stadt Marburg an der Verbesserung der Radverkehrsverbindungen zwischen Stadt und Landkreis, um so eine bessere Alltagsmobilität herzustellen und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Auch für eine bessere Verzahnung ÖPNV in Kreis und Stadt Marburg sowie der Sicherung des Behring-Standortes arbeiten wir intensiv mit der Universitätsstadt Marburg zusammen. Durch Wohnungsbau auch auf Flächen des Kreises und die Gründung des “Bündnisses für Wohnen” leisten wir außerdem einen Beitrag zur Lösung dieser auch für Marburg großen Herausforderung.

Express: Was macht unseren Landkreis besonders?

Fründt: Erst einmal finde ich wirklich, dass er der schönste in ganz Hessen ist. Besonders macht ihn darüber hinaus, dass wir im Landkreis Marburg-Biedenkopf eine deutlich ländliche Struktur mit gut 83% land- und forstwirtschaftlicher Fläche, aber auch einer der höchsten Industriedichten in Europa. Das ist zum Beispiel für die Infrastruktur eine große Herausforderung. Besonders sind natürlich die Menschen mit ihrem breiten bürgerschaftlichen Engagement, das uns zum Beispiel bei der Vereinsdichte und dem Umfang des Engagements der Bürgerinnen und Bürger zu Spitzenwerten in bundesweiten Rankings verhilft.

Express: Haben sie einen Lieblingsort im Kreis?

Fründt: Meinen Garten in Ockershausen.

Express: Was machen Sie am ersten Tag als Landrätin?

Fründt: Das, was ich in den letzten fünfeinhalb Jahren gemacht habe. Ins Büro fahren, Rechner anmachen, Post und Vorgänge aus der Verwaltung bearbeiten, Termine vorbereiten und dann mit aller Kraft für die Menschen im Landkreis daran arbeiten, dass unser Landkreis jeden Tag besser, gerechter, sozialer und klimafreundlicher wird.

Kirsten Fründt tritt für die SPD bei der Landratswahl an. Die 52-Jährige ist seit Anfang 2014 Landrätin des Kreises Marburg-Biedenkopf. Sie wohnt in Marburg.

Uwe Pöppler

Express: Was ist die größte Herausforderung für den Landkreis?

Pöppler: Wir brauchen gleichwertige Lebensbedingungen auch und gerade in den Dörfern. Es ist ein Irrweg zu glauben, man könne mit fortwährender Nachverdichtung in den Städten gute Lebensbedingungen schaffen. Überfüllte Quartiere, chaotische Verkehrsverhältnisse und ein überlasteter ÖPNV sind die sichtbaren Folgen. Darüber hinaus werden den Menschen die Frischluftoasen genommen und den Tieren wichtige Rückzugsorte in den Städten. Wir müssen in Schulen investieren, ein flächendeckendes Radwegenetz ausbauen, Betreuungsangebote für Schulkinder verbessern, den ÖPNV attraktiver gestalten und die ärztliche Versorgung sicherstellen. Bezahlbarer Wohnraum, eine gesunde Umwelt und Investitionen in Bildung, Forschung und Lehre sind wichtige Maßnahmen für die Zukunft unserer Kinder. Wir brauchen dringend einflächendeckendes Glasfasernetz und ein geschlossenes Mobilfunknetz im gesamten Landkreis.

Express: Wie ist der Kreis heute aufgestellt und für die Zukunftgerüstet?

Pöppler: Das Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos vergleicht in einem sog. Zukunftsatlas regelmäßig alle 401 Landkreise miteinander. Dabei kam heraus, dass sich die Zukunftschancen deutlich verschlechtert haben. Seit 2010 ist der Landkreis von Platz 183 auf 235 abgesackt. Während die meisten umliegenden Landkreise sich verbessert haben. Teilbereiche dieser Studie zeigen erhebliche Verschlechterungen, so z.B. Wohlstand und Soziale Lage von Platz 150 auf 239 allein in den letzten 3 Jahren. Die wirtschaftliche starke Phase der letzten Jahre wurde nicht genutzt, um nachhaltige und zukunftsfähige Investitionen zu tätigen.

Express: Was macht unseren Landkreis besonders?

Pöppler: Der Zusammenhalt, die Gemeinschaft und das füreinander da sein der Menschen auch und gerade in den Dörfern. Das ehrenamtliche Engagement der Menschen und die Bereitschaft Verantwortung für andere zu übernehmen, beeindrucken mich immer wieder aus Neue.

Express: Haben Sie einen Lieblingsort im Kreis?

Pöppler: Den einen Lieblingsort kann ich gar nicht benennen. Ich bin aktuell an so vielen wunderschönen Orten gewesen, dass ich zwei Orte stellvertretend nennen möchte. Die Terrasse des Hofladens auf dem Hofgut Fleckenbühl in Schönstadt und der Platz vor dem Schloss in Biedenkopf mit Blick über die Stadt.

Express: Was machen Sie am ersten Tag als Landrat?

