Die Marburgerin Heekyung Reimann ist zweifache Vizeweltmeisterin. Dem Express erzählt sie, mit welchen Hindernissen sie in ihre Sportkarriere zu kämpfen hatte.

Eigentlich ist ihr Sohn an ihrem großen sportlichen Erfolg Schuld. Heekyung Reimann ging mit ihrem Sohn auf dessen Wunsch hin zum Taekwondo-Training – und entfachte so eine alte Liebe neu. Als sie 16 Jahre alt war, begleitete sie ihren Bruder einst zum Taekwondo Training, um sich neben dem ganzen Lernen für die Schule mal etwas Bewegung zu verschaffen. Mit 17 hörte sie wieder auf, weil der Abistress zuviel wurde. Heute ist Heekyung Reimann zweifache Vizeweltmeisterin. Während ihr Sohn sich gegen den koreanischer Kampfsport entschied, blieb sie dabei und trainierte hart. Der Weg zur Silbermedaille war kein leichter.

Auf der einen Kampffläche präsentiert Heekyung gerade noch ihr Können, auf der anderen warten schon die nächsten Kampfrichter auf sie: Bei der Poomsae-Weltmeisterschaft im November 2024 in Hongkong startete Reimann in zwei Kategorien. Parallel zum Einzelwettbewerb in der Kategorie „Individual Female – 60“ galt es, mit Michael Bußmann an der Seite, den Paarlauf zu meistern. „Poomsae“ bezeichnet einen der beiden wichtigsten Bereiche des Taekwondo und wird auch „Formenlauf“ genannt. Es geht um die bestmögliche Ausführung vorgegebener „Formen“, beziehungsweise Abläufe von Schlägen und Tritten. Dass Reimann sich dabei sowohl im Einzel- als auch im Paarwettbewerb bis an die Weltspitze kämpfen konnte, ist intensiver, wenn auch hindernisreicher Vorbereitung geschuldet. Da die Sportlerinnen und Sportler der deutschen Taekwondo-Mannschaft in der ganzen Republik verteilt leben, wird online trainiert – mit Zoom als gemeinsamen Trainingsort. Mit ihrem in München lebenden Paarlauf-Partner Michael Bußmann konnte sie lediglich dreimal vor Ort trainieren. Da fehlte es gerade noch, dass sie zu Beginn des Jahres einen Hexenschuss diagnostiziert bekam. „Ich konnte einen Monat lang nicht trainieren oder meine Beine bewegen“, erzählt die 59-Jährige. Dabei gibt es im Wettkampf Punktabzug, wenn man das Bein nicht über Kopfhöhe kicken kann.

Doch sie gab ihren Traum nicht auf. Akkupunktur, Physiotherapie und Schmerzmittel prägten die folgende Trainingszeit. „Das Wichtigste ist, dass man nicht nur an den Sieg denkt, sondern Freude hat und den Sport wirklich liebt“, so Reimann. Was sie an Taekwondo besonders liebe, sei die Möglichkeit, ohne Altersbegrenzung stetig an Wettkämpfen teilnehmen zu können. Man fühle sich weiterhin jung durch den Sport. Die Gefühle der Jugend und der Freude waren es wohl, die Heekyung dabei halfen, nicht nur zurück ins Training zu finden, sondern die Herausforderung in Hongkong zu bestreiten. Sie trainierte neben ihrem Job im Bildarchiv Foto Marburg jeden Tag, teilweise bis 23 Uhr abends, hat sich sogar eine kleine Halle fürs Eigentraining gebaut. Am Wettkampfort angekommen, machte sich dann die siebenstündige Zeitverschiebung als Schlafmangel bemerkbar. Doch Reimann hatte nicht so lange trainiert, um sich diese einmalige Chance von etwas wie zu wenig Schlaf nehmen zu lassen. Sie ging in zwei Kategorien gleichzeitig an den Start und konnte ihre Kräfte gut verteilen. Im Paarlauf holte sie sich zusammen mit Bußmann die Silbermedaille und auch im Einzel besiegte sie in den ersten beiden Runden ihre Gegnerinnen. Die Freude und der Wille überwogen so stark, dass sie gar nicht bemerkt habe, wieviel sie gelaufen sei. Im Einzelfinale gegen Elva Adams aus den USA erreichte die gebürtige Südkoreanerin schließlich den zweiten Platz. Freude war jedoch auch hier das Stichwort. Bei Taekwondo handele es sich nicht nur um Sport, sondern eine Charakterschulung, die einen Höflichkeit lehre, unterstreicht Reimann. Dass man dabei den Gegner wahrnehme und ihm Respekt erweise, habe sie gelernt – und freue sich daher für ihre Konkurrentin.
Ihre Leidenschaft für diesen Sport, die Vorbereitungen und die Weltmeisterschaft, fasst Heekyung Reimann selbst am besten zusammen: „Ich bin einfach verrückt nach Taekwondo!“

Marie Klotz

Bild mit freundlicher Genehmigung von Matthias Hoffmann