Nadine Bernshausen ist eine der aussichtsreichen Kandidatinnen bei der Marburger Oberbürgermeisterwahl am 14. März. Die grüne Richterin tritt unter neun Bewerberinnen und Bewerbern gegen Amtsinhaber Thomas Spies (SPD) an. Sie gilt als sympathisch und intelligent. Und sie fischt sowohl im christlichen als auch im links-alternativen Milieu. „Mein Ziel ist es, Brücken zu bauen“, sagt die 41-Jährige.

Die Mutter von drei kleinen Kindern stammt ursprünglich selbst aus einer SPD-Tradition. Schon der Urgroßvater war Sozialdemokrat. Der Vater, ein Lehrer, ist seit Jahren als SPD-Fraktionsvorsitzender im Bad Endbacher Gemeinde­par­la­ment engagiert: „Politik war bei uns am Mittagstisch immer Thema – bis heute“, so Bernshausen. Aber auch die Kirche, der christliche Glaube und tägliche Gebete gehören zu ihrem Lebensweg. Sie war 13 Jahre lang Mitglied des Kirchenvorstandes der Elisabethkirche, ist seit 2014 Präses des Kirchenkreises Marburg, seit 2015 Synodale der Evangelischen Kirche Deutschland. Dazu engagiert sie sich im Weltladen und der Initiative für Kinder-, Jugend- und Gemeinwesenarbeit: „Ich fühle mich durch meinen Glauben getragen“, sagt sie. Und natürlich betet sie auch täglich mit ihren Kindern.

Bei den Grünen trat sie erst 2009 ein. Da war sie schon Richterin am Marburger Amtsgericht und mit Franz Kahle verheiratet, dem lang­jährigen grünen Bürger­meister und früheren OB-Kandidaten, der 2017 nach dem Ende der rot-grünen Koalition in Marburg abtrat. Seit 2011 sitzt sie für die Grünen im Kreis­par­la­ment, wo sie zeigt, dass sie auch bissig sein kann.

Wer sie im eigens angemieteten, grünen Oberstadt-Laden in der Marktgasse 18 besucht, findet ein weitgehend verwaistes Büro. Durch die Corona-Pandemie fallen nicht nur öffentliche Diskussionen, sondern auch die direkten Be­geg­nungen mit den Menschen in der Stadt weitgehend aus. Ihre gewinnende Art muss sie nun mit Podcasts, Insta-Live- und Facebook-Live-Auftritten trans­portieren.

Ihre größte Schwäche: Wofür sie inhaltlich steht, ist eher vage. „Für den Klima­schutz müssen wir Energie einsparen, Energieeffizienz erhöhen und neue Energien ausbauen, mit finanzieller Unterstützung für Eigentümer*innen und Entlastung für Mieter*innen“, steht zum Thema Ökologie auf ihrer Homepage. Auf weitere Nachfrage sagt sie, dass mehr passieren muss, um – wie vom Stadtparlament befürwortet – bis 2030 klimaneutral zu werden. Konkret will sie, dass Förderungen für Dachdämmungen, klimafreundliche Heizungen oder Photovoltaikanlagen nicht pauschal mit festen Zuschüssen oder Prozenten der Bausumme, sondern nach eingespartem CO2-Ausstoß gefördert werden. Und sie schlägt vor, samstags umsonst Bus zu fahren, um einen Anreiz zum Aus­probieren des ÖPNV zu machen. Das wurde allerdings schon in der ver­gang­enen Woche im Verkehrsausschuss auf Antrag der Linken mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen befürwortet – als wissenschaftlich begleiteter Modellversuch für zwei Jahre.

Was mit der noch unter ihrem Mann Franz Kahle vorangetriebenen, aber um­strittenen Seilbahn auf die Lahnberge werden soll, lässt sie völlig offen: „Das ist nur eine Möglichkeit“, sagt die Kandidatin. Ähnlich bei der Windkraft: „Ich halte Windkraft für eine saubere Energie“, so Bernshausen: „Ob in Marburg Windräder entstehen, entscheiden aber nicht wir, sondern Privateigentümer und Hessen­forst.“

Sie kritisiert, dass die aktuelle Rathaus-Regierung aus SPD, CDU und Bürgern für Marburg zu wenig Radwegeprojekte voranbringe. Der Haken: Ausgerechnet dieses Bündnis unternahm so viel für Radler, dass selbst Radfahrlobbyisten der Stadtregierung ein Umdenken attestierten.

Überzeugend ist indes Bernshausens Engagement für Kinder und Jugendliche. Die gut ausgebaute Kinderbetreuung von den Unter-Dreijährigen bis zur Schule weiter zu verbessern und flexibler zu gestalten, ist der dreifachen Mutter wichtig. Die Schulen will sie digital und infrastrukturell so ausrüsten, dass der Schulstandort ein Leuchtturm in Hessen wird. So brauche es mehr technischen Support durch das Medienzentrum, sagt sie. Fördern möchte sie zudem offene Räume für Jugendliche sowie Jugendsozialarbeit.

Und die Pandemie? „Da hat die Stadt zu spät reagiert“, sagt Bernshausen: „Corona-Management habe ich nicht wahrgenommen.“

Vor allem wirbt die Grüne für sich als Persönlichkeit, möchte moderierend gestalten, transparent und ansprechbar sein: „Als OB bin ich Verwaltungschefin, nicht Alleinherrscher in der Stadt“, sagt sie. Und dieser Ansatz scheint auch über die Grünen hinaus zu ziehen. Auf ihrer Unterstützerliste finden sich Pfarrer, Schulleiter, Ärzte und zwei Ex-Sozialdemokraten.

Gesa Coordes

Bild mit freundlicher Genehmigung von Gesa Coordes