Nach der städtischen Haushaltssperre wegen des Gewerbesteuereinbruchs gab es im Marburger Stadtparlament gesteigerten Gesprächsbedarf. Rund 200 Minuten wurde bei der letzten Stadtverordnetensitzung in diesem Jahr über die städtischen Finanzen diskutiert.

Erwartbar scharfe Kritik am Haushaltsentwurf von Rathauschef und Kämmerer Thomas Spies gab es von der Opposition. Nicht weniger als „Unvermögen, Desorientierung, Visionslosigkeit“ sähe Andrea Suntheim-Pichler (BfM) im Haushaltsentwurf 2025. Und CDU-Mann Roger Pfalz verlangte angesichts der Haushaltssperre und den dramatisch gesunkenen Einnahmen aus der Gewerbesteuer, dass die städtischen Ausgaben „ab sofort auf das absolut Notwendigste beschränkt“ werden müssten. Steffen Rink (SPD) forderte die Opposition dazu auf, genau zu formulieren, was diese notwendigsten Ausgaben für sie umfasse. Pfalz gab das Argument direkt zurück: Die Regierung müsse ebenfalls Schwerpunkte setzen – nämlich dort, wo sie sparen will.

Die Grünen verwiesen im Gegenzug auf die Folgen, die eine mögliche Sparpolitik für die Infrastruktur, das Schulwesen oder den Ausbau erneuerbarer Energien hätte. „Was wir heute nicht anpacken, wird morgen teurer und schwerer“, so Maximilian Walz (Bündnis90/ Die Grünen). Sarah Kastner, ebenfalls von den Grünen, mahnte, für eine zukunftsfähige Stadt „nicht aus Angst vor Defiziten bei solchen Projekten zu sparen.“ Abgeordnete der SPD, MarburgerLinke & Piraten, der Linken sowie der Klimaliste betonten die Wichtigkeit von sozialer Gerechtigkeit und dass der Haushaltsstreit nicht auf dem Rücken von einkommensschwachen Bürgerinnen und Bürgern ausgetragen werden dürfe.

Die Haushaltssatzung für das kommende Jahr wurde von der Koalition mit einem Fehlbedarf von 77,5 Millionen Euro angenommen, ebenso der Stellenplan 2025. Auch der Finanzplan und das Investitionsprogramm für die Haushaltsjahre 2024 bis 2028 wurden mit einem Volumen von rund 321,5 Millionen Euro mehrheitlich angenommen.

Hintergrund Haushaltssperre

Unerwartete Gewerbesteuer-Rückzahlungen in Höhe von insgesamt 41 Millionen Eure veranlassten den Marburger Magistrat, Anfang Dezember eine Haushaltssperre für das restliche Jahr zu beschließen. Das bedeutet, es dürfen nur noch Mittel für Pflichtaufgaben ausgegeben werden, für vertraglich zugesicherte oder bewilligte Leistungen sowie für städtische Aufgaben, die unaufschiebbar sind. Alle freien und besetzbaren Stellen in der Stadtverwaltung dürfen wegen der Haushaltssperre frühestens nach drei Monaten wiederbesetzt werden.

Bereits im Sommer hatte die Stadt ihre Steuer-Erwartungen für das laufende Jahr nach unten korrigieren müssen, weil rund 62 Millionen Euro weniger Gewerbesteuer von den Marburger Unternehmen in die Stadtkasse kamen. Im September wurde deshalb ein Nachtragshaushalt aufgestellt. Nun folgen bis Jahresende weitere große Gewerbesteuer-Rückzahlungen. Sie summieren sich auf 41 Millionen Euro. Einen Teil hat die Stadt schon erstattet, der Rest von 21 Millionen Euro ist ebenfalls noch 2024 fällig. Diese Rückzahlungen kann die Stadt nach eigenen Angaben aus ihrem „Sparbuch“ begleichen. 

jr/kro

Bild mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg