Stadt und Landkreis Marburg greifen ebenso wie das ganze Land zu drastischen Maßnahmen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu begrenzen: Seit Montag sind alle Schulen und Kindertagesstätten zu. Es gibt nur noch eine Notbetreuung für Kinder, deren Eltern in der Medizin, der Pflege, bei der Polizei, der Feuerwehr oder in der Justiz arbeiten. Seit Mittwoch sind auch die meisten Geschäfte geschlossen. Für Seniorenheime und Krankenhäuser gilt ein weitreichendes Besuchsverbot.

Das öffentliche Leben ist quasi komplett zum Erliegen gekommen: Stadt­verordnetensitzungen, Vorträge, Theater, Konzerte und Lesungen wurden abgesagt. Es dürfen keine Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen im Landkreis stattfinden. Turnhallen, Sportplätze, Schwimmbäder, Museen, Kulturzentren, Kinos, Fitnessstudios, Bars, Clubs, Volkshochschul-Kurse und die Stadt­büchereien sind geschlossen. Sogar Spielplätze sollen nicht mehr genutzt werden. Auch die gesamte Stadtverwaltung einschließlich des Stadt­büros und der Ausländerbehörde sind dicht. Selbst die Marburger Tafel verteilt bis zum 20. April keine Lebensmittel an ihre mehr als 2000 Kundinnen und Kunden.

Die Zahl der am Coronavirus erkrankten Menschen im Landkreis Marburg-Biedenkopf hat sich inzwischen auf 28 erhöht (Stand Dienstag, 17. März, 12 Uhr). Alle Betroffenen leben in ihrer häuslichen Umgebung in Quarantäne und werden von Freunden und Verwandten versorgt. Nach Auskunft des Landkreises haben sie nur leichte oder keine Krankheitssymptome, müssen also nicht in die Klinik. Sie werden vom Gesundheitsamt betreut, das auch mögliche Kontakt­personen ermittelt.

Geschäfte und Gaststätten

Mit Ausnahme von Lebensmittelläden, Wochenmärkten, Baumärkten, Apotheken, Drogerien, Tankstellen, Banken, Waschsalons und Poststellen bleiben die Geschäfte geschlossen. Dienstleister wie Optiker, Friseure und Handwerker dürfen weiterarbeiten. Bars und Clubs sind zu. Alle Restaurants, Kantinen und Mensen müssen nach 18 Uhr schließen. Ministerpräsident Volker Bouffier begründet die Regelung für die Gaststätten mit dem Ver­sor­gungs­auf­trag. Menschen müssten irgendwo essen können. Auch die Lieferdienste dürfen weiter Essen ausfahren. Hotels und Pensionen dürfen nicht mehr für touris­tische Zwecke genutzt werden. Deutsche sollen keine Urlaubsreisen im In- und Ausland untenehmen.

Universität

Der Beginn der Vorlesungszeit an der Philipps-Universität wurde ebenso wie an den anderen hessischen Hochschulen auf den 20. April verschoben. Auch die Orientierungseinheiten zum Sommersemester werden nicht stattfinden. Die Uni-Bibliotheken haben auf einen reinen Ausleihbetrieb umgestellt. Das bedeutet, dass sie nicht mehr zum Arbeiten, sondern nur noch zur Ausleihe und zur Rückgabe von Medien betreten werden dürfen.

Bei den Veranstaltungen gibt es eine weitreichende Ankündigung: Bis zum 31. Juli werden keine Tagungen, Kongresse oder Fortbildungen an der Universität stattfinden. Das gilt auch für die Angebote des Hochschulsports. Alle Klausuren wurden abgesagt. Nur bei den mündlichen Prüfungen sowie den Prüfungen im Rahmen des kirchlichen und des Staatsexamens werden die Studierenden gebeten, mit ihren Prüfern Kontakt aufzunehmen. Die Abgabetermine für Haus- und Abschlussarbeiten wurden um drei Wochen verlängert (Ausnahme Haus­arbeiten im Rahmen der ersten Staatsprüfung Lehramt für Gymnasien).

