Der indische Elefantenbulle Jack konnte Mundharmonika spielen, tanzen und Verbeugungen machen. Heute gehört er zu den Highlights der Zoologischen Sammlung des Fachbereichs Biologie.

Jack hat eine außergewöhnliche Geschichte: 1863, als er in Kirchhain im Zirkus auftreten sollte, wütete er so heftig, dass er erschossen werden musste. Dabei folgte der 4,3 Tonnen schwere Bulle auf der vergeblichen Suche nach einer Elefantendame eigentlich nur seinen Hormonen. Indes gab es weit und breit keine Artgenossin. Vor lauter Zorn zertrümmerte Jack die Gitterstäbe seines Verschlages und randalierte so heftig im Hof einer Gastwirtschaft, dass die Stadtväter auf den schnellen Tod des Dickhäuters drangen. Dazu reichten die mit Strychnin präparierten Brötchen allerdings nicht aus. Und auch die aus Marburg angereisten Jäger verschossen viele Kugeln, ehe der Koloss niedersank. 15 Einschusslöcher zeugen von den Qualen des liebeskranken Tieres, das sein Dompteur für 100 Taler an die Philipps-Universität verkaufte.

Heute ist “der Elefant” der zentrale Treffpunkt im Fachbereich Biologie. Jack schwebt nämlich seit 2002 über dem Nordfoyer der Biologen auf den Marburger Lahnbergen. Der langjährige Sammlungsleiter Lothar Beck kämpfte damals für den Wiederaufbau des Skeletts, das zuvor 33 Jahre lang im Depot lag.

Die einzigartige Zoologische Sammlung mit ihren 40 000 Exponaten wurde 1718 von Blasius Merrem gegründet, dem ersten Marburger Professor für Naturgeschichte. Sie gehört zu den wenigen Sammlungen, die nicht durch Kriege dezimiert wurden. Bis heute wird sie oft in Vorlesungen und Seminaren eingesetzt. Forscher aus der ganzen Welt fragen nach ausgestorbenen Arten, die andernorts nicht mehr zu finden sind. Die in Alkohol eingelegte Flussbarbe war sogar in einem Film über Georg Büchner zu sehen, der einst über das Nervensystem des Tiers promovierte. Regelmäßig für große Ausstellungen ausgeliehen werden auch die 2000 bis 4000 Jahre alten Mumienschädel aus Ägypten und Mesopotamien. Darunter ist auch der Schädel eines sieben Jahre alten Kindes.

Im 18. und 19. Jahrhundert war Marburg die zentrale Forschungsstelle für Perlenzucht. Mit Hilfe der damals noch existierenden Flussperlenmuscheln wurde in den Nebenflüssen und Bächen der Lahn versucht, künstliche Perlen zu erzeugen. Seitdem hat der emeritierte Zoologieprofessor Lothar Beck nur noch 18 Flussperlenmuscheln in Hessen gezählt – sie können bis zu 120 Jahre alt werden.

Viele außergewöhnliche Stücke stammen aus der Meeresbiologie – etwa von der Biologischen Station Helgoland, der Zoologischen Station Neapel und der ersten deutschen Tiefseeexpedition: Das reicht von Korallen über Stachelhäuter und Schnecken bis zur “Portugiesischen Galeere”, ein Nesseltier aus dem Mittelmeer mit bis zu 30 Meter langen Tentakeln, deren Gift für Menschen tödlich sein kann.

Beeindruckend sind die zahlreichen Skelette. 25 Affen, aber auch Robben, Krokodile, Seekühe, Giraffen, Antilopen, Flamingos, ein Braunbär und eine Phytonschlange drängeln sich im Sammlungsraum. Dazu kommen viele ausgestopfte Exemplare sowie eine Sammlung von rund 20 000 Käfern und Schmetterlingen. Zu den kuriosen, älteren Ausstellungsstücken zählen das doppelköpfige Schaf, ein doppelköpfiges Kalb und Perückenböcke. Besonders beliebt bei Führungen ist ein Stopfpräparat aus der jüngeren Geschichte. Ein Plumlori, einniedlicher Halbaffe, der einst als Mitbewohner eines Professorenehepaars im Marburger Raum gehalten wurde.

Gesa Coordes

Bild mit freundlicher Genehmigung von Gesa Coordes