Pöppler: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begrüßen und mit de nFührungskräften die Aufgaben der kommenden Tage besprechen. Besprechungen organisieren mit Bürgermeistern, Unternehmensvertretern und sozialen Organisationen.

Uwe Pöppler ist Landratskandidat der CDU. Der 51-Jährige arbeitet beim Kreis Marburg-Biedenkopf als leitender Verwaltungsdirektor. Er wohnt in Kirchhain.

Hans-Werner Seitz

Express: Was ist die größte Herausforderung für den Landkreis?

Seitz: Die notwendigen Maßnahmen zur Anpassung an die Klimaerhitzung und die schnelle Bekämpfung von Klimakrise und Artensterben müssen von der Mehrheit getragen werden. Dazu müssen wir alle frühzeitig unterstützen, die durch die Klimakrise besonders beeinträchtigt werden. Passende Mobilitätsangebote besonders für die Einpendelnden nach Marburg müssen ebenso im Blickpunkt stehen wie die Unterstützung der bäuerlichen Landwirtschaft und der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien – auch der Windkraft.

Express: Wie ist der Kreis heute aufgestellt und für die Zukunftgerüstet?

Seitz: Der Landkreis ist im Wesentlichen gut aufgestellt. Wir haben verteilt über den Kreis eine differenzierte Industrie, die in der Region und weltweit engagiert ist und viele Arbeitsplätze sichert – und mittendrin eine Universität. Diese guten Bedingungen will ich besser pflegen und vernetzen. Mein Augenmerk liegt auf besseren Mobilitätsmöglichkeiten, guter Bildung, bedarfsorientierter Betreuung und der Vernetzung in allen Bereichen.

Express: Was macht unseren Landkreis besonders?

Seitz: Es ist die gute Mischung von allem. Der Waldreichtum und die abwechslungsreiche Landschaft machen den ganzen Landkreis zum Naherholungsgebiet. Das kleine ruhige Dorf und die quirlige Universitätsstadt mit Balkontür zur Welt liegen nur einen Steinwurf auseinander. Wirtschaftliche Globalplayer, Handwerk, kleine Startups und große Universität existieren neben- und miteinander. Mix und Miteinander möchte ich stärker fördern. Wenn wir in allen Bereichen gut sind, sind wir in der Summe sehr gut.

Express: Haben sie einen Lieblingsort im Kreis?

Seitz: Die Burgruine Frauenberg ist ein ganz besonderer Ort. Von dort kann ich den gesamten Landkreis überblicken. Dünsberg, Rimberg, Wittelsberg, Marburger Schloss, Sackpfeife und Hohes Lohr sind Marken meiner inneren Landkarte. Von dort sehe ich auch die große Zukunftsaufgabe Artenschutz. Das flurbereinigte Amöneburger Becken zeigt, dass Gemeinden, die Landwirtschaft und der Landkreis dafür sorgen müssen, dass Insekten, Wildtiere und Wildpflanzen wieder mehr und verbundene Flächen zur natürlichen Regeneration bekommen.

Express: Was machen Sie am ersten Tag als Landrat?

Seitz: Den ersten Tag als Landrat werde ich natürlich dem Personal der Kreisverwaltung widmen. Gutes Verwaltungshandeln und eine wirksame Kreispolitik brauchen eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit im Kreishaus. Das Verhältnis zwischen Landrat und Personalvertretung spielt dabei eine zentrale Rolle. Ich werde mit dem ersten Kreisbeigeordneten zusammensitzen und die künftige Zusammenarbeit koordinieren. Und dann geht es los.

Hans-Werner Seitz ist der Kandidat der Grünen. Der 58-Jährige arbeitet alsGeschäftsführer der Freien Schule Marburg. Er wohnt in Marburg.

Anna Hofmann

Express: Was ist die größte Herausforderung für den Landkreis?

Hofmann: Die ärztliche Versorgung des Landkreises sicherzustellen. Schon jetzt haben wir eine drohende Unterversorgung in Biedenkopf und in Dautphetal. Ohne Kommunale medizinische Versorgungszentren werden wir das Problem vor Ort nicht lösen können. Es braucht aber allgemein neue Versorgungskonzepte für die Fläche und die KV Hessen sollte hier entmachtet werden, da sie dem Sicherstellungsauftrag nicht mehr nachkommt. Ebenso muss das Land Hessen mehr Mediziner ausbilden.

Express: Wie ist der Kreis heute aufgestellt und für die Zukunft gerüstet?

Hofmann: Wir sind nicht gut aufgestellt in der Fläche. Unser Nahverkehr ist schlecht ausgebaut. Wir nutzen das Potenzial der Schiene nicht. Wir haben keine flächendeckende Internetversorgung mit Glasfaser und unser Mobilfunknetz hat erhebliche Lücken. Unsere Schulgebäude haben einen Sanierungsstau: allein 80 Mio. im Brandschutz fehlen. Vielen sozialen Trägern fehlt es an Geld. Sozialer Wohnungsbau und insbesondere barrierefreie Wohnungen in Erreichbarkeit zu Marburg sind nicht vorhanden. Außerdem müssten wir alle Gebäude mit Solaranlagen ausstatten und den ÖPNV zum Nulltarif anbieten, um den Ausstieg aus atomarer Energie und fossilen Brennstoffen bis 2030 zu schaffen.