Alle Studierenden, die sich in einem Risikogebiet aufgehalten haben – etwa in Italien, Tirol, Madrid, im Landkreis Heinsberg, dem Elsass, Lothringen oder der Champagne -, werden aufgefordert, die Universität und die Mensen zwei Wochen lang nicht zu betreten.

Arbeitsagentur

Die Arbeitsagentur Marburg ist ab sofort nur noch telefonisch oder online für ihre Kundinnen und Kunden erreichbar. Sowohl die Hauptagentur in Marburg als auch die Geschäftsstellen in Biedenkopf und Stadtallendorf sind für den allgemeinen Kundenverkehr geschlossen. Wer sich aktuell arbeitslos oder arbeitssuchend melden möchte, kann dies telefonisch unter 06421-605102 tun. Alle persönlichen Gesprächstermine werden ohne Rechtsfolgen gestrichen. Die Arbeitsagentur sichert auch zu, dass den Kunden keine finanziellen Nachteile durch die neue Regelung entstehen. Anträge – zum Beispiel auf Arbeitslosengeld – können formlos per Mail oder über den e-Service (www.arbeitsagentur.de/eServices) gestellt oder in den Hausbriefkasten eingeworfen werden. Arbeitnehmer können sich telefonisch unter 0800-4555500 melden. Da auch das Berufsinformationszentrum geschlossen ist, können sich junge Leute unter https://planet-beruf.de oder telefonisch unter 06421-605153 informieren.

Busse und Bahnen

Um die Busfahrer der Marburger Stadtwerke vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen, ist der Ein- und Ausstieg an den vorderen Türen der Busse nicht mehr möglich. Um Kontakte zu vermeiden, können Fahrgäste auch keine Fahrkarten mehr beim Fahrer kaufen. Dennoch gelte die Fahr­schein­pflicht, betonen die Stadtwerke. Auch in den Bussen des Landkreises können die Fahrgäste nur noch an den mittleren und hinteren Türen einsteigen. Die Deutsche Bahn schränkt ihren Regionalverkehr deutlich ein. Damit reagiert sie auf die sinkende Zahl der Fahrgäste.

Kirchen

Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck hat alle kirchlichen Ver­anstaltungen bis Ende April abgesagt. Konfirmationen wurden in den Sommer oder Herbst verschoben. Nur Trauerfeiern sollen weiter stattfinden. Die Kirchen selbst sollen aber weiter für die Gläubigen offen bleiben.

Auch die katholische Kirche hat – zunächst bis zum 3. April – alle öffentlichen Gottesdienste, Firmungen und Erstkommunionfeiern abgesagt. Es werden aber Gottesdienste abgehalten, die im Internet verfolgt werden können.

Wirtschaft

Messebetriebe, Reisewirtschaft und Gastgewerbe sind besonders stark betroffen. Nach einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) unter den mehr als 10.000 Betrieben in Nordhessen und im Altkreis Marburg rechnen knapp 40 Prozent mit einem Umsatzrückgang in diesem Jahr. Die Umfrage, an der sich mehr als 220 Betriebe beteiligten, stammt allerdings vom 13. März – die Werte dürften sich angesichts der sich rasant verändernden Weltlage seitdem deutlich verschlechtert haben. Klar wurde allerdings schon vor einer Woche: “Die Absagen von Messen und Veranstaltungen, Reiseeinschränkungen, krankheitsbedingte Ausfälle sowie eine geringere Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen wirken sich aus und können gerade für kleine und mittlere Unter­nehmen und sogar für gesamte Branchen zur existenziellen Gefahr werden”, sagt IHK-Präsident Jörg Ludwig Jordan.

Nach der Befragung hatte nur jedes fünfte Unter­nehmen einen Notfallplan, falls es zu einem Krankheitsfall im Betrieb kommt. Stattdessen gibt es nun einen großen Informationsbedarf. Jedes dritte Unter­nehmen interessiert sich dafür, wie ein innerbetrieblicher Pandemieplan erstellt wird. Jede vierte Firma möchte mehr über das Kurzarbeitergeld erfahren: “Wenn in extrem kurzer Zeit die Hälfte des Umsatzes wegbricht, aber fast alle Ausgaben weiterlaufen, können das sehr viele Betriebe nicht lange durchhalten”, so die IHK. Unter­nehmen sollten ihre in diesem Jahr anfallenden Verluste sofort mit anstehenden Steuernachzahlungen für die Vorjahre verrechnen können, fordert sie.

Coronavirus-Testzentrum

Das Coronavirus-Testzentrum des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes befindet sich nicht mehr im Universitätsklinikum Marburg, sondern in Marburg-Cappel im ehemaligen Flüchtlingsheim (Zu den Sandbeeten 1). Das Uni-Klinikum bittet eindringlich darum, wegen einer Coronavirus-Testung nicht mehr auf den Lahnbergen vorzusprechen, sondern über die Hausärzte und den Ärztlichen Bereitschaftsdienst einen Termin im Cappeler Bereitschaftszentrum zu machen. “Wir müssen derzeit unsere Patientinnen und Patienten in besonderer Weise schützen. Daher ist es wichtig, dass kein Verdachtsfall zur Testung auf die Lahnberge fährt und sich in unserem Gebäude auffällt”, erläutert Klinik-Sprecher Frank Steibli. Der Bereitschaftsdienst ist telefonisch unter 06421-116117 erreichbar.

Hotlines

Das hessische Sozialministerium hat eine landesweite Hotline für Fragen rund um das Coronavirus geschaltet. Sie ist täglich von 8 bis 20 Uhr erreichbar: 0800-5554666.

Der Landkreis Marburg-Biedenkopf hat ebenfalls eine Telefon-Hotline zum Thema eingerichtet. Unter der Rufnummer 06421-4054444 stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitsamtes für Fragen zum Coronavirus zur Verfügung.

Wer sich über die Schließung von Schulen und Kindertageseinrichtungen informieren will, kann sich unter 06421-4051888 melden. Beide Telefon­nummern sind täglich zwischen 9 und 16 Uhr erreichbar.

Stadtverwaltung geschlossen für Publikumsverkehr

Die Marburger Stadtverwaltung hat für den Publikumsverkehr geschlossen, um die Ansteckungsgefahr in den öffentlichen Gebäuden so weit wie möglich einzuschränken. Aber die Fachdienste der Stadt sind weiterhin erreichbar. Die Mitarbeiter stehen per Telefon und E-Mail zur Verfügung. Zu erreichen sind die Fachdienste unter zentralen Hotlines.

“In der derzeitigen Situation ist es zentral, die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Zentrale Infrastrukturen müssen aber weiter so lange wie möglich arbeitsfähig sein. Deswegen werden wir die Stadtverwaltung für den Publikumsverkehr schließen”, sagte Oberbürgermeister Thomas Spies. Das geschehe zum Schutz der Mitarbeiter und auch zum Schutz der Bürger. “Gerade in der Frauenbergstraße, in der Stadtbüro und Ausländerbehörde untergebracht sind, sind 600 Kund*innen am Tag, zusätzlich zu unserem Personal. Damit unsere Mitarbeiter*innen ihre Dienstleistungen und wichtige Aufgaben, wie etwa Jugendschutz und soziale Leistungen, weiter erbringen können, müssen wir das Ansteckungsrisiko senken”, so das Stadtoberhaupt weiter.

Die Fachdienste der Stadt Marburg sind allerdings weiterhin erreichbar – per Telefon und E-Mail sowie auf dem Postweg. Die einzelnen Fachdienste richten jeweils zentrale Hotlines und Mailadressen ein, die zu den Sprechzeiten der Verwaltung erreichbar sind. Diese Kontaktdaten werden auf der Internetseite der Stadt Marburg veröffentlicht. Eine allgemeine Hotline der Stadt Marburg ist zudem von Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr durchgängig erreichbar unter 06421/201-1000, E-Mails können zentral an coronaauskunft@marburg-stadt.de geschickt werden.

Gesa Coordes

Bild mit freundlicher Genehmigung von Georg Kronenberg