Heute endet das 100-Tage-Ultimatum, das das UKGM-Personal der Geschäftsführung gestellt hat – ohne Einigung beider Seiten. Beim kommenden Streik fallen geschätzt mehr als zwei Drittel der Operationen aus.

Am privatisierten Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) wird ab Montag, 27. März, gestreikt. Das kündigte Verdi-Gewerkschaftssekretär Fabian Dzewas-Rehm an. Damit wollen die Beschäftigten der beiden Großkrankenhäuser Druck für den Abschluss eines Tarifvertrags Entlastung machen. „Der Arbeitgeber zwingt uns zu diesem Streik“, betonte Dzewas-Rehm.

Bereits ab Montag werden die OP- und Anästhesiepfleger sowie mehrere Abteilungen und Stationen streiken. Dadurch werden nach Schätzung der Gewerkschaft mehr als 400 Beschäftigte im Ausstand sein. Zugleich würden mehr zwei Drittel der geplanten Operationen ausfallen. Ab Mittwoch sind dann alle Beschäftigten des Universitätsklinikums zum Streik aufgerufen. Dzewas-Rehm geht davon aus, dass sich rund 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daran beteiligen. Auf mehr als 40 Stationen werde es zu Schließungen und Bettenreduzierungen kommen. Für Freitag, 31. März, sind dann große Kundgebungen in Gießen und eine Demonstration in Marburg geplant.

Die dritte Verhandlungsrunde für den Tarifvertrag Entlastung und Beschäftigungssicherung war in dieser Woche ohne Einigung zu Ende gegangen. Zugleich endete das Ultimatum, das mehr als 4100 Beschäftigte des Universitätsklinikums bereits im Dezember gestellt hatten: „Die Arbeitgeber haben das 100-Tage-Ultimatum und mehrere Warnstreiks ungenutzt verstreichen lassen“, kritisiert Dzewas-Rehm. Dabei gebe es bereits an der Mehrheit der deutschen Uni-Kliniken einen Tarifvertrag Entlastung. Verdi fordert schichtgenaue Personal-Patienten-Besetzungsregelungen für Stationen und Bereiche sowie Belastungsausgleiche für den Fall, dass dies nicht eingehalten werden kann. Zudem geht es um Beschäftigungssicherung sowie eine Verbesserung der Ausbildungsbedingungen.

Wie viele Stellen dies betrifft, ist allerdings unklar: Die Geschäftsführung des Universitätsklinikums bezifferte die Gewerkschaftsforderungen zunächst auf 300 bis 400 zusätzliche Vollzeitstellen, dann auf mehr als 2300 zusätzliche Vollzeitstellen, was zu Mehrkosten von 150 Millionen Euro pro Jahr führen würde. Dies sei weder personell noch wirtschaftlich zu realisieren. Nach der jüngsten Verhandlungsrunde gab es aber neue Annäherungen. „Die Grundstruktur des Entlastungstarifvertrags aus Frankfurt könnte uns helfen, eine Einigung für das UKGM zu finden“, berichtete die Geschäftsleitung. Eine einfache Übernahme sei jedoch nicht möglich, da das privatisierte Uni-Krankenhaus mehr Lasten zu tragen habe.

Unterdessen kritisieren die Klinikdirektoren des UKGM den Streik, der anders als in früheren Jahren eine „besonders vehemente Auseinandersetzung“ erwarten lasse. Im Gegensatz zu Großstädten wie Berlin oder Ballungszentren wie Nordrhein-Westfalen könne die Versorgung von Patienten nicht durch andere Krankenhäuser in der Umgebung aufgefangen werden. Dass auch die Notfallversorgung sowie dringliche Operationen eingeschränkt werden, halten die Klinikdirektoren für „absolut unverantwortlich“.

Die Verhandlungspartner haben jedoch eine Notdienstvereinbarung getroffen, um die Notversorgung der Patienten zu gewährleisten. Nach Einschätzung der Geschäftsleitung reicht das aber nicht aus, „um an fünf Tagen hintereinander die Versorgung unserer Patienten sicherzustellen“, heißt es in einem Newsletter an die Beschäftigten. Dagegen betont Gewerkschafter Fabian Dzewas-Rehm: „Die Arbeitgeber haben jederzeit die Chance, die Streiks zu beenden, indem sie auf die grundlegenden Forderungen der Beschäftigten eingehen.“ Wie belastet das Personal des Uni-Klinikums ist, schilderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Krankenpflege und dem Sicherheitsdienst. „Wir möchten nicht streiken“, sagt die Marburger Onkologie-Krankenpflegerin Irene Radick: „Aber so, wie es momentan ist, können wir nicht weiterarbeiten.“

In Marburg gibt es dafür Unterstützung von einigen niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzten, die sich mit dem Streik solidarisch erklären und ihre Praxen teilweise schließen wollen. Auch das Marburger Stadtparlament hat seine Solidarität mit den Beschäftigten des UKGM erklärt, ebenso wie das Landestheater Marburg.

Die Verhandlungen, die in der kommenden Woche fortgesetzt werden, betreffen die mehr als 7000 nicht-ärztlichen Beschäftigten des UKGM, das insgesamt mehr als 9600 Mitarbeiter hat. Erst Ende Februar hatte sich das Land Hessen nach langwierigen Verhandlungen mit dem zum Asklepios-Konzern gehörenden Krankenhausbetreiber Rhön auf einen Zukunftsvertrag geeinigt. Danach werden in den nächsten zehn Jahren fast 850 Millionen Euro in die Standorte Marburg und Gießen investiert.

Gesa Coordes

Bild mit freundlicher Genehmigung von Gesa Coordes