Express: Was macht unseren Landkreis besonders?

Hofmann: Die vielfältigen kulturellen Angebote (z.B. 400 Chöre) und sehr engagierte Menschen, die sich für Flüchtlinge und Menschen mit Behinderungen einsetzen. Soziale Träger, Genossenschaften und Vereine, die trotz Unterfinanzierung alles tun, um eine gute Arbeit zu leisten und weit über das verlangte Maß sich einsetzen. Biobauern und Kleinunternehmer, die sich für Nachhaltigkeit engagieren.

Express: Haben sie einen Lieblingsort im Kreis?

Hofmann: Die Wichtelhäuser… Eine Steinformation nahe Brungershausen. Laut der Sage, ist der Schatz der Wichtel dort irgendwo versteckt. Die eigenwillige Stein-Struktur mitten im Wollenberger Wald gibt Kindern und Erwachsenen viele Anregungen.

Express: Was machen Sie am ersten Tag als Landrätin?

Hofmann: Ich werde anfangen die anderen Fraktionen, Bürgermeister, Ortsvorsteher und die Verwaltung davon zu überzeugen, dass eine sozial-ökologische Wende möglich und nötig ist und das sie meinen Kurs als Landrätin stützen. Aber auch, um noch mehr über Probleme und Möglichkeiten im Landkreis zu erfahren. Soziale Träger, Vereine, Kleinunternehmer und auch Dozenten/Lehrende an der Uni werde ich zu Rate ziehen. Eine Landrätin ist nur so gut, wie ihre beratenden Experten.

Anna Hofmann tritt für die Partei Die Linke an. Die 37-Jährige ist Geschäftsführerin der Fraktion “Die Linke” im Landeswohlfahrtsverbands Hessen.

Thomas Riedel

Express: Was ist die größte Herausforderung für den Landkreis?

Riedel: Geld für notwendige Infrastrukturmaßnahmen (Kreisumlage senken um Straßenbeiträge aufzuheben, Infrastrukturmaßnahmen für Straßen und Radwege, Ausstattung der Schulen in moderne Arbeitsmittel und auch infrastrukturell, flexibel Betreuung der Schulkinder auch in den späteren Nachmittag, etc…) benötigen eine langfristige Finanzierungssicherheit, um es den Kommunen zu ermöglichen zu planen. Der Kreis ist hier nicht zukunftssicher aufgestellt, somit muss eine finanzielle Konsolidierung eingeleitet werden: Personalkosten stiegen seit 2017 überproportional und somit die langfristigen Verbindlichkeiten. Auch muss sich der Kreis primär auf seine Kernverantwortlichkeiten fokussieren.

Express: Wie ist der Kreis heute aufgestellt und für die Zukunftgerüstet?

Riedel: Der allgemeine Kostenblock ist zu hoch. Damit gibt es keinen Spielraum für weitere Senkungen der Kreisumlage oder Puffer bei einer möglichen Rezession. Dem Kreis geht es vordergründig gut, er befindet sich aber in einschlägigen Vergleichen im hinteren Mittelfeld. Dort werden u.a. Digitalisierung, Dynamik und Zukunftschancen gemessen. Wir sind nicht da, wo wir sein könnten und sollten (kann jeder nachlesen bei Prognos 2019 oder ZDF DeutschlandStudie) .

Express: Was macht unseren Landkreis besonders?

Riedel: Der Landkreis mit der Sonderstatusstadt Marburg ist landschaftlich abwechslungsreich und mit seinen Menschen und der Kultur höchst lebenswert. Ich kam vor 20 Jahren nach Marburg und möchte auch nicht mehr wegziehen. Der Mittelstand im Kreis ist der Motor unseres Wohlstands. Das müssen wir infrastrukturell unterstützen und täglich daran arbeiten, dass es auch so bleibt.

Express: Haben sie einen Lieblingsort im Kreis?

Riedel: Es gibt viele schöne Orte und einen herauszuheben wäre schwierig. Am liebsten sitze ich mit einem Glas Wein auf meiner Terrasse mit Blick in das Lahntal…

Express: Was machen Sie am ersten Tag als Landrat?

Riedel: Mein “erster” Tag als Landrat beginnt bereits unmittelbar nach der Wahl mit einer Bitte an Frau Fründt, ohne Absprache mit mir keine Fakten mehr im Landratsamt zu schaffen, die Konsequenzen für meine Legislaturperiode haben. Dazu gehören u.a. auch Beförderungen, Verträge abzuschließen, die den Kreis binden, ohne das mit mir abzustimmen. Hier denke ich vor allem auch an den geplanten Neubau. Am ersten offiziellen Arbeitstag werde ich mir viel Zeit nehmen für den persönlichen Austausch der Menschen im Kreishaus.

Thomas Riedel tritt für die FDP als Landratskandidat an. Der 54-Jährige ist selbstständiger Personalberater und wohnt in Marburg-Michelbach.

red

Bild mